Der Yachttraum von Jörg
mit einer türkischen Gulet in die Welt hinaus?
Schon häufig wurde ich gefragt, ob ich eine türkische Gulet für eine Blauwasserfahrt empfehlen könne. Regelmäßig war meine Antwort ein energisches "Nein". Der Grund war die Behauptung von "Insidern", dass die Gulets auf kurze Lebensdauer billigst gebaut würden und fast ausschließlich dem Vergnügen von Touris dienen, die einem mit ihrem Lärm oft den Aufenthalt in diesen grandiosen türkischen Buchten vermiesen. Aber es waren nicht nur die Bemerkungen über die Qualität der Schiffe, sondern ich kenne mehrere Fälle, in denen ein Törn mit einer Gulet über die türkische Küste hinaus kläglich endete. Die Gulet eines Freundes versank dort, wo es im Mittelmeer am tiefsten ist, und eine Gulet als Begleitschiff zum letzten Ecker-Cup erreichte ihr Ziel mangels Seetüchtigkeit nicht. Man mag nun einwenden, dass der Schenk halt keine Gulets mag, aber das stimmt nicht. Tatsächlich habe ich Dutzende Gulets aus der Nähe erlebt, ja sogar mal auf einer über 20 Meter langen Gulet einen wochenlangen und unvergesslichen Traumurlaub verbracht. Überrascht war ich jedoch, dass ausgerechnet der erfolgreiche Arzt Dr. Jörg Diesch (links), der die riesige 76er-Swan GARUDA um die Welt geschippert hatte und zusammen mit seinem Bruder Dr. Ekke Diesch (rechts) nicht nur Weltmeister, sondern auch Olympiasieger in der rasanten Trapezjolle Flying Dutchman geworden war, mich ebenfalls nach der Eignung einer Gulet als Blauwasseryacht fragte: "Nein!". Aber sein Bruder Ecke meinte, der Jörg ist stur, der macht das. Tatsächlich schrieb Jörg: "Aus dem sportlichen und dem Regatta-Alter bin ich lange raus, jetzt steht Langsamkeit und Entschleunigung an erster Stelle!". Und schildert den Bau seiner 22 Meter langen Traum-Gulet in der Türkei - der eigentlich mit dem Untergang einer Gulet begonnen hatte:
Mit unserer knapp 20 Jahre alten Gulet wollte mich Poseidon nicht über den großen Teich segeln lassen. Er meinte wohl, das Schiff sei nicht dafür geeignet und schickte mich vor Sardinien mitten in der Nacht auf die Felsen. Meine erfahrenen Mitsegler, Bruderherz Ekke und Cousin Rudi und Ede, kamen blitzschnell aus den Kojen und waren geschockt. Die Wellen spülten uns so schnell an Land, dass wir am nächsten Morgen hüfttief durch die hohe Brandung aussteigen konnten. An Freischleppen war nicht mehr zu denken. Ich glaube ja ein bisschen an die Fügungen des Universums und im Nachhinein muss ich zugeben, dass es mit den alten Holzmasten und ohne vernünftige Navigations-Instrumente keine gute Idee war, eine Atlantikrunde zu drehen. Ich dachte, wenn Kolumbus das mit seinen Holzschiffen geschafft hat, warum soll es mir nicht auch mit einer in die Jahre gekommenen Gulet gelingen.
Mit jeder Welle, die den Rumpf des gestrandeten Schiffes erschütterte und gegen die Felsen rieb, flossen die Tränen. Es tat uns in der Seele weh. Wir hatten einiges an Eigenleistung in unser altes Boot investiert und es sehr lieb gewonnen.
Doch als die Versicherung (Fa. Wehring und Wolfes aus Hamburg) nach Zusenden von ein paar Whats- App-Bildern schon nach wenigen Tagen zusagte, die Bergung zu übernehmen und das Geld für den Totalschaden überwies, flammte die Hoffnung auf, wieder ein Schiff anzuschaffen, und das "Loslassen" fiel leichter.
Wir testeten einige Schiffe, in engerer Wahl war auch ein Katamaran, doch bei dem einen war der Abwassertank zu klein, beim anderen fehlte die gemütliche Lümmelbank auf dem Vorschiff und selbst bei den gebrauchten Gulets konnte keine die Funktionalität unseres alten Schiffes bieten.
So nahm mich unser Freund Senol an die Hand und wir machten in dem kleinen Hafenörtchen Bozburun eine Runde bei einigen Bootsbauern. Sofort Vertrauen hatte ich zu Mehmet, den wir erst aus seinem Gemüsegarten nebenan holen mussten und von dem wir gleich ein paar Gurken und Möhren zum Probieren gereicht bekamen. Eigentlich heißt er Can, was mit Herz, Leben oder Seele übersetzt werden kann. Aber aus welchem Grunde auch immer nennen ihn alle Mehmet.
Die Bezeichnung Bootswerft ist aber für so ein Freigelände mit einem offenen Schuppen, unter dem eine alte Hobelbank, eine Kreissäge und eine Bandsäge aus dem Jahre 1950 stehen, maßlos übertrieben.
Den Ausschlag für den Zuschlag bei Mehmet gab eine Geste, die mich schon über 40 Jahre zuvor beim Kauf meines ersten Flying Dutchman beim Bootsbauer Hein in Hamburg faszinierte. Er zog seinen Zimmermannsbleistift hinterm Ohr hervor, suchte ein Stück Sperrholz und notierte meine Wünsche. Der Preis, den er errechnete, war fair, das einzige Problem war nur: Mehmet wollte nicht für einen Europäer bauen, und besonders nicht für einen Deutschen, denn die Deutschen hätten zu viele Extrawünsche. Mit heißen Diskussionen - auf Türkisch hört sich das immer gleich wie ein Streit an - konnte schließlich mein Freund und Übersetzer Senol den Mehmet überzeugen, dass ich mit dem einfachen traditionellen türkischen Bootsbau zufrieden wäre.
Alle unsere Wünsche und Vorgaben sollten wir aufschreiben, bis hin zur Farbe der Sonnenmatratzen. Einfach ALLES, damit es später keine Unstimmigkeiten gäbe. Aber im Nachhinein betrachtet, hatte Mehmet doch ein wenig Recht. Während der Bauphase gab es immer wieder Änderungs- oder Verbesserungswünsche von dem Deutschen: Wir könnten doch so......oder, könnten wir nicht auch so und so..........
Mehmet war geduldig, hat alles, was er an Extrawünschen für sinnvoll hielt umgesetzt, alles andere geflissentlich ignoriert.
Einige Bozburuner sind während der Wintermonate gerne mal auf "unserer kleinen Werft" vorbei gekommen, um zu sehen, was der Deutsche so macht und ob man nicht das eine oder andere abgucken könnte.
Mein erster Wunsch war, ein festes Dach über dem Bootbauplatz zu errichten, damit das Holz nicht gleich im ersten Winter durch den vielen Regen leidet. Ohne eine Sekunde zu überlegen wurde diesem Wunsch entsprochen und zwar ohne Aufpreis! Ich vermute, dass Mehmet schon länger mit diesem Gedanken spielte. Das Dach war schnell gebaut, das geht in der Türkei ohne Statik und sonstige große Formalitäten. Dafür dauerte aber die Genehmigung, ein Schiff für einen Ausländer bauen zu dürfen, mehrere Monate , und eine Truppe hoher Beamter inspizierte dafür das Gelände.
Wir konnten die Zeit gut nutzen. Wir besuchten unseren Freund am Bodensee. Peter, noch sehr rüstig für seine 80 Jahre, war Ingenieur bei Dornier und hatte früher in Hamburg Schiffsbau studiert. Er zeichnete mit Hilfe eines im Internet verfügbaren Computerprogramms einen wunderschönen Schoner und konnte alle Berechnungen, wie Spanten-stärke und -abstände, die Dicke der Planken und alles, was noch dazugehört wie aufrichtendes Moment und so weiter, nach den Maßgaben des Germanischen Lloyd erstellen. Unser Sohn Fyn, der ebenfalls Schiffbau studiert hat, meinte: ich kann euch einen Containerfrachter zeichnen oder ausrechnen, wie viele Container auf das neue Schiff passen, bevor es untergeht, aber mein Computer versteht sich nicht mehr auf hölzerne Schoner.
Ende November kam endlich das Holz mit einem großen LKW aus Istanbul und die Zeit bis Ende Mai wurde nun augenscheinlich zu kurz, um die bestellten 100 t Holz zu 22,5 m Schiff zu verarbeiten.
In der Sommersaison arbeiten unsere Bootsbauer nämlich auf den eigenen Schiffen, Mehmet ist Kapitän auf der 33-Meter-Gulet und sein Sohn Caner auf der älteren 25-Meter-Gulet, und diese müssen ja auch noch überholt und wieder zu Wasser gelassen werden.
Mit großer Freude machten sich Mehmet, seine beiden Söhne und deren beiden Cousin an die Arbeit. Doch leider musste ich feststellen, dass der traditionelle Bootsbau hier noch nie nach Plänen gearbeitet hat und dementsprechend meine Pläne auch nicht gelesen werden konnten.
Also legten wir ein paar Sperrholzplatten auf den Boden und zeichneten zusammen die ersten Spanten auf nach den Tabellen, die mir Konstrukteur Peter Boese ausgedruckt hatte.
Die Eisenteile für den 18 m langen Kiel wurden inzwischen geliefert und vor Ort zusammengeschweißt. Dass er diesen mit Eisenschrott füllen sollte, war für Mehmet völlig unverständlich. In die Lücken kommt dann Beton und darauf Teer. Mehmets Unverständnis rührt daher, dass in Bozburun keine Segel-Gulets gebaut werden und die Masten nur zur Zierde und als Geräte-Träger für das Radar und die Antennen gebraucht werden. Vor dem Wind wird schon mal für die Gäste das Vorsegel ausgerollt, um den Versprechungen im Prospekt zu genügen. Im Gegensatz dazu werden die Schiffe in Bodrum und Istanbul auch fürs Segeln berechnet und ausgestattet.
Ist das Holzkielschwein auf den Eisenkiel aufgesetzt, so dass der halbflüssige Teer überall herausquillt, dann halten die Söhne die erste Schablone dran und man guckt, ob das dem Auge gefällt. Auch für die Form des Bugs machte Mehmet eine Schablone, hielt sie in die Luft, und ich durfte entscheiden, ob mir die Schwingungen so gefallen.
Zum Glück hatte ich alle Pläne im Maßstab 1:25 dabei, so konnte ich genau rausmessen, wo zum Beispiel die 26. Spante auf dem Kiel sitzen soll. Denn die mittlere Spante wird als erste aufgestellt, vorher allerdings der Vorsteven und der Achtersteven.
Aus unglaublich vielen Lagen Holz wurde der Vorsteven zusammengeleimt. Er konnte nach Fertigstellung nur mit dem Traktor bewegt und aufgestellt werden. Sollten wir damit jemals auf einen schwimmenden Container auffahren, gäbe das vermutlich nur eine kleine Macke!
Es war so etwas wie ein feierlicher Akt, als Mehmet sich entschied, für den Achtersteven, also das Holz, wo nachher der Wellenschaft durchkommt, einen seiner besten Stämme herzunehmen. Ich zählte nachher über hundert Jahresringe, und mir wurde bewusst, dass Mehmet alles daransetzt, uns ein stabiles Schiff zu bauen. Ich hatte ja auch schon durchsickern lassen, dass wir weite Reisen unternehmen wollen.

Es ist einfach faszinierend zuzusehen, wie mit einfachstem Gerät Verzahnungen der Hölzer, sogenannte Schwalbenschwänze, hergestellt werden. Eine Art Hackebeil und der elektrische Handhobel sind dabei die wichtigsten Hilfsmittel.
Die Spanten werden je aus zehn Latten zusammengeleimt und solange der Leim noch flüssig ist auf einem Eisengestell mit der Kraft der Beine vorgebogen und dann mit Schraubzwingen an den Eisenschlitten festgehalten, die vorher anhand der Schablone eingestellt wurden. Nach einem halben Tag ist der Leim fest und die Form bleibt bestehen. Backbord und Steuerbord je 52 Spanten, das ist schon endlos viel Arbeit und Zeitaufwand, zumal jede Latte ja auch auf die richtige Stärke und Breite gehobelt werden musste. Aber im Vergleich zu dem, was alles noch kommen sollte, war dies nur ein kleiner Anfang.
Als wir dann kundgaben, in einer Woche nach Hause zu fahren, um Weihnachten zu feiern, merkten wir zum ersten Mal, dass es doch auch eine gegenseitig befruchtende Arbeit war. Nach anfänglich großer Skepsis, ob die nach dem Computerausdruck aufgezeichneten Spannten auch alle zusammenpassen, erkannte Mehmet doch die Arbeitserleichterung im Vergleich zur alt-herkömmlichen Bauart. Dabei wird nämlich mit dünnen Latten erst eine optisch ansprechende Rumpfform aufgestellt und dann danach im Inneren dieses Rumpfes eine Schablone für jede Spannte hergestellt.
Also haben wir vor unserer Abreise schnell noch möglichst viele Spanten aufgezeichnet und die Söhne haben es gelernt, aus den vielen kleinen Zahlen Schablonen herzustellen.
Gebaut wurde an sieben Tagen die Woche, nur an wenigen heiligen Feiertagen gibt es mal einen Tag frei. Pünktlich um 8 Uhr ist die Familientruppe vor Ort, Mittagessen steht dann im nicht weit entfernten Haus von Mama bereit, eine Teepause um 15 Uhr und abends gegen 18 Uhr wird nach einem schweren Tag der Hammer fallen gelassen. Holz bestellen, Angebote für Motor und Generator einholen wird telefonisch in der Teepause erledigt. Zwischendurch kommen Freunde und Bekannte, der eine braucht ein Stück Holz, der nächste holt die Späne für den heimischen Ofen, viele kommen nur zum gucken und sich ein bisschen zu unterhalten. Als einmal in der Nachbarschaft jemand starb, wurde die Arbeit spontan für ein paar Stunden gestoppt und der Familie Beistand geleistet.

Der nächste Bauschritt war der kräftige Innenkielbalken. Dieser presst die Spanten mithilfe der Kielbolzen auf den äußeren Kiel und gibt sehr viel Stabilität, zumal er auch wie ein T-Trägersystem wirkt. Nach Germanischem Lloyd wäre dieser nicht erforderlich, genauso wie die fünf Längsstringer auf beiden Rumpfseiten, die mit den Spanten verbolzt werden. Bei den älteren Gulets sind nur zwei oder drei davon verbaut und, learnig by doing , haben die Bootsbauer erkannt, dass je mehr sie davon einbauen, je stabiler der Rumpf wird.
Viele Fragen bereiteten mir Kopfzerbrechen: wie breit soll das Seitendeck werden, wie hoch der Decksaufbau, wo den Motor, die Masten, die Püttingeisen platzieren. Zum Glück hatten wir durch das alte Schiff eine gewisse Vorstellung , was funktionierte und was wir besser machen wollten. Viele Dinge, vor allem die technischen, konnte ich mit Konstrukteur Peter besprechen, doch ein Problem blieb bis zum Schluss ungelöst. Wieviel Freibord sieht noch passabel aus Für Mehmet war es eindeutig zu viel, er wollte mich unterschreiben lassen, dass es so nach meinem Wunsch gebaut werden sollte, und wenn mir das Schiff dann nicht gefällt, er nicht dafür verantwortlich gemacht werden kann. Das höhere Freibord im Vergleich zu den typischen Gulets resultierte daher, dass ich, in nur leicht gebückter Haltung, alle meine Tanks im "Keller" unter den Kabinen erreichen wollte. Kein Kriechen, wenn ein Tank lecken sollte oder eine Leitung undicht wäre.
Was soll ich sagen, direkt nach dem Stapellauf war ich wirklich unglücklich, ich fand "sie" hässlich, wollte sie nicht mehr haben, aber nachdem die Masten, Segel, 350 m Ankerkette und die ganze Einrichtung drin waren, lag sie doch etwas tiefer im Wasser und ich habe unser neues Schiff doch lieben gelernt. Geholfen hat auch, dass der Trend zu höherem Freibord ja alle Tourenjachten erfasst hat und die Katamarane oft deutlich höher gebaut sind als wir. Auch können die Hunderte von Bildern, die in jedem Hafen von unserem Schiff gemacht wurden , sicher nicht wegen dessen Unförmigkeit aufgenommen worden sein, und in Griechenland drehen die Motorboote oft eine Ehrenrunde um uns und alle Handys sind gezückt , um Selfies mit der "Carolin" zu schießen. Außerdem segeln wir durch das hohe Freibord sehr trocken. Nur wenig Gischt wird auch bei hohem Seegang übers Deck getragen. Einzig bei Seitenwind ist es schwierig , in einem engen Hafen anzulegen. Dann wird das Dinghi ins Wasser gelassen, und wenn 50 PS von Lee gegen die Bordwanddrücken , ist es effektiver als ein Bugstrahlruder.
Jetzt sind wir aber etwas vom Bootsbau abgekommen. Vor dem Bau des Salonbodens sah ich Mehmet mit einem Balken in jeder Hand im Schiffsrumpf stehen. Auf meine Frage, was er da machte, erwiderte er, er prüfe, wie dicht die Tragebalken stehen sollen. Er wählte den engeren Abstand, also an jeder Spante einen Querbalken, und man sieht, dass nicht alles unbedingt vom Computer berechnet werden muss, sondern manches hier noch dem Gefühl oder der Intuition überlassen wird.
Die Decksbalken werden mit leichtem Sprung laminiert und mit Schwalbenschwänzen eingesetzt, jeder von Hand ausgesägt. Jetzt hat der Rumpf schon einiges an Stabilität.

Welche Berge von Sägespänen das Hobeln der Planken ergab, ist kaum vorstellbar. Gegen Mehmets Empfehlung bestand ich auf 5 cm Stärke. Im Nachhinein hätten auch 4 cm genügt, denn die zwei Lagen Glasfasermatten on top bringen ja auch Stabilität. Aber der Germanische Lloyd empfahl 5 cm. Es bedurfte extremer Anstrengung, die dicken Planken im Bugbereich an die Rumpfform anzupassen. Zur doppelten Sicherheit wurden hier neben Nägeln und Leim auch noch Schrauben eingebracht. Denn hier kam es bei alten Schiffen gelegentlich zu Unfällen, indem sich die Planken, die nur an den Vorsteven genagelt waren, durch Arbeiten in hohem Seegang gelöst haben und aufgeplatzt sind. Dann kommt es natürlich zum massiven Wassereinbruch und ein Sinken ist kaum zu verhindern.
Unsere Planken wurden zusätzlich senkrecht miteinander vernagelt und verleimt. Ich durfte auch mal den Hammer schwingen. Nach einem Nagel war mein Arm lahm. Die Jungs haben davon circa eine halbe Tonne verarbeitet und so gut wie nie daneben geschlagen.
Über die Pinienplanken wird dann eine Lage von 5-mm-Bootbausperrholz geklebt und darüber kommen zwei Lagen Glasfasermatten. Sperrholz deshalb, damit die Matten sich nicht ablösen, wenn die Planken aus weicherem Holz durch die Luftfeuchtigkeit arbeiten. Der ganze Rumpf wird im Anschluss in üblicher Weise mit einer Epoxi Sperrschicht, mehreren Lagen Spachtel und noch einer Sperrschicht abgedeckt. Auf ein Schleifen mit einer langen Latte hatte ich verzichtet. Denn nur für eine glatte Außenhaut nochmals mehrere Wochen spachteln und Schleifstaub einatmen wollte ich nicht, zumal die Atemschutzmasken hier nur aus OP-Masken bestehen und der Arbeitsschutz nicht so streng befolgt wird.
Ebenso faszinierend wie der Bau des Rumpfes ist der Innenausbau. Was mal Wände geben soll, sieht aus wie ein dichter Wald aus Holzstützen und Querstreben. Wie dann die Sperrholzwände ohne Schablone genau angepasst werden, gleicht einem Wunder.
Was unsere Bootsbauer kaum verstehen konnten, war, dass wir die altmodische Art der Seitenwände und Decken bevorzugten, bei der man die Balken sehen kann. Inzwischen wird hier in der Türkei alles isoliert und mit doppelter Wand versehen, zumal die Gäste fast ausschließlich auf Klimatisierung bestehen. Wir hingegen wollen, dass überall an das Holz Luft kommt und so auch gleich zu erkennen ist, wenn irgendwo eine Undichtigkeit ist.
Fußboden in Schiffsboden-Optik, Türen, Fensterrahmen, Möbel, alles handgefertigt, zumeist allerdings ohne Maßband, sodass man sich über ein bisschen schief und krumm nicht wundern braucht. Doch wir mögen es so, nicht ganz perfekt. Dann muss man sich nicht ärgern, wenn wo ein Kratzer oder eine Macke rein kommt.
Und so richten diese Handwerker Motor und Welle aus: Durch den dicken Kielbalken wird einfach frei Hand ein dünnes Loch in die Richtung, in der das Getriebe einmal stehen soll, gebohrt. Mit dem dicken Bohrer kann dann eine eventuelle Abweichung ausgeglichen werden. Ein kleines Holzgestell trägt die große 50 Jahre alte Bohrmaschine und diese wird mittels zweier Schraubzwingen langsam vorgetrieben.
Sitzt dann der Schaft fest im Kanal, dann wird der Motor an einem Kettenzug frei hängend richtig positioniert und der Schweißer schweißt die Motorstützen genau in dieser Stellung an.
Ein bisschen etwas selber machen wollte ich auch mal, und habe die isolierten Rohrleitungen in alle Kabinen verlegt. "Jetzt baust du doch Aircondition ein", kam die verblüffte Frage. Doch als wir erklärten, dass dies für die Heizung sei, waren wir die absoluten Exoten.

Waschbecken, Duschen und die sechs normalen Haushalt WC`s mit türkischer Bidet-Funktion, Boiler, Tanks und Pumpen hat Adnang mit seiner Frau in seiner Freizeit perfekt installiert. Hauptberuflich ist er Verwaltungsbeamter. Er brachte uns jeden Tag frisches Obst aus seinem Garten.
Weniger professionell war der Elektriker. Er kann sicher einfache Gulets ausrüsten, aber mit unseren beiden Invertern und dem Trenntrafo war er überfordert. Es funktionierte zwar alles, aber unser österreichischer Mitsegler und gelernter Elektroingenieur Peter hat auf dem Rückweg über den Atlantik alles komplett umgebaut und mit deutlich mehr Sicherungen abgesichert. Da wir auf dem alten Schiff sowieso Tag und Nacht den Inverter eingeschaltet hatten, habe ich mich dazu entschieden, überall nur 220V zu verlegen. 24 V gibt es nur für die Navigationslichter und 12 V für die Instrumente. Das sparte eine Menge an Kabel.
Eigentlich hätte Ