Erlebnisbericht für Freunde der Weltumsegler (17)

Noch sind sie völlig unbeschwert, unsere Freunde, die Weltumsegler Britta und Michael (siehe Who-is-Who-im-Weltumsegeln). Sie ahnen noch nicht, welche Katastrophe ihnen und der ganzen Welt in Form eines winzigen Virus namens Corvid-19 bevorsteht. Ihre Welt ist die Welt des Segelns mit den kleinen Schwierigkeiten des Alltags und mit den großen, unvergsslichen Erlebnissen. So wie die Ankunft auf der Osterinsel nach einer wenig ereignisreichen Anfahrt unter Segel aus Chile. Ist auch gut so, so können sie den Odem der Geschichte auf der Osterinsel in vollen Zügen einatmen. Und sich vor den zahlreichen Geheimnissen inspirieren lassen, die auch Thor Heyerdahl wahrscheinlich nicht lüften konnte. Vielleicht der Leser?


Osterinsel, die einsamste Insel der Welt und ihre ewigen Geheimnisse

051-01032020 - »Rapa Nui«: Am Nabel der Welt.

Hallo Ihr Lieben!

Die Osterinsel: Das ganz große Abenteuer. Gute zwei Wochen lang ankert die VERA vor Hanga Roa, der größten Ortschaft der noch immer zu Chile gehörenden »Isla de Pascua«, die von der einheimischen polynesischen Bevölkerung nur »Rapa Nui« genannt wird, und ihnen als der »Nabel der Welt« gilt. Dieser liegt durchaus abgelegen in der östlichen Ecke des Polynesischen Dreiecks. Im Umkreis von über zweitausend Kilometern existiert keine andere menschliche Ansiedlung. Legenden und geheimnisumwitterte Geschichten prägen die Osterinsel wie kaum einen anderen Ort der Erde, und naturgemäß sind es vor allem die gewaltigen Monumentalstatuen, also die berühmten »Moai«, welche die Phantasie anregen. Der Naturwissenschaftler Johann Georg Adam Forster, der als Assistent seines Vaters Johann Reinhold Forster an der zweiten Cook-Expedition teilnahm, fertigte die ersten Skizzen dieser Monumentalstatuen an. Später entstanden daraus romantische Kupferstiche, die seinerzeit in den Europäischen Salons für großes Aufsehen sorgten. Dank Captain Cooks tahitianischem Übersetzer wußte man bereits, das die »Moai« Ebenbilder verstorbener Häuptlinge darstellen, deren Namen tragen, und einst große Verehrung genossen. Der Norwegische Ethnologe Thor Heyerdahl, der zumindest der »Boomer« Generation noch ein Begriff ist, forschte hier in den 50er Jahren und schrieb einen Weltbestseller: »Aku Aku - Das Geheimnis der Osterinsel«. Spätestens seit dieser Zeit spielt die Insel auch in Sachen Südseeromantik in der allerersten Liga.

Hamburg: 8894 Seemeilen. 

Für uns Segler geht es allerdings zunächst einmal darum, ob und wo man überhaupt bleiben kann. Hanga Roa hat ja keinen richtigen Hafen, in dem ein Boot wie die VERA sicher wäre. Nur für die einheimischen Fischerboote gibt es zwei kleine Anleger hinter ein paar Felsen. Der Ankerplatz auf Reede bietet keinen hinreichenden Schutz. Zwar deckt der Verlauf der Küste die zumindest im Sommer vorherrschenden östlichen Winde ab, aber der lange Atem des Südpazifik sorgt für eine hohe Dünung, die sportbegeisterte Einheimische beinahe an jedem Tag zum Wellenreiten nutzen. Die Wassertiefe ist hoch und etliche hübsche Korallenköpfe erschweren das platzieren des Grundgeschirrs. Zum Glück kursieren unter den Langfahrtseglern gute Unterlagen und Erfahrungsberichte und auch die Chilenische »Armada« hilft über Funk beim einparken.

Einige »Moai« stehen unweit von Hanga Roa auf ihren »Ahu«. So kann man sie zusammen mit der auf Reede liegenden VERA photographieren.



