Astro-Seminar in der YACHT-Redaktion
Sonnenmessung in der Hamburger Innenstadt
Ja, es stimmt: Noch vor geraumer Zeit habe ich die Meinung vertreten, man
könne sich auf die Funktionstüchtigkeit des von den Amerikanern, Russen und
Chinesen
kontrollierten GPS, des
Satelliten-Navigations-Systems, verlassen und müsse sich mit dem in der
Vergangenheit herrschenden System der Astronavigation nicht mehr so intensiv
beschäftigen wie es nun mal für einen
Einsatz im Notfall
notwendig wäre.
Da bin ich, ich gestehe, etwas zu weit gegangen. Was mir, das
spricht für meine Leserschaft, auch von einigen unter die Nase gerieben
wurde, und zwar mit sehr guten Argumenten speziell auf Grund von Vorkommnissen in
letzter Zeit. Überall auf der Welt, auch auf dem Mittelmeer, gab es
Störungen
von unterschiedlicher Dauer und Intensität, und zwar aus
den verschiedensten Gründen, angefangen von der
menschengemachten Störung durch Kriminelle oder vermeintliche Witzbolde
bis hin zu Naturgewalten.
Ich saß plötzlich vor einem Berg von Hunderten von
Störungsberichten. Auch die Störungen,
deren Ursachen die Natur lieferte, waren vielfältig. Magnetstürme waren
selten; Gewitter mit Einschlägen in
jegliche Elektronik auf der Yacht häufiger.
Bei der Ansteuerung auf Singapur habe ich das selbst erleben
müssen, was ich damals für eine nebensächliche Episode hielt, weil
"nur" die Elektronik zum Maschinenstarten zerstört war, was mit wenig
Aufwand und der Hilfe eines sachkundigen Stegnachbarn in der Sebana Cove
(Malaysien, gegenüber von Singapur) aus der Welt geschafft werden konnte.
In der gleichen Gegend hat es aber zwei meiner Freunde auf dem offenen Meer
erwischt, Weltumsegler Bernd Heller erzählt:
Ebenso krachte es auf der
Yacht Harlekin: "...und seitdem geht nichts mehr:
Autopilot, GPS, Radar, Kühlschrank..."
Ganz nachdenklich wurde ich aber, als ich aus Neugierde wissen wollte, was aus meinem
letzten Schiff, dem Kat THALASSA (Foto), geworden ist und im dortigen Blog
zufällig folgende Stelle fand, wo der erfahrene Skipper (Weltumsegler) Gunnar die
Ansteuerung auf die gefährlichen Minerva-Riffe im Indischen Ozean
ehrlich beschrieben hat, nachzulesen unter https://missesrobinson.com/:
"...Ich darf auf keinen Fall das Riff verschlafen. S. O.! Drinnen sah
ich dann die Katastrophe!! :Keines meiner 3 GPS-Systeme konnte unsere
Position ermitteln! Dazu muss ich sagen, dass ich drei voneinander
unabhaengige Systeme habe, das eine jeweils als Backup des anderen.
Schweisstreibend und nun langsam mit wachsender Seekrankheit (Schlafmangel,
kein Essen) kaempfend, versuchte ich Loesungsszenarien zu entwickeln.
Immerhin rasten wir nun schon seit 5 Stunden (!!) ohne exakte Positionsdaten
mit 10 Knoten durch die stürmische Nacht. Bullenreiten Stufe 4! Ich war
schon so weit, beizudrehen, und treibend abzuwarten, dass sich das Problem
loest bzw ich es in den Griff bekomme. Theoretisch (!) kann ich zwar
unsere Position auch mit Sextant und Tafeln
errechnen, aber ohne Übung??
Haha. Das Ergebnis waere keinesfalls ausreichend, ein riffgespicktes Gebiet
zu besegeln. … Mir war schlecht!"
In dieser Schilderung ist ja nun alles drin, was man den Befürwortern der
GPS-Navigation entgegenhalten kann: Nicht in einem per
Jamming eng begrenzten Gebiet,
voneinander unabhängig arbeitende GPS-Geräte und Astronavigation als sicherer
Ausweg, die aber mangels Praxis nicht einsatzbereit ist.
Eine ganze Reihe von erheblichen Gewitterproblemen in meinem
unmittelbaren Umfeld! Zufall? Jedenfalls fällt mir auf, dass niemand von
meinen Bekannten einen Piraten-Überfall erlebt hat, eine Blinddarmentzündung
auf hoher See durchstehen musste, unterwegs einen Ruderbruch
reparieren musste oder gar von einem Wal angegriffen wurde.
Und trotzdem bereiten sich künftige Weltumsegler
genau auf diese Eventualitäten vor, besuchen Kurse, wo Nähte am Fleisch
geübt werden, überlegen sich, ob ein teures Sonargerät die wütende Walkuh erschrecken würde, lassen sich von Polizeibeamten aufklären wie man sich am
besten vor Mord
und Totschlag auf der Yacht schützt. Also warum nicht auch auf den viel
wahrscheinlicheren Fall, nämlich auf den Ausstieg des GPS vorbereiten? Und das
geht eben nur mit Hilfe der Gestirne, die
seit Tausenden von Jahren die
Schiffe sicher über die Weltmeere führten. Und auch in Tausenden von Jahren
noch zur
Verfügung stehen werden, weil sie eben nicht gestört oder zerstört werden
können wie von Menschenhand gemachte Navigationshilfen.
Und überhaupt: Ist es nicht einer der fundamentalen Sicherheits-Grundsätze in
der Navigation, dass für jedes System ein Backup, also auf hoher See,
die Astronavigation zur Verfügung stehen muss? Natürlich gilt dieser
Grundsatz, aber das nur nebenbei auch für die Luftfahrt. Dort aber werden die
Passagiere nicht mal was bemerken, wenn das GPS (für die Wegpunkte, nicht
für die Landung) ausfällt, und dem Kapitän wird sicher nicht schlecht.

Aus diesen Gründen hat die YACHT ein
Astro-Seminar (das anglische
"work-shop" liegt mir nicht) veranstaltet und ich durfte es präsentieren. Maximale
Anzahl der Teilnehmer war 20, die - großes Kompliment für deren
Sicherheits- und Traditionsbewusstsein - mit Interesse, Ernst und sogar
Begeisterung fast zwei Tage hochkonzentriert
meinen Ausführungen folgten und
eine Menge von positiven Erkenntnissen für diese Jahrtausende alte
Navigationsmethode verinnerlichten. Sogar der YACHT-Chefredakteur mischte
sich unter die Probanden und machte kein Hehl daraus, dass Mathematik auf
der Penne nicht sein allerstärkstes Fach gewesen war: Alle Achtung! Die gesamte Astronavigation,
angefangen von den einfachen, aber höchst genauen Methoden der
Mittagsbreite und der
Mittagslänge bis hin zur höheren "Kunst" der Navigation mit
Mond und Sternen, nahmen die Nautiker nach den gewiss anstrengenden Tagen
mit nach Hause.
Kurzum: Alles, was man zur Hochseenavigation wissen muss.
Aber keinen Deut mehr!
Die Kenntnis der Sternbilder etwa oder gar der Namen von
einzelnen Sternen unter den vielen Milliarden von Leuchtpunkten am Himmel
belastet doch nur den Wissensstoff - ohne jeden Nutzen. Wer schon mal
versucht hat, auch nur einfache Rechnungen mit mehreren Kommastellen zu
erledigen, während die Seekrankheit so langsam am Magen und an der Speiseröhre
hochsteigt, wird erfahren haben, dass derartiger Zahlensalat ja
geradezu ein Sicherheitsrisiko in der Navigation
darstellt. Also ist er zu
vermeiden, wo immer es ohne Einbuße an praktikabler Genauigkeit möglich
ist. Komplizierte Rechnungen, die lediglich dazu dienen, die Intelligenz des Prüfers oder des
Autors der Übungsaufgaben zur Schau zu stellen, sind
Gift in der praktischen Navigation.
Das Eindrucksvollste an diesen zwei Seminartagen war aber nicht nur der
Eifer, mit dem die Teilnehmer, allesamt gestandene Segler, mit dem
Kursdreieck hantierten, sondern die Messungen mit dem Sextanten von Gestirnen
auf der Leinwand. Hier war die natürliche Geschwindigkeit in das
Projektionsprogamm eingearbeitet worden, sodass Messungen mit dem Sextanten
sehr nahe an der Realität in der Natur durchgeführt oder zumindest geübt
werden konnten. Was ja sonst fernab der Hochsee mit einem
unverbauten
Horizont aus einem Abstand von vier, fünf Seemeilen gar nicht möglich ist.
Möglich war aber nicht nur die Benutzung von Halbsicht- oder Vollsicht-Sextanten, auch mal in Plastik, oder eines Fernrohrs mit
eingebautem Kompass,
sondern die daraus gewonnene Erkenntnis, was nun an Ausstattung dieser
wunderbaren Präzisionsinstrumente notwendig oder Spielerei oder gar
Störung ist. Alles das war aber nur machbar, weil die deutsche Firma
Cassens und
Plath, eine der größten Sextant-Hersteller der Welt - in Deutschland
sowieso, fast ein Dutzend dieser wertvollen Geräten zur Verfügung gestellt
hat, nicht zu Demonstrations- und Werbezwecken, sondern hier wirklich zum
praktischen Einsatz bei der Erprobung der richtigen Messtechnik.
Aus meiner Sicht war dies auch der Höhepunkt und vielleicht der wertvollste
Teil der Veranstaltung. Denn viele Teilnehmer, sicher allesamt nicht
ungeschickt, nutzten das Messgerät zu Beginn nicht so, dass damit
ausreichend genaue Messungen zu erwarten waren. Dabei ist die genaue Messung
Voraussetzung für ein exaktes Ergebnis und damit der wichtigste Teil der Astronavigation. Das wirklich
Gefährliche an einer Unerfahrenheit oder Ungeschicklichkeit beim Messen ist, dass der Navigator den Fehler
gar nicht bemerkt, weil dieser fast
immer in der Nähe des richtigen Ergebnisses ist. Ein Fehler beim Rechnen
hingegen ist in
neunzig Prozent aller Fälle so weit vom richtigen Resultat entfernt, dass
dem Navigator das schon rechtzeitig auffällt. Mir wurde auch klar, warum
ich schon zahlreiche Mails bekommen habe, wo wiederholt dem Sinne nach
berichtet worden war, dass man im Urlaub Astro mal ausprobiert habe und das
Ergebnis dann doch "immerhin auf 10 oder 20 Meilen genau" gewesen sei.
Typischer Messfehler! Der Anfänger muss nämlich, wenn es nicht gerade
stürmt, schon auf drei bis fünf Meilen an seinen wirklichen Standort
rankommen.

Dass alle Teilnehmer dies im Laufe des Messtrainings verinnerlicht
hatten, zeigte sich auch am einem nachfolgenden kleinen Wettbewerb am
Sextanten, wo es galt, fünf Gestirne auf der Leinwand einzumessen und dann
anzugeben, ob sich das Gestirn im Steigen, Fallen oder im Transit, also in der
Kulmination, befindet. Alle Teilnehmer schafften einen großen Teil der
Aufgabe, mehrere "Schützen" am Sextanten brachten sogar vollkommen fehlerfreie
Ergebnisse zustande.
Was den Teilnehmern auch nachdrücklich gesagt und von denen auch
sicher in ihre Vorsatzliste aufgenommen wurde, war, dass es für eine sichere
Beherrschung der Astro, wenn es mal drauf ankommt, unerlässlich ist, die
Messung in der Praxis rechtzeitig zu üben. Achtung: Ich habe oft erlebt, dass
Segler voller Begeisterung mit dem Sextanten im Gepäck den langen Törn, zum
Beispiel die Atlantiküberquerung, angetreten haben, aber dann unterwegs eben keine Lust
mehr zum Messen oder gar zum
Rechnen hatten. Schuld daran ist immer die
Angst vor der
Seekrankheit, auch wenn man sich noch nicht im
Endstadium, dem Kotzen, befindet. Zumindest zum Messen sollte man sich aber überwinden
und Zeit, Winkel und Position aufschreiben, damit man zu Hause seine
Messgenauigkeit überprüfen kann und somit Vertrauen in seine
Navigator-Fähigkeiten gewinnt. Erfüllt einen mit enormer Befriedigung - ja
mit Stolz!
Versprochen!
Dieser Brief eines Teilnehmers beweist es:
"Sehr geehrter Herr Schenk, da war ich schon zweimal auf Ihren
Weltumseglerseminaren in Friedrichshafen, und komme von dem
Astronavigationskurs in den Räumen der Yacht-Redaktion (an dieser Stelle
dafür und die tolle Betreuung vielen Dank!) mal wieder komplett "angefixt"
zurück. Jedenfalls verging die Zeit im Zug wie im Flug ... mit den Aufgaben
aus Ihrem Buch. Selten freiwillig so viel und gerne gerechnet. Ganz
herzlichen Dank Ihnen und Ihrer Begleitung für den tollen und erstklassig
vorbereiteten Kurs! Und ich glaube, ich muss meinen Papiersextanten doch
durch was G'Scheits ersetzen ;-)
Hochachtungsvoll, Jörg Becher aus
München
und Jochen Barop, der sich mit seinem Sohn Felix angemeldet hatte, zog
folgende Bilanz:
"Das kann keine amtliche Seefahrtsschule oder
Marineschule, kein Buch und kein anderer Anbieter."
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