Trödel-Törn in der Türkei


Insider meinen, ein Schiff ist erst im zweiten Jahr nach der Werft fertig. Mit soviel Zeit rechnen wir zwar nicht, doch im Grunde ist das schon richtig. Was nicht heißt, dass unsere Werft ein halbfertiges Schiff ausgeliefert hat, ganz im Gegenteil! Aber eine Yacht auf seine ganz persönlichen Bedürfnisse auszurichten, braucht Zeit. Heute entdeckt man hier etwas, was verbessert werden könnte, morgen fällt einem noch was besseres ein, weil man es der Nachbaryacht auf dem Ankerplatz abgeschaut hat. In dieser Phase befindet sich jetzt die THALASSA. Das Leben auf dem Schiff, das Blauwassersegeln hat begonnen. Um am Schiff rumzuspielen eignet sich kein Revier besser als die Türkei, für mich das schönste Fahrtenrevier in Europa.

12.8.01 - Jahrescheck und üble Überraschungen

Ein paar Tage mussten wir Geduld aufbringen, bis wir unter den Giganten konnten. Der Wind war verantwortlich für die Verzögerung. Unser Kat besitzt zwei Motoren und dementsprechend leicht ist er zu manövrieren. Man sagt, man kann ihn "auf dem Fleck" drehen. Das stimmt, gilt aber nur bei Flaute. Bei Wind kann man ihn ebenfalls auf dem Fleck drehen, doch leider bewegt sich der Fleck mit dem Wind. Das ist weiter nicht schlimm, wenn man sich darauf einstellt. Leider können sich andere oft gar nicht vorstellen, wie problematisch Hafenmanöver mit dem Riesenschiff sind, wenn der Wind aus der "falschen" Seite weht. In unserem Fall galt es, in das 11 Meter breite Bassin unter dem 330-Tonnen-Travellift zu kommen, und zwar bei seitlichem Wind. Jeden Tag blies der Wind mit bis zu 20 Knoten, viel zu viel, um sicher gerade in das Bassin reinzukommen - und zwar rückwärts. Endlich nach drei Tagen Wartezeit war es soweit. Frühmorgens war der Windmesser unter 10 Knoten und fix waren die Leinen losgeworfen. Ich stellte den Kat parallel zum Bassin und zwar 2 Meter davor. Dann ließ ich mich vom Wind langsam vor das offene Bassin treiben und mit einem kurzen, aber kräftigen Rückwärtsschub mit beiden Maschinen war ich drin. Zahlreiche Mitarbeiter der YAT-Marine nahmen uns mit den vier Festmachern in die Mitte, so konnte nichts mehr passieren.

Der Rest war hochprofessionelle Routine des Bedienungspersonals des gigantischen Travellifts. Zentimetergenau schob sich das Ungeheuer über die THLASSA, während unter ihr zwei Gurte durchgezogen und an den dafür vorgesehen kleinen roten Dreiecken am Rumpf abgestoppt wurden. Dann röhrten die Dieselmaschinen auf und man spürte, dass die Gurte "auf Anschlag" angehoben waren. Zwei Taucher sprangen ins Wasser und zeigten mit dem Daumen nach oben. Der Führer des Travellifts - er ist der einzige in der Türkei, der dieses Monstrum beherrscht - bediente behutsam seine Joysticks und die THALASSA schwebte, während auf dem Gewichtsinstrument der rote Zeiger bei 19 Tonnen stehen blieb. Ich war schon mit verschiedenen Yachten im Travellift gehangen. Jedesmal spürte ich das Verwinden der Yacht, jedenfalls recht unnatürliche Bewegungen außerhalb des Wassers. Diese Mal war es ganz anders. Nichts bebte, nichts zitterte am Schiff, als der Lift sich langsam in Bewegung setzte und den Kat behutsam nach hundert Meter auf den harten Beton setzte. Beweis für hervorragende Verarbeitung des Kats?

Einen netten Nachbarn hatten wir an Steuerbord, einen rüstigen Holländer, der mit seinen 72 Jahren noch einmal auf Weltumsegelung gehen wollte. Zu diesen Zweck ließ er sich ein herrliches Schiff bauen, und zwar eine Standfast 62, ein Schwesterschiff der deutschen Pinta, vom Zeichentisch des bekanntesten deutschen Designer-Duos. Schon die Inneneinrichtung der dreieinhalb Millionen teuren Yacht beeindruckte, denn alles ist in weißem Lack gehalten. Man merkt die Erfahrung des Eigners, der sich mit diesem Schiffsbau - es ist sein fünfter - das Traumschiff seines Lebens bauen wollte. Dass in technischer Hinsicht alles vom letzten Schrei ist, versteht sich von selbst. Das ganze Schiff ist aus Carbon, der 30 Meter lange Mast (geschätzt) sowieso. Das Schiff hat einen Tiefgang von zwei Meter zwanzig - mit eingezogenen Hubkiel. Hydraulisch ausgefahren reicht die sieben Tonnen schwere Kielbombe über vier Meter tief unter die Wasserlinie. Was natürlich einen gewaltigen Hebelarm und enorme Kräfte auf den Mast erzeugt.

Aber nicht einmal der Carbonmast hielt diese Kräfte aus. Schon nach den ersten paar hundert  Seemeilen nach dem Stapellauf kam er von oben. Der Skipper vermutet einen Konstruktionsfehler, was ihm wenig hilft, denn zunächst sitzt er auf einem riesigen finanziellen Schaden. Der Prozess läuft.

Leider scheint ihm aber das Pech auch weiterhin treu zu sein. Beim Segeln in der Türkei gab es plötzlich einen explosionsartigen Krach und der Hubkiel ging auf Anschlag. Nachdem die Yacht an Land gesetzt worden war, wurde der Schaden offensichtlich. Der über einen Meter lange Hydraulik-Zylinder war undicht geworden. Die Ursache ist leicht zu sehen, aber nicht zu verstehen. Auf einer Länge von 30 Zentimeter war beidseits der Zylinder aus höchstwertigem Stahl von Elektrolyse angefressen - ach was, was sag ich! -  "aufgefressen" worden, so dass schließlich die Hydraulik-Flüssigkeit entweichen konnte.

Und dabei ist die Yacht erst zwei Jahre alt. Über die Ursache für die Elektrolyse darf gerätselt werden: Waren es vagabundierender elektrische Ströme? Spielt der Baustoff Carbon, ein exzellenter Stromleiter,  eine Rolle? Wahrscheinlich wird jeder der drei Seiten - Werft, Eigner und Konstrukteur - eine andere "einleuchtende" Erklärung für diesen Kapitalschaden haben. Aber bewundernswert der tatkräftige Eigner! Statt des Segelurlaubs setzte er sich in das Flugzeug, um bei der Herstellung eines neuen Zylinders (der nicht mehr aus nichtrostendem Stahl hergestellt wird) etwas "Druck zu machen". Nach ein paar Wochen soll er dann in die Türkei geschickt und eingebaut werden. Wenn ich da nur an die Luftfracht-Kosten denke, wird mir ganz schlecht...

Ich erwähne dieses Pech des bedauernswerten Segelfreundes nur deshalb, weil auf dem Papier manche Schiffkonstruktionen häufig so beeindruckend sind, dass man sich eigentlich fragt, warum man so bescheuert ist, mit einfachen Schiffen herumzusegeln. Unsere Zeitungen machen es sich auch meist ziemlich leicht, wenn sie geniale Designer-Ideen (meist nicht einmal mit Foto, sondern mit Zeichnungen) vorstellen und nicht weiter berichten, wie sich diese Dinge später in der Praxis bewähren. Ich krieg auch häufig Verbesserungsvorschläge, die mich gelegentlich schon nerven, weil mich einige offensichtlich völlig fantasielos halten. Es ist sicher nicht das Alter, sondern schlicht die Erfahrung, die viele Segler immer "konservativer" werden lässt. Ich komme langsam zu der Konsequenz, in der Seefahrt nur noch "Erfindungen" einzusetzen, die sich schon einige Zeit bewährt haben, und zwar mindestens 10 Jahre lang. Wer meint, das sei übertrieben, möge mal alte YACHTen durchlesen und sich Gedanken machen, welche der damals vorgestellten tollen Ideen sich so in der Praxis bewährt haben, dass sie heute regelmäßig genutzt werden. Bis auf wenige Ausnahmen (Rollfock und Rollgroß) praktisch keine!

Nur zwei Tage waren wir auf dem Trockenen. Klaus, ein deutscher Segler, der demnächst mit (türkischer) Frau und nettem Sohn mit seiner hölzernen TAKEBORA auf Langfahrt, Ziel Amerika, gehen wird, nahm mir das Bemalen des Unterwasserschiffs und ein paar kleinere Holzarbeiten ab. Die letzte Farbe hatte gerade ein Jahr gehalten, die nächste Zeitspanne bis zum "Rausgehen" möchte ich auf zwei Jahre strecken. Die Zinkanoden an den Z-Drives kann ich auch unter Wasser wechseln und im Pazifik geht man ja ohnehin meist mit der Bürste in der Hand ins Wasser. Unterwasserschiff abschruppen gehört ein wenig zum Schiffsunterhalt wie Schneeschaufeln und Streuen zu Hause.

Der Anstrich war schnell von Klaus erledigt und so konnten wir gemütlich im Pool des Marina gegen die sengende Hitze  - 38 Grad in der Kajüte - gegenan kämpfen. Genau nach 48 Stunden setzte uns die umsichtige Crew der Marina wieder ins Wasser zurück. Ich würde mich freuen, wenn es immer so ereignislos verlaufen würde, wenn die THALASSA an Land muss. Aber leider sind so leistungsfähige Marinas wie die YAT-Marina weltweit selten. Das Überangebot an Marinas in der Türkei kommt dem Segler entgegen. Aber das Wichtigste ist wohl, dass hier das Personal Verständnis für die Sorgen und Nöte der Segler hat. Ich hoffe, dass dies auch so bleibt, selbst, wenn die YAT-Marina im Golf von Marmaris einmal voll belegt sein wird. Damit kann in den nächsten Jahren gerechnet werden, vor allem dann, wenn diese Marina ihre Preispolitik beibehalten wird. Wir waren jedenfalls nach Vergleich von Leistung mit Preis hochzufrieden. Mehr als das.

6.8.01 - Suche nach dem Giganten

Die Entscheidung war nun gefallen, definitiv! Das Rote Meer werden wir uns ersparen. Jahrelang sind wir Gewässer aus dem Weg gegangen, wo die Gefahr von Überfällen auf die Yacht, auf uns, greifbar war. Früher war das Chinesische Meer gefürchtet, während beispielweise Timor und Indonesien zu den "sicheren Gebieten" gezählt hat, was heute nicht mehr der Fall ist. Da erhebt sich wieder die Frage, ob "früher alles besser (schlechter)" war. Die Antwort ist leicht: "Es war anders". Damals war die Welt aufgeteilt in "Gut" und Böse", wobei für uns selbstverständlich alles Kommunistische der Teufel war. Tatsächlich war es aber so, dass es kaum Länder oder Völker gab, die ihr eigens Süppchen kochen konnten, während heute allein auf den Philippinen ein paar Dutzend Privatarmeen existieren, die alle - schwer bewaffnet - ihre eigenen Gesetze machen und danach auch handeln. Die Gefahr für Yachten in diesen Ländern ist evident. Es laufen zahlreiche schwer bewaffnete Gesellen herum, die auch mal auf eigene Faust zu dem erhofften Reichtum kommen wollen. Yachten sind da begehrte Opfer, weil auf ihnen grundsätzlich Reichtum erwartet wird, weil sie schwach bemannt und kaum bewaffnet sind und vor allem, weil man auf hoher See ohne Zeugen agieren kann. Letzteres stimmt zwar so nicht ganz, weil heute fast jede Yacht die Möglichkeit hat, Notrufe über Funk oder Satelliten abzugeben, aber davon kriegen Seeräuber kaum etwas mit und technisch nicht den Durchblick haben, zu erkennen, dass ihre Tat nicht unentdeckt bleibt, sich also davon nicht abschrecken lassen.

Die Berichte von Überfällen an der afrikanischen Küste im Roten Meer hatten sich in letzter Zeit doch so drastisch gehäuft, dass uns die Lust auf den kurzen Weg in den Indischen Ozean schlicht vergangen ist. Madagaskar beispielsweise hätten wir nach dreißig Jahren gerne wieder besucht, war dies auf unserer Weltumsegelung doch ein Highlight. Aber, basta! Schließlich segeln wir, um uns zu freuen, und nicht, um uns mit Piraten Feuergefechte zu liefern. Das normale Blauwassersegeln ist schon aufregend genug. Also, zurück, raus aus dem Mittelmeer, und im Herbst über den Atlantik, um letztlich durch den Panama-Kanal in die Südsee zu gelangen!

Einer der Reize beim Blauwassersegeln ist es, sich treiben zu lassen, auch zeitlich. Aber einen Pflichttermin hatten wir doch einzuhalten: Die THALASSA war jetzt über ein Jahr im Wasser, sie musste wieder mal ins Trockene. Die Unterwasserfarbe - früher ganz offiziell "Giftfarbe" genannt - , war am Ende ihrer Wirksamkeit. Zwar hätte ich durch häufiges Tauchen mit Säubern den Unterwasserschiffs schon noch ein halbes Jahr rausholen können, doch haben wir hier in der Türkei die bei weitem technisch besseren Möglichkeiten, das Schiff auf Trockene zu setzen als beispielsweise in der Karibik. Ein zweiter Grund, das Schiff aus dem Wasser zu holen, ist leider der Z-Antrieb beider Motoren. Es gibt viele gute Gründe, gerade auf einem Katamaran keine Wellenanlage für die Motoren Vorteile einzubauen, aber ein Nachteil ist sicher, dass jährlich die Opferanode und vor allem das Getriebeöl gewechselt werden sollte. Könnte man die Anode zur Not sicher auch tauchenderweise im Wasser austauschen, so sehe ich beim Getriebeölwechsel eine solche Möglichkeit nicht, denn das Öl muss ja nach unten abgelassen werden und die Ölablassschraube liegt nun mal unter Wasser.

In den einschlägigen Reiseführern wird überall auf das Vorhandensein von Travelliften in den türkischen Marinas hingewiesen, sodass wir uns anfänglich da wenig Sorgen gemacht haben. Bei näherem Hinsehen, erwiesen sich die Travellifte samt und sonders als zwar nicht zu schwach, aber zu klein. In Finike beispielsweise war das Bassin unter dem Travellift 7,40 Meter breit, unser Kat aber offensichtlich drei Zentimeter breiter. Wir hätten nun die THALASSA auch mit einem Schlitten rausholen können, wie es mit den Gullets seit hundert Jahren gemacht wird, aber ein Travellift ist halt doch schonender. Er fährt mit seinen Storchenbeinen über ein Bassin, indem sich die Yacht befindet, legt zwei Gurte unter den Rumpf, liftet die Yacht ein paar Meter hoch, und fährt sie dann zum Stellplatz, um sie dort sachte abzusetzen.

Schließlich hatten wir den Tipp mit der YAT-Marina bekommen. Deren neuer Travellift ist für 330 Tonnen gut, was ihn zum mächtigsten Lift dieser Art in Europa macht. Unsere THALASSA wiegt nur 15 Tonnen ist also für diesen Giganten nur ein Appetithappen. Vor allem aber ist das Bassin unter dem blauen Monstrum über 10 Meter breit. Der erste Anblick des Travellifts in der YAT-Marina in Marmaris war dann auch beeindruckend. Allein diese Walzen von Rädern überragen einen Menschen bei weitem. Und die Gurte sind so schwer, dass einen davon, es werden bis zu 16 davon eingesetzt, ein Mann kaum tragen kann. Der Kapitän des Travellifts - oben auf dem Gerüst weht die türkische Flagge - sitzt hinten in einem winzigen Führerhäuschen und ich weiß noch nicht, wie er die ganze Szene überblicken soll. Na ja, die Geschwindigkeit, höchstens ein Stundenkilometer entspricht ja auch einer Schnecke. Wir sind schon etwas aufgeregt, am Dienstag wollen wir raus. Von der Tragfähigkeit konnten wir uns noch am Samstag überzeugen, als der Gigant ein riesigen Tragflächenboot für 100 Passagiere kurz mal huckepack nahm.

29.7.01 - Boynusbükü - die perfekte Bucht

Groß war die Überraschung, als am letzten Tag in der Kekova das Schwesterschiff der THALASSA, nämlich die LADY C auftauchte. Diese Privilege 465 ist genau ein halbes Jahr älter als unser Katamaran und fährt bei Ecker-International Charter. An Bord waren neun liebe Leute aus Wien, die diese Yacht schon zum zweiten Mal für eine Woche gechartert hatten. Ein Einrümpfer käme für sie als Charterschiff nicht mehr in Frage und Platzprobleme hätten sie auch nicht, erklärten sie einhellig. Dank Hassan erlebten sie ebenfalls die Kekova von der besten Seite. Sie hatten übrigens - bei vielen Österreichern gehört dies halt zur maritimen Grundausrüstung - ihren eigenen Wein aus dem Burgenland mitgebracht. Was so falsch nicht war, wie wir uns bei einer Weinprobe zur späten Stunde überzeugen konnten, mit guten blaufränkischen Gründen, ohne auch nur in Geringsten etwas gegen den türkischen Rotwein zu sagen.

 

 

Wie soll es mit der THALASSA weitergehen? Langsam müssen wir uns Gedanken machen, zumal - bei aller Trödelei - ein Pflichttermin naht: Die THALASSA muß ins Trockene. Ich tauche zwar täglich, um das Unterwasserschiff zu kontrollieren und tatsächlich ist der Anstrich ohne größere Beanstandungen. Die Zink-Anoden am Z-Drive schauen noch ganz passabel aus, könnten ein zweites Jahr durchhalten. Im übrigen würde ich nicht davor zurückschrecken, sie nach Abnahme der Propeller auch unter Wasser mit Schnorchel und Maske auszutauschen. Was allerdings submarin nicht geht, ist der Ölwechsel fürs Getriebe, der jedes Jahr stattfinden sollte. Das Öl kann eben nur über die Öl-Ablass-Schraube ablaufen, die unter Wasser liegt. Ich fände nicht viel dabei, das Öl noch ein weiteres Jahr drin zu lassen, doch werden wir zum Jahresende nicht mehr im Mittelmeer sein, und dann hab ich noch viel weniger Möglichkeiten, die THALASSA an Land zu setzen. Egal, ob wir nach Westen oder Osten ins Rote Meer segeln.

Der Appetit auf den direkten Weg in den Indischen Ozean ist uns allerdings schon vergangen. Denn die Meldungen aus dem Roten Meer können einem einen Schreck einjagen: So hat ein englischer Yachtsmann berichtet, dass in Zypern immer häufiger Yachten beobachtet werden können, die an der Wasserlinie Einschuss-Löcher haben, eine wurde gar mit einer ganzen Garbe "beglückt". Das Gegenmittel sehen viele Yachtsleute in einer Art Geschwaderfahrt. Unlängst kam ein Konvoy von 12 Yachten durchs Rote Meer gesegelt - unversehrt. Doch, meinte der Engländer, wenn ich das wollte: "I would join the army!"

Deshalb bummeln wir langsam nach Westen zurück. In Marmaris, so scheint es, gibt es einen Travellift, der so groß ist, nämlich für 300 Tonnen gut, dass auch die THALASSA für ihn eine Art Mickeymaus ist.

Vom Wind her ist die Türkei gewiss kein Traumrevier. Weht der Meltemi in der Ägäis mit Sturmstärke, setzt er sich stark abgeschwächt an der Südküste der Türkei fort. Seine Dünung allerdings scheint kaum gebremst, wie wir bei der Rückfahrt gleich nach der Kekova feststellen mussten. Die Nacht durchmotoren wollten wir, auf bleierne See hatten wir gehofft. Der Wind war aber keineswegs eingeschlafen, so wurde es ein mühselige Bolzerei nach der Boynusbükü.

Es war vor ein paar Jahren in der Südsee, als mich ein anderer Yachtsmann mit der Aussage überraschte, er hätte Sehnsucht nach dem Mittelmeer. Wieso das?

"Weil" - . so meinte er mit verträumten Blick - "ich Sehnsucht danach habe, in einem Restaurant zu sitzen und beim Essen auf meine Yacht schauen möchte!" Tatsächlich gibt es solche Gelegenheiten in der Südsee kaum. Meist liegt man in einer Traumbucht, aber kein Restaurant weit und breit.

In der Türkei ist dies anders, ganz anders. Es macht den spezifischen Charme dieses Reviers aus, dass man landschaftlich reizvolle Ankerbuchten zuhauf findet, an deren Ende regelmäßig irgendein "Restaurant", besser gesagt, eine einfache Taverne findet. Meist ist sie von einer Familie bewirtschaftet, der Kühlschrank (und die Stegbeleuchtung) werden vom Generator hinten im Wald betrieben. Was aber die Bucht Boynusbükü so liebenswert macht, ist die Ruhe, die man fast immer vorfindet. Für die Charteryachten liegt sie sehr ungünstig, nämlich nur drei Meilen von Göcek entfernt, und mit so kurzen Schlägen gibt sich keine Chartercrew ab, schließlich braucht man ja Seemeilen. Gut so!

In der Boynusbükü liegt man vor Anker frei schwojend oder mit Achterleine zu einem Baum oder aber am Steg der Taverne. Kostenlos! Das Wasser hat der Wirt der Taverne über einen Kilometer aus einer Bergquelle hergeleitet, sodass man seine Tanks hier mit H2O ohne jede Chemie füllen kann. Kostenlos! Wenn man den Wirt bittet, die elektrische Wasserpumpe zuzuschalten, dann wird aus dem Rinnsal ein dicker Strahl, bald so kalt, als wäre man in den Bergen direkt unter der Quelle. Was eine Wohltat ist, denn - damit ich auch mal was Negatives über das Revier sage - die Hitze ist nur mit einem Dutzend Sprünge am Tag ins Meer einigermaßen zu ertragen. Die alten Hasen unter den Türkeiseglern kennen aber in der Boynusbükü die Ankerplätze auf den Meter genau, wo offensichtlich kühle Quellen ins ansonsten 33 Grad warme Wasser sprudeln.

In der Boynusbükü tagelang vor Anker liegen, das ist für mich die reinste Form des Fahrtensegelns!

 

9.7.01 - der echte, der wahre Hassan

"Wie finde ich denn die Taverne vom Hassan?" Karl-Heinz meinte, den könne ich gar nicht übersehen, sein Name sei groß angeschrieben und außerdem habe er sich den bescheidenen Titel "BESTER KOCH VOM MITTELMEER" gegeben. Mit dieser Wegweisung motorten wir die paar Meilen rüber zur Kekova-Adasi.

Aber so einfach war es dann doch nicht. Ein ganze Reihe von Tavernen hatten ein Riesenschild mit der Inschrift "HASSAN" am Steg. Wie listig, auch eine Art, Gäste ins "falsche" Lokal zu locken!

Aber drüben, am Festland, da sah man schon, wie die Schwarz-Rot-Goldene geschwenkt werden. Das musste uns gelten. Doch, rätselhaft, ganz woanders machten wir das Schild vom besten Koch im Mittelmeer aus. Nur nicht am "falschen Steg" anlegen, denn moralisch ist man ja dann verpflichtet, auch zu bleiben. Jetzt winkten schon zwei Adenauer, was uns weiter verunsicherte. Einer musste der richtige Hassan wohl sein, denn der andere Steg, keine fünf Meter daneben, war eindeutig mit "Ibrahim" ausgezeichnet. Die Fahnen wurden immer heftiger geschwenkt und Ibrahim unterstrich seine Lockbemühungen mit einer Riesenhand aus Schaumstoff.

Immer noch verunsichert entdeckten wir endlich auch das Bester-Koch-Schild. Also mußte der "rechte" der richtige sein. Obwohl - Ibrahims Antwort auf diese Werbekampagne Hassans war auch nicht schlecht.

Trotzdem, wir fanden den "richtigen" Hassan. Seit 17 Jahren lebt er hier und bemüht sich zusammen mit Frau und Tochter - um die Segler. Was ihn fast schon zur Legende gemacht hat. Praktisch jeder kompetente Reiseführer empfiehlt, bei Hassan anzulegen. Als einziger wird Hassan, und nicht seine Konkurrenten, im Schrifttum genannt, wie Hassan mit sichtlichem Stolz bemerkt. Aber es ist nicht zu übersehen, dass ihn der ständige Fight mit seinen Nachbarn nervt. Verständlich, denn alles, was sich Hassan an Werbung einfallen lassen hat, blieb nie lange ohne Nachahmer. Der Gag mit den geschwenkten Fahnen wurde fast zur Last. Anfangs hatte man ja nur die paar gängigen Nationalen im Einsatz, aber jetzt werden schon exotischere Länder mit heftigem Schwenken ihrer Landesfarben begrüßt. Ein ganzes Arsenal von Flaggen sind also am Stegende griffbereit, hinzu kommen dann noch die größeren Charterfirmen, die mit Firmenflaggen "bedient" werden müssen.

Also, um es kurz zu machen: In der Werbung sind ja Übertreibungen üblich, aber Hassans Anpreisung kommt der Wahrheit schon sehr nahe. "Hassans Spezial", eine neue Eigenkreation mit köstlichem, weil garantiert am gleichen Tag gefangen, Zackenbarsch gehört zu den besten Meeres-Fischgerichten und die Fischsuppe, von seiner Frau (von ihr stammen die exzellenten Vorspeisen) ist sicher die beste Fischsuppe "weit und breit". Und die Preise? In Deutschland würde es kaum für MacDonalds reichen.

Aber man ist ja nicht hier, weil es bei Hassan so billig ist oder nur, weil das Essen so gut ist, nein, schlicht, weil es hier an der Kekova Adasi so schön ist, woran wiederum Hassan seinen (großen) Teil beiträgt. Den Steg vor Hassan mit Strom und Wasser - alles frei, haben wir verlassen und sind 500 Meter weiter östlich vor Anker gegangen. Dort, wo doch gelegentlich ein  leichte Brise Kühlung verschafft. Sicher hätten hier bei bestem Ankergrund 100 Yachten Platz, drei sind es gerade. Wir ankern auf acht Meter Tiefe, nur 50 Meter von einer schroffen Klippenformation entfernt.

Um acht Uhr werden wir vom Knattern eines Außenborders geweckt, dann folgt ein Schnarren an Deck, und kaum stecke ich den Kopf ins Cockpit, rauscht Hassan zur nächsten Yacht, um sein frisches Brot ("ist Geschenk") abzuliefern.

Eine Stunde später ist er wieder da, lädt uns in sein schnelles Speedboot. Eine Wunderwelt zeigt er uns, eine versunkene Stadt. Im glasklaren Wasser, manchmal einen Meter tief, manchmal auch 10 Meter weit unten, sind deutlich überwucherte Mauern zu erkennen, selten sogar die Überreste eines Mosaiks. 30 Meter sei die Sicht hier unter dem glasklaren Wasser, meint Hassan, wir glauben es. Durchs mitgebrachte Schauglas blicken wir auf Jahrtausende. Tief unten im Azurblau liegen weit verstreut zahllose Amphoren, eine sogar gänzlich unversehrt. Hier wird verständlich, warum in der Türkei Gerätetauchen ohne Genehmigung verboten ist, warum auf die Mitnahme antiker Gegenstände schwere Strafen stehen. Man bräuchte nur aufheben und einsammeln. Was früher leider oft geschah. So steht der wohl schönste lykische Sarkophag seit langem in einem Londoner Museum. Auch, wenn dies staatlich ist, bleibt es doch Kunstraub!

Die zahlreichen Sarkophage am Felshang oder gar im Wasser hätten auch vor Grabräubern schützen sollen.  Für die Reise im Jenseits ins nächste Leben waren sie konstruiert und gebaut worden, aber selten blieb eine solche Grabstätte mit den Körpern hochgestellter Lykier länger als ein Jahrzehnt unberührt. So kurz kann "ewig" sein. 

Hassan hat offenkundig ein enges Verhältnis zur geschichtlichen Vergangenheit seiner Heimat.  Er erklärt genau, wie viele Zentimeter der Grund am Meer absinkt. Wir fahren über eine versunkene Marina, vielleicht tausend Jahre alt. Zum Greifen nahe sind die Molen unter uns, die einst vor überkommenden Brechern die hölzernen Schiffe schützen hätten sollen. Jetzt sind sie so weit abgesunken, dass Hassans Außenborder drüberschnurrt, ohne den Scherstift zu beschädigen. Ein paar Meilen weiter erreichen wir einen kleinen Badestrand. Zwei kleine Gullets liegen hier mit lauter Badegesellschaft. "Hörst Du es ?" fragt Hassan, "die Männer sind Türken und die Frauen Russinnen!"

Dann zeigt er uns, diesmal wirklich missbilligend, einen Trümmerhaufen mit altem Gestein. Von Fotos wussten wir, dass es sich hierbei um einen sehr alten Torbogen gehandelt hat. Jahrtausende hat er überstanden, aber das jüngste Erdbeben brachte ihn zum Einsturz. Hassan schimpft: "Aufbauen könnten ihn nur Archäologen, wir haben Hunderte von Archäologen in der Türkei, wo sind die? Warum kümmert sich keiner hier um diese Kostbarkeit?"

Als wir nach diesem stundenlangen Ausflug mit dem Motorboot bezahlen wollen, meint Hassan, der echte Hassan: "Ist Service!"

4.7.01 - Seemannschaft auf türkisch

Finike war so super, dass wir noch probiert haben, ob der Travellift nicht doch ausreicht. Bei Windstille versuchten wir, die THALASSA ins Becken reinzuquetschen - ohne Fender, Hand dazwischen, versteht sich. Aber trotz bester Absicht, die entscheidenden 10 Zentimeter fehlten, Schade! Der Travellift-Operator winkte uns bedauernd nach und zeigte stolz auf seinen blauen Riesen: "Für den wär's kein Problem gewesen!"

Zwei Stunden später fiel unser Bügelanker (kann man auch in jedem türkischen Laden kaufen, lizenziert oder Raubkopie). Der deutsche Bügel (die Amis sagen Bugel) wird allmählich zum Standardanker. Unübersehbar ist seine Fähigkeit, sich sofort einzugraben. Wichtig in einem Revier, wo Ankermanöver praktisch jeden Tag durchgeführt werden.

Toi, toi, unser Ankergeschirr macht das Ankern zum Kinderspiel. Die elektrische Ankerwinde kann vorwärts und rückwärts laufen, damit hat man die Kettenlänge gut im Griff. Die Nirosta-Kette von Wasi (der Bügel ist ebenfalls ein Niro-Wasi-Anker) verstaut sich praktisch von selbst, Turmumwerfen entfällt. Alles bestens, wenn da nicht die Gullets wären. Die benutzen ausnahmslos Stockanker, die bekannt schlecht halten. Den Ausgleich suchen sie dann in der Kettenlänge. Was haben wir im A-Schein gelernt? "Kettenlänge ist gleich dreifache Wassertiefe!" Das ist zuwenig, wie jeder Praktiker weiß, und wählt die fünffache Wassertiefe. Darüber kann der stolze Gullet-Kapitän nur lachen und nimmt die Wassertiefe gelegentlich fünfzigmal(!!!), 200 Meter Kette sind nichts Ungewöhnliches. Das bedeutet aber, dass die Ankerketten der Gullets wie ein unsichtbares Spinnennetz die Bucht überziehen und der Gedanke, dass die Gullett ja auf der anderen Seite der Bucht am Baum hängt, kann zum Ankersalat führen. Bei der anschließenden Auflösung pocht der Gullet-Türke dann schon mal auf das Recht des Stärkeren, das ist er seinem Stolz schon schuldig.

Trotzdem, ernsthafte Schwierigkeiten hatten wir bis jetzt noch nicht. Was noch weniger gefällt, ist die Art und Weise wie sich manche Gullets die Vorfahrt verschaffen, was auch immer mehr "Mode" unter den türkischen Fahrzeugen wird: Sie setzen einfach die Lichter für ein "manövrierbehindertes Fahrzeug" und rauschen dann mit Vorfahrtsrecht und Vollgas durch die Gegend. Clever, was?

Ansonsten: Eine Traumbucht neben der anderen - und mit viel Komfort. Ohne auch nur im Geringsten lästig zu werden, bieten Türken in zahlreichen Motorbooten Brot, Speiseeis, Fische, Melonen oder gar Pfannkuchen an, die im Kahn mit Außenborder, gleichzeitig Wohnung für die ganze Familie, frisch auf dem Gasherd zubereitet werden. Besonders nützlich sind die Tankschiffe, die auf Wunsch auch längsseits zur Yacht, und nicht umgekehrt, zum Betanken kommen. Wem es besser behagt, kann auch mit dem Beiboot rüberfahren und Benzin für den Außenborder kaufen, statt walking..., walking... auf staubigen Straßen mit dem Kanister in der Hand.

Es sind die Gegensätze, die das türkische Revier so anziehend machen. Dort in Finike ein moderne Marina mit Allem Drum und Dran, hier, zwei Stunden entfernt, in der Gökkaya Limani kein Hotel, kein Haus, nur Yachten und Gullets. Vor tausend Jahren muß hier mehr losgewesen sein, die Ruinen am Ende der Bucht beweisen es.

1.7.01 - Im Land der Lykier, da wo der Honig fließt.

Ich sei gelegentlich ein Miesmacher, behauptet Carla. Aber so sehr ich mich auch anstrenge, zur Türkei und den Menschen dort fällt mir aus meiner persönlichen Sicht nichts Negatives ein. Ich beginne zu verstehen, warum hier so viele hängen bleiben. Achim aus Hildesheim lebt in Finike seit langem mit Frau und 9-jährigem Sohn. Sie betreiben - mit viel Sachverstand eine kleine Segelmacherei, stellen auch Klappverdecks her, eben alles, was aus Stoff ist, und was der Fahrtensegler braucht. Achim möchte mit seiner neu erworbenen 38-Fuß-Stahlyacht auf große Fahrt gehen, aber, man fühlt es, er zögert, weil er vermutet, dass nach der Türkei nichts Besseres kommt. Recht hat er!

Eine ganze Reihe von E-Mails hab ich von offensichtlichen Insidern bekommen. Ich solle doch bitte die Vorteile dieses Reviers nicht so hervorheben, das würde zuviel Menschen anlocken und bald wäre es dann mit den paradiesischen Zuständen hier vorbei. 

Okey, aber jedes Ding hat zwei Seiten. Im Gegensatz zu EG-Staaten mit Segelrevieren hat die Türkei ohne Unterstützung durch EG-Gelder in die Zukunft investiert und da braucht es Kunden, sollen die Bemühungen nicht umsonst gewesen sein. Bestes Beispiel: Die Marina in Finike!

Nur etwa die Hälfte der Plätze ist belegt, obwohl diese Marina höchsten türkischen Standard präsentiert und damit, ich weiß von was ich rede, Upper-Class in ganz Europa ist. Nicht ganz so blumenreich wie die neue Port Marina in Göcek, sticht hier eine eintönige, jedoch gewaltige Mole sofort ins Auge. Aber gerade diese Gesteinsmassen sorgen für höchsten Sicherheitsstandard, vor allem im Winter. Auch ansonsten nur Pluspunkte: Die Preise liegen bei 50 Prozent vom Üblichen. Für die THALASSA, wahrlich ein Riesenschiff, sind 80.- DM pro Tag zu löhnen. Dafür  kann man zwischen "längseits" und "Muring" wählen.

Leider muss auch die THALASSA irgendwann weiter, in ein oder zwei oder drei Monaten, denn Jahresliegeplätze wären hier ein wirkliches Schnäppchen, nicht nur wegen der günstigen Flugverbindungen nach Anthalya (mit dem Taxi dorthin zahlt man  80.- DM), und zwar im Gegensatz zu Dalaman das ganze Jahr über: Ein 11-Meter-Schiff kostet nicht mal 1200 Dollar. Wo gibt es das sonst noch in einem Super-Revier mit Sonnengarantie von April bis Oktober? Was beweist, dass die Türken nicht so kurzsichtig sind, Yachtsleute nur uncharmant als Melkkühe zu betrachten. Zu diesem Bild passt dann auch, dass Marinadirektor Caglar Altuntas schon mal für 60 oder 70 Yachties den Besuch eines Open-Air-Konzertes in einem antiken Amphietheater organisiert, bei kostenfreiem Eintritt, wie er stolz betont.

Es sind die vielen Kleinigkeiten, die hier so anheimeln. Dem Skipper steht in einem kleinen Büro kostenloser Internet-Zugang zur Verfügung und für Formel-Eins-Übertragungen gibts einen Schlüssel zum Fernsehraum mit Satelliten-Anschluß. Der Wasserschlauch an jedem Liegeplatz sollte fast von Feuerwehr-Qualität sein, so hoch ist der Wasserdruck beim Deckreinigen. Dass das Wasser allererste Trinkwasserqualität, nämlich Quellwasser aus dem Taurus, ist, passt zum Meerwasser. Man könnte im Hafenwasser schwimmen, aber das ist unnötig, weil der Marina-Direktor hier für die Yachtsleute ein besonderes Schmankerl bereithält: Eine Badeplatform, nur hundert Meter von der Yacht entfernt, über der Mole im offenen Meer mit glasklarem Wasser und Felslandschaft zum Schwimmen.

Auf die Sauberkeit in seiner Marina ist Caglar Altuntas sichtlich stolz. Monatliche strenge Kontrollen setzen Finike an die Spitze der türkischen Marinas. Auch sonst: Strenge Mülltrennung ist Selbstverständlichkeit. Toiletten und Duschen (mit Waschmaschinen) sind wie in allen türkischen Marinas weit über europäischem Standard, was Menge, Sauberkeit und Gestaltung anbetrifft. Für uns Segler aus den sogenannten hochzivilisierten Ländern gewöhnungsbedürftig: Marmor und Föhn gehören hier offensichtlich zur Grundausstattung der sanitären Anlagen.

Auch das macht Spaß: In der Marina wird in einem kleinen Garten ein opulentes und vor allem gepflegtes "türkisches Frühstück" (Tomaten sind selbstverständlich geschält) serviert -  für gerade mal drei Mark. Der Taxifahrer, der uns die paar Kilometer zu den lykischen Ausgrabungen aus dem 2.Jahrtausend vor Christus fährt, klagt allerdings über die Preise in den Lokalen rund um die Marina. 50 Pfennige für eine Tasse Tee sei doch Nepp, wo der Tee doch nur aus Wasser besteht, das es hier umsonst gäbe.

Auch wenn man sich ansonsten nicht für Altertümer interessiert, streift einem in Myra der Atem der Geschichte. Ein gut erhaltenes Amphitheater lässt ahnen, wie sich die Menschen vor ein paar tausend Jahren auch ohne Lautsprecheranlagen vergnügt haben. Der Bischof von Myra (5.Jahrhundert nach Christus), hier ursprünglich begraben, war übrigens der christliche Heilige Sankt Nikolaus, "unser" Weihnachtsmann, denn im islamischen Glauben spielte er keine Rolle. Schon auf dem Weg nach Finike segelten wir an einem langen eintönigen Sandstrand vorbei, unter dem eine einst quirlige lykische Hafenstadt begraben und versandet ist. Bevor wir wieder von unserem Ausflug in die Geschichte in die Marina zurückkehren, lenkt unser Taxifahrer in die Berge, dreißig Kilometer weit. Angenehm kühl wird es in fast tausend Meter Höhe.

Ein einfaches Restaurant, das Özcoban, unter dem Schatten der Zedern an dem Bach, der auch das Trinkwasser für die Marina liefert, hat eine sehr einfache Speisekarte: Salat und Forelle aus dem Gebirgsbach. Aber was für eine Delikatesse kommt da aus dem riesigen Ofen! Für die hauchzarte Forelle im Tontopf mit Käse überbacken und Beilagen löhnen wir jeweils drei Mark.

Zurück in der Marina spüren wir die Hitze nicht mehr, denn pünktlich um die Mittagszeit setzt eine angenehme Seebrise ein, sodass der Gang zu den kühlenden Duschen nicht mehr notwendig ist. Langsam müssen wir uns nach einer geeigneten Möglichkeit umsehen, mit der  THALASSA auf den Slip für einen neuen Unterwasseranstrich zu gehen. Finike würde uns gefallen, aber der Travelift ist zwar für 80 Tonnen gut (THALASSA hat nicht mal 20 Tonnen), aber das Becken hat nur eine Breite von 7,40 Meter, zu kritisch bei 7,30 Meter Schiffsbreite. Das ist schade, denn die technischen Möglichkeiten hier in Finike sind perfekt. Sogar eine kleine Werkstätte für äußerst preiswerte Nirosta-Arbeiten gibt es. Und der Platz mit den aufgebockten Yachten macht einen geradezu einladend sauberen Eindruck - wie alles hier. 

14.6.01 - Wohnen auf dem Wasser

"Die Türken haben die Zeit erfunden", behauptet Karlheinz von der IRKA, dem wir in die Boynuzbükü gefolgt sind. Zusammen mit seiner Frau Iris lebt er auf einem hübschen 37-Fuß-Prout-Katamaran in der Türkei, jedenfalls außerhalb der Winterzeit. Und das schon 6 Jahre. Gelernt hat er Autospengler, was deshalb erwähnenswert ist, weil er was von Fahrzeugen im allgemeinen und von Außenbordern und Dieselmotoren im Besonderen versteht. So jemand ist der King auf jedem Ankerplatz, vor allem, weil die beiden auch hilfsbereit sind. So war mein Außenborder gleich mal um einen nützlichen Benzinfilter verbessert. Bevor die beiden den Katamaran, immerhin 37 Fuß lang kauften, hatten sie noch nie gesegelt. Zwischenzeitlich haben sie jeden Winkel dieses türkischen Reviers erkundet, wo es ihnen so gut gefällt, dass sie keine Veranlassung sehen, weiterzusegeln. Das ist "Segeln", Leben in seiner besten Form: Da zu bleiben, wo es einem gefällt. Inzwischen kann sich Karlheinz mit jedem Einheimischen auf türkisch (für mich genauso schwer zu verstehen wie sein ausgeprägtes Pfälzisch) unterhalten, was in seiner Begleitung auf dem Wochenmarkt ausgesprochen vorteilhaft ist: Fürs Kilo Tomaten zahlten wir 30 Pfennig, für den schwarzen Pfeffer zwei Millionen Lira, während hinter uns eine deutsche Touristin moserte: Sechs Millionen für den Pfeffer ist aber gar nicht billig! Karlheinz hat sich innerlich schon ein wenig von seiner Heimat entfernt, er versucht - mit gutem Erfolg - sich der türkischen Lebensweise anzupassen, was sich in einer seiner vielen Redensarten ausdrückt: "Die Türken haben die Zeit erfunden, die Deutschen die Uhr!"

Meist in Begleitung der IRKA befinden sich Wolfgang und Edda aus Graz. Sie segeln auf der gleichen Wellenlänge wie Iris und Karlheinz, aber mit gänzlich anderem Schiff. Früher hatten die beiden eine 14-Meter-Motoryacht, bis sich Wolfgang in eine 16 Meter lange Gulett verliebte und diese kaufte. Erst seit drei Jahren segeln sie - und arbeiten -  auf diesem schönen Charakterschiff in der Türkei. "Sein ganzer Stolz ist ein Boot aus Holz!" Das bedeutet aber auch: Mehrfach muss das Naturholz gemahlt werden, sechs Anstriche. Und sechs mal abschleifen in der glühenden türkischen Sonne! Und das jedes Jahr. Wolfgang, früher Bahnbeamter, ist dabei für die gröberen Arbeiten zuständig, während Edda die feineren Pinsel benutzt. Ist man bei Ihnen zu Gast, bei Kaffe und Kuchen, Robert-Stolz-Musik und selbstgebranntem Edelschnaps,  merkt man von der Fron nichts, die hinter der schönen Wohnung mit ihren fast fünf Metern Breite steckt. Ob sie sich so ein Holzschiff wieder kaufen würden, möchte ich wissen und ernte von Wolfgang ein unbedingtes: "JA!". Edda zögert mit der Antwort.

10.6.01 - Langstreckentörns

Es gehört zu den (selbstverdienten) Privilegien beim Fahrtensegeln, dass man sich treiben lassen kann. Die Zahl der gesegelten Seemeilen ist wurscht, oft ist ein Tag am Ankerplatz erlebnisreicher als das fetzigste Segeln. Ein Freund, mit vielen zigtausend Seemeilen am Buckel, mit dem ich mal in einer Woche 32, in Ziffern - drei - zwei, Seemeilen im Golf von Fethye gesegelt habe, meinte vor kurzem: "Dieser Langstreckentörn im Golf von Fethye" gehört zu meinen schönsten Segelerlebnissen. Das wollen Carla und ich hier wiederholen.

Nach der Gemiller Reede ging es zurück nach Fethye zum Einkaufen und von dort rüber zur Cleopatra Bucht, immerhin fast acht Meilen. Nachmittags setzten wir bei gleichmäßiger 15-Knoten-Brise unseren Spinnaker, was auch mit kleiner Mannschaft trotz der beachtlichen Größe dieses Segels ein Kinderspiel war. Nicht einmal das Groß benötigten wir beim Setzen, um Windsschatten für den Spi zu erzeugen. Der Spinnaker befindet sich in einem "Strumpf" der im geschlossenen Zustand vorgeheißt wird. Wenn die Schot sauber ausgelegt ist, braucht man den Strumpf nur hochzuziehen und schon entfaltet sich das bunte Segel - und steht wie eine Eins. Einen Spinnaker-Baum, der das Spi-Segeln mit viel Tuch und kleiner Mannschaft so fragwürdig macht, benötigt ein Kat wegen seiner großen Breit erst gar nicht. Damit entfallen auch Toppnant, Spinnakerbaum-Achterholer und ähnliche Umständlichkeiten.

Auf Grund fehlender Krängung - und damit Geigens - steht der Spi eisern und nimmt es auch nicht übel, wenn die Selbststeueranlage das Ruder übernimmt. Auch das ewige zupfen an der Spischot entfällt. Der Kat rauscht wie auf Schienen dahin. Traumsegeln - drei Meilen weit!

Die Wirklichkeit, oder die andere Seite des Segeln, holt uns dann am Ankerplatz in der Boynuzbükü-Bucht ein. Die Fäkalientank-Pumpe, mit der der 70-Liter-Tank draußen auf dem offenen Wasser entleert werden sollte, versagte ihren Dienst. Scheiße...

Der Grund: Was kaum ein Anfänger anstellt, hab ich fertiggebracht: Ich hab die Pumpe gegen das geschlossene Ventil arbeiten lassen, was kein Gummiventil ohne Richtungsänderung mitmachen kann. Also... -  aber, das kann sich jeder selbst vorstellen.

In der riesigen Boynuzbükü schwojen an die fünf Yachten vor Anker, weitere vier habe ihre Achterleine zum stabilen Steg des Restaurants ausgebracht. Wir haben den Eindruck, dass die freundlichen Wirtsleute nicht einmal erwarten, dass wir bei Ihnen essen. Aber selbstverständlich wird noch beim Festmachen Lamm bestellt.

6.6.01 - Die Silberschatz-Bucht

Ein kurzer Abstecher nach Marmaris wurde für einige Änderungen im Energie-Management bei der THALASSA genutzt. Die Arbeiten sind, soweit nach ein paar Tagen das beurteilt werden kann, erfolgreich gewesen zu sein. Ich werde demnächst das endgültige technische Layout unserer Yacht ausführlich beschreiben.

Mit Alois, Kameramann beim ORF, hatten wir uns zu Filmaufnahmen verabredet. Er ist Segelfan mit feiner eigener Yacht (derzeit in Italien) und hat viel für die Popularität des Fahrtensegelns getan, indem er achtmal einen Film über die jeweiligen Ecker-1000-Meilen-Regatten produzierte, die dann meist am Neujahrstag mit hohen Einschaltquoten auf dem ORF und Drei-Sat gelaufen sind. Jetzt arbeitet er an einem Fernseh-Film über die Katmaran-"Welle".

Als Treffpunkt hatten wir die Gemiller-Reede verabredet. Diese Bucht ist für mich eine der schönsten. Von außen ist sie kaum zu erkennen, aber wohl jeder Segler im Golf von Fethye findet sie. Wir kannten sie gut, hatte der YACHT CLUB AUSTRIA vor ein paar Jahren doch eine Käpt'n-Silver-Silberschatzsuche veranstaltet - mit Ziel in der Gemilller-Reede. Dort hatten wir damals auch den Schatz versteckt. Eine Flotte von rund einem Dutzend Yachten fuhr, manche irrten, eine Woche lang durch die türkische Inselwelt. Jeden Morgen gab es die neuesten Quiz-Fragen (oder auch Punkte für den besten Leinen-Weit-Werfer oder Beiboot-Racer), deren Ergebnisse schließlich das Ziel für den Abend ergaben. Am Ende winkte ein echter Schatz, bestehend aus mehreren hundert Silbermünzen. Und genau diesen Schatz hatten wir unter einer Yacht in der Gemiller-Reede auf sechs Metern Wassertiefe versteckt. Die fast hundert Teilnehmer feierten dann den Schatz bis zum frühen Morgen in der Taverne am Ufer der Traumbucht.

Verschwunden war die Taverne, als wir einliefen. Aber das ist in der Türkei nicht unüblich, ja fast die Regel. Wo immer Tavernen (mit Generator, kaltem Bier, Hühnchen, Fisch oder Fleisch) in den abgelegenen Buchten ihren "Betrieb" aufnehmen, handelte es sich um ungenehmigte Bauten. Üblicherweise sehen die Behörden ein paar Jahre tatenlos zu, reagieren aber erbarmungslos, wenn einige Jahre ins Land gegangen sind, weil die Gefahr besteht, dass diese Schwarzbauten gewohnheitsrechtlich "legal" werden könnten. Dann werden durch das Militär die Bretterbuden samt Inventar kurz- und kleingeschlagen - und das Spiel geht von vorne an. Nachdem jeder die Spielregeln kennt, lässt sich ja wohl wenig dagegen sagen - so mein privates Rechtsempfinden. Nunmehr hatte eine neue Taverne eröffnet, oben am Berg mit zauberhaftem Blick zu den paar Yachten und zum aufgehenden Mond. Dreißig Yachtsleute freuten sich an den türkischen Speisen und vor allem am Wein. Die Preise waren zivil geblieben, was deshalb bemerkenswert ist, weil ja alles mit dem Esel über die Berge dorthin transportiert werden muss.

Der Morgen begann, wie immer in den Buchten der Türkei, mit einem Sprung ins Wasser. Wer ganz abgehärtet war, konnte zu den kalten Quellen schwimmen, die mit weniger als 10 Grad ins Meer münden. Zum kleinen Felsen aber, der direkt vor der Mündung war, schaffte es - wegen der Kälte - kaum jemand. Bis Alois unter den Damen seiner Crew die Mär von der alten Sage verbreitete, für jeden Besuch dieses Felsens (mit Berühren) wird man ein Jahr jünger. Danach war der Stein von den Amazonen ziemlich umlagert.

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