Landgang: Nachdem wir unser Beiboot BOUNCE durch die Brandung manövriert und im kleinen Fischerhafen zwischen munter plantschenden Meeresschildkröten und badenden Kindern angebunden haben, können wir uns endlich in Ruhe umsehen. Einige der geheimnisumwitterten »Moai« stehen gleich am Hafen auf ihren »Ahu«, also ihren zeremoniellen Plattformen, und stimmen ein, auf das was vor uns liegt. Hanga Roa wirkt nett. Sehr nett sogar, obwohl der Boden unter unseren weichen Knien schwankt, was etwas »landkrank« macht. Zahlreiche Cafés, Restaurants, zwei Tankstellen und sogar eine richtige Eisdiele laden zum Geld ausgeben ein. Für Touristen gibt es reichlich Gästehäuser, Appartements und Boutique Hotels, dazu zwei Banken und eine Reihe gut bestückter Tauchshops. In der langen Einkaufsmeile finden sich Ananas-, Bananen- und Gurkenlastige Obst- und Gemüsestände. Dazu gesellen sich einige kleine Supermärkte, die alles Nötige führen. Die Versorgungslage ist überraschend gut, wenn auch zu gesalzenen Preisen, zumindest im Vergleich zum ohnehin schon teuren chilenischen Festland.

Die »Hafeneinfahrt« von »Hanga Roa«. VERA und STORMALONG anfangs links im Bild. Beiboot BOUNCE versteckt sich am Ende rechts hinter einem Fischerboot (Ein Film von B+M).

Tagelang schlendern wir voller Neugier durch die Ortschaft. Es ist Hauptsaison. Sprachen aus der ganzen Welt wehen ins Ohr. Das jährliche »Tapati« Festival nähert sich seinem Höhepunkt. Auf einem gepflegten Rasen werfen wilde »Rapa Nui« Krieger vor begeistertem Publikum mit langen Speeren auf eingerammte Holzpfähle. Vor dem Hafen wird mit Auslegerkanus um die Wette gepaddelt. Man arbeitet hier an seinem »Mana«, also an seiner »Macht«. Ein Mensch mit Kraft, Selbstvertrauen und Erfolg ist im Besitz von »Mana«, also spiritueller Energie, wie sie auch ein Berg, ein Baum, ein Felsen, das Meer, die Sonne, die Sterne oder ein »Moai« haben kann.

»Mana«: Auf gepflegtem Rasen werfen wilde »Rapa Nui« Krieger vor begeistertem Publikum mit langen Speeren auf eingerammte Holzpfähle (Ein Film von B+M).

In der Einkaufsmeile toben Umzüge mit Trommeln, Ukulelenklängen, Baströcken und schönen Frauen und am letzten Abend des Festivals dürfen wir von unseren ankernden Booten aus das gewaltige Abschlussfeuerwerk bewundern. Vom Feiern versteht man also etwas auf »Rapa Nui«. Die Leute haben sichtlich Freude an ihrem Tun. Man hat den Eindruck, daß die Volksfestatmosphäre authentisch ist, trotz der pittoresken Baströcke, den Südsee Tätowierungen und den romantischen Körperbemalungen für Chilenen und Touristen.

Allmählich weiten wir unsere Ausflüge und Wanderungen in die Umgebung aus, besichtigen den romantisch angelegten Friedhof und ein nahe gelegenes »Ahu« voller »Moai«, die man zusammen mit der auf Reede liegenden VERA photographieren kann. Mit Linette und Nils von der STORMALONG teilen wir uns einen schrottreifen, aber dafür recht günstigen Mietwagen und besuchen damit die etwas abgelegeneren Sehenswürdigkeiten der Insel. Die »Moais« von Anakena, im Norden der Insel, haben wir ja schon von See aus gesehen. Nun stehen sie direkt vor uns auf ihrem »Ahu«, monumental und vor »Mana« strotzend. Auf dem Kopf tragen sie aus rötlichem Fels gehauene zylindrische Hüte. Ob die Altvorderen wohl rote Haare hatten und Turmfrisuren trugen?

Die »Moai« von »Anakena«. Auf dem Kopf tragen sie aus rötlichem Fels gehauene zylindrische Hüte.

Lunch in einem hübsch gemachten Imbiss in Anakena: Der Wirt ist gebürtiger Tahitianer. Er spricht kein Spanisch. Wozu auch. Wir folgen seiner Empfehlung und bestellen Teigtaschen mit Thunfischfüllung und dazu sein Geheimrezept: Mangosaft mit Kokosnussmilch. Wir kommen ins Gespräch: Vor Jahren nahm er auf »Rapa Nui« ein gut bezahltes Jobangebot als Musiklehrer an. Offenbar bestand Bedarf: Polynesische Trommeln, Ukulele, Tanz und Gesang, wie man sie heutzutage beim »Tapati« Festival hört. Die Insel gefällt ihm: Hier fand er seine Frau, eine waschechte »Rapa Nui«. Hier hat man noch Zeit füreinander. Die Menschen sind wesentlich fröhlicher und freundlicher als in den Gesellschaftsinseln, wo alle nur hinter dem schnellen Geld her sind. Hier läuft das Leben noch in gemächlichen Bahnen. Die nötigen Papiere, die ihn zum endgültigen Bleiben berechtigen, hat er inzwischen beisammen…

Weiter zum »Ahu Tongariki«: Pure Magie. Fünfzehn der allergrößten »Moai« stehen heute hier auf einem langgestreckten »Ahu«. Das dem so ist, verdanken sie zum Teil dem Engagement der Japanischen Firma »Tadano«. Nach dem verheerenden Erdbeben von Valdivia im Mai 1960 zerstörte ein schwerer Tsunami das »Ahu Tongariki« und schwemmte die erst kürzlich wieder aufgerichteten »Moai« ein gutes Stück ins Landesinnere. Die Japaner boten Hilfe an, verschifften einen schweren Autokran nach »Rapa Nui« und investierten mehrere Millionen Dollar. Dafür bekamen sie vom chilenischen Staat einen echten »Moai« geliehen. Nach einigen Jahren in verschiedenen japanischen Museen steht der sogenannte »Traveling Moai« heute in Tongariki, auf einem eigenen »Ahu«, etwas abseits von den anderen »Moai«. Während unseres Besuches regnet es in Strömen, was der archaischen Anlage am Meer zu einer ganz eigenen, sehr kraftvollen Atmosphäre verhilft. Wir stellen uns bei den Nationalparkswärtern unter. Zeit zum sinnieren. Mich (also M) erinnert der »Traveling Moai« an einen guten Freund.

»Ahu Tongariki«: Pure Magie.


»Ahu Tongariki«. Fünfzehn der allergrößten »Moai« stehen hier auf einem langgestreckten »Ahu«.



Der »Traveling Moai« in »Tongariki« erinnert mich (M) an einen guten Freund (Ein Film von B+M).



Um anderen Touristen aus dem Weg zu gehen, besuchen wir den gewaltige Steinbruch von »Rano Raraku« am nächsten Tag, bei Sonnenaufgang. Hunderte von »Moais« in allen Phasen der Fertigung stehen erratisch auf der Wiese, oder liegen noch im Fels, halbfertig, oder erst in Umrissen zu erkennen. Der größte jemals gehauene »Moai«, ein wahrer Riese von über 21 Meter Länge, wartet ebenfalls noch auf seine Fertigstellung. Die Frage nach dem »Warum« drängt sich auf. Warum betrieb man diesen Ahnenkult und warum gab man ihn auf? Im Museum in Hanga Roa liegen Unterlagen, Dokumente, Theorien. Eine gut gemachte Dokumentation der BBC zeigt auf, was man gegenwärtig zu wissen glaubt. Die ehemals dichten endemischen Palmenwälder der Insel könnten der »Kleinen Eiszeit«, eingeschleppten polynesischen Ratten, oder auch einer Krankheit zum Opfer gefallen sein und nicht einem rücksichtslosen Raubbau zur Anfertigung von Kränen, Hebeln oder Schlitten. Der Transport und die Aufrichtung der »Moai« auf einem »Ahu« war auch ohne den ruinösen Verbrauch von Holz machbar. Lang gepflegte Theorien nach denen sich die Einheimischen aus Mangel an Ressourcen gegenseitig umbrachten oder gar aufaßen scheinen inzwischen ebenfalls abwegig.

Der Steinbruch von »Rano Raraku«: Hunderte von »Moais« stehen hier erratisch auf der Wiese.


»Rano Raraku«: Viele »Moai« liegen noch im Fels, halbfertig, oder erst in Umrissen zu erkennen.


Der Holländische Entdecker Jacob Roggeveen fand die »Moai« im Jahre 1722 noch stehend vor. Die zahlreichen Bewohner der Insel schienen verschiedenen Ethnien anzugehören, waren wohlgenährt und äusserst gastfreundlich. James Cook fand dann im Jahre 1774 viele »Moai« umgestürzt vor. Irgendetwas muß sich in der Zwischenzeit verändert haben. Ereigneten sich Erdbeben oder Tsunamis? Oder brachte der Kontakt mit den Europäischen Seefahrern ein von den Ahnen überliefertes fest gefügtes Weltbild ins wanken? Spätere Expeditionen erfuhren von einer Art Meritokratie, dem »Bird Man« Kult, der die Verehrung der »Moai« Statuen seit dem 16. Jahrhundert allmählich abgelöst haben soll. Vollkommen zerstört wurde die »Rapa Nui« Kultur und der »Bird Man« Kult erst im 19. Jahrhundert von Missionaren, peruanischen Sklavenjägern, raffgierigen Farmern, den Pocken und der Lepra. Die Überlebenden begrüßten die Chilenen 1888 als Schutzmacht und stimmten der Annexion zu. Das ging nicht gut für sie aus. Bis in die 1960er Jahre lebten die wenigen verbliebenen »Rapa Nui« in einer Art »Gulag«, einem umzäunten Gelände in »Hanga Roa«, das sie nicht verlassen durften. Internationale Viehzüchter hatten Verträge mit Chile ausgehandelt, die Insel aufgekauft, und in eine große Schafsfarm verwandelt.

Seltsamerweise besserte sich die Situation der »Rapa Nui« ausgerechnet mit der Amtszeit von Augusto Pinochet. Als erster chilenischer Präsident stattete er der Insel einen formellen Besuch ab, sorgte für erhebliche Investitionen in die Infrastruktur, und ernannte 1984 den in den USA ausgebildeten Archäologen Sergio Rapu, einen gebürtigen »Rapa Nui«, zum Gouverneur. Dennoch bleibt der Weg zu mehr Unabhängigkeit recht steinig. Immerhin erreichte man in langjährigen Protesten, dass Chilenische Staatsbürger kein Aufenthaltsrecht mehr auf »Rapa Nui« genießen. Wie gewöhnliche Touristen dürfen sie nunmehr nicht länger als 30 Tage verweilen. Man war es offenbar leid, gegenüber den europäisch stämmigen Chilenen mittelfristig in die Minderheit zu geraten. Die Verwaltung des Nationalparks und der archäologischen Stätten liegt inzwischen ebenfalls bei den »Rapa Nui«. Das ist durchaus bedeutsam, da es beim hiesigen »Ökotourismus« für den gehobenen Anspruch um beachtliche Geldbeträge geht. Zum Beispiel muss jeder Reisende, der die archäologischen Stätten sehen will, volle 80 US Dollar Eintrittsgebühren berappen. Eine Menge Geld, gerade im Vergleich zu den bescheidenen monatlichen Durchschnittseinkommen des chilenischen Normalbürgers. Jeden Tag landen zwei bis drei Großraumflieger mit Touristen aus aller Welt auf dem seinerzeit von den USA für das »Space Shuttle« Programm erbauten großzügig dimensionierten Flughafen. Dazu kommen die Kreuzfahrtschiffe voller Menschen, alleine vier während unserer Anwesenheit. Die »Kreuzfahrer« bleiben zwar meist nur für einen Tag, reißen aber doch, falls das Wetter irgendwie mitspielt, das ganz große touristische Programm ab. Natürlich benötigt jeder Passagier dafür die zehn volle Tage gültige Eintrittskarte für den Nationalpark… Von aussen betrachtet sieht es also so aus, als ob die Altvorderen ihren Nachkommen mit den monumentalen »Moai« Statuen zu einer sagenhaften Goldgrube verholfen haben. Man muss jetzt nur noch darauf achten, diese Reichtümer nicht etwa mit ungebetenen Einwanderern teilen zu müssen.

Auf Reede vor Hanga Roa bleibt es indes aushaltbar. Das tiefe Rollen des Bootes wiegt uns abends in den Schlaf. Es ist definitiv bequemer als auf See, weil ja derzeit keine Segelmanöver oder Nachtwachen anstehen. Einige Tage lang weht sogar ein frischer NW. Wir liegen auf Legerwall und stampfen heftig in der bald gut etablierten Windsee. Komischerweise gewöhnt man sich daran. Der 42kg Bügelanker sitzt auf 25m fett im Sand und hält mit 80m Kette bombensicher. Unweit vor uns liegt der Frachter IVS NORTHERN BERWICK. Das majestätische Rollen des großen Potts hat etwas beruhigendes. Über Funk erfahren wir, daß man eigentlich nach Brisbane unterwegs ist. Wegen Maschinenschadens wartet man hier jedoch schon seit vierzehn Tagen auf Ersatzteile… Was haben wir es da doch gut. Lediglich der tägliche Landgang mit dem Beiboot bleibt ein wenig abenteuerlich. Gerne verbringen wir deshalb die Abende an Bord, schwimmen, kochen gut, allein oder mit der Crew der STORMALONG, reden über dies und das und die verstörenden Nachrichten aus aller Welt, die uns über eine 4G Telefonkarte auf die Computer gespült werden. Gegen Sonnenuntergang, um Punkt neun Uhr, vernimmt man von der Kirche in Hanga Roa her ein feines, mehrstimmiges Glockenspiel, das vertraut klingt: Das zu Heiligabend 1818 in Oberndorf bei Salzburg erstmals aufgeführte Weihnachtslied »Stille Nacht, heilige Nacht«. Die Missionare haben auch auf »Rapa Nui« ganze Arbeit geleistet.

Eine längere Wanderung steht an, die wir schon einige Tage vor uns herschieben. Hinter dem Flughafen führt der Weg gleichmäßig durch dichten Wald bergan, bis hinauf zum exponierten Grat des erloschenen Vulkans »Rano Kau«. Der Blick in den Krater ist überwältigend. Ein über einen Kilometer breiter See liegt zu unseren Füßen: Das Süsswasserreservoir der Insel, seit alter Zeit. Schwimmende Matten mit hohem Schilf treiben auf der Oberfläche und bedecken den größten Teil der Wasseroberfläche, Schilf aus denen die »Rapa Nui« nachweislich kleine Boote und bootsförmige Behausungen bauten, was Thor Heyerdahls Theorien über frühe Kontakte mit den indigenen Kulturen um den Titicacasee in Peru zu stützen scheint. Entlang des Kraterrandes führt der Pfad weiter nach Orongo, einem geheimnisvollen Dorf, das angeblich nur für kurze Zeit in jedem Jahr, nämlich während der Brutzeit der Rußseeschwalbe (Sterna fuscata), zu speziellen zeremoniellen Anlässen bewohnt war. Ausgewählte Krieger aus jedem Stamm, die sogenannten »Hopu«, bewarben sich hier darum, zum »Bird Man« erklärt zu werden und damit quasi die Regierungsgewalt auf »Rapa Nui« zu übernehmen. Um ihre Intelligenz und Tatkraft zu beweisen, mußten sie im Wettbewerb gegeneinander von Orongo aus die beinahe senkrechte Felswand des »Rano Kau« hinabklettern. Sodann schwamm man unter Zuhilfenahme eines Bündels Schilf eine knappe Seemeile gegen Seegang und Strom hinüber auf die vorgelagerte kleine Felsinsel »Motu nui«. Vor Ort ging es nun darum, ein frisch gelegtes Ei der Rußseeschwalbe zu finden und hernach unbeschädigt nach Orongo zurückzubringen... Ein ziemliches Projekt, wie ich (M) finde. Nach der Überlieferung und archäologischen Erkenntnissen löste der »Bird Man« Kult nach etwa 1500 n. Chr. die bis dahin dominante »Moai« Verehrung auf der Osterinsel ab. Erst mit dem Eintreffen der Missionare endete auch diese Ära. Der letzte »Bird Man« Wettbewerb wurde im Jahre 1867 abgehalten. Orongo: Ein Ort der es wert ist zu verweilen. Das kleine Dorf zwischen Kraterrand und Felswand hat tatsächlich »Mana«. Die sorgfältig aus grauem Stein gemauerten Wände der ovalen und mit denselben Steinen fest eingedeckten Langhäuser stehen organisch und rhythmisch am Grat, als wären sie mit der archaisch anmutenden Landschaft vergossen. Architektur, so wie sie sein sollte.

Am Grat des »Rano Kau«, unweit von Orongo. Der Blick hinab in den Kratersee ist überwältigend.



Orongo: Langhäuser, wie mit der Landschaft verwachsen. Architektur, so wie sie sein sollte.


Unsere Zeit auf »Rapa Nui« geht zu Ende. Guter Ostwind kündigt sich an, zumindest für zwei bis drei Tage. Ein Wetterfenster nach Westen, das wir nutzen wollen. Am 25. Februar gehen wir unter Segel. Leider ohne die STORMALONG, die noch auf das Eintreffen der SOLACE warten möchte, die von einem befreundeten amerikanischen Einhandsegler gesegelt wird. Vor uns liegen also weitere 1.200 Seemeilen Einsamkeit auf hoher See.

Herzliche Grüße und alles erdenklich Gute wünschen Euch Britta und Michael / SY VERA / auf See / POS 27.43,6S - 120.34,2W


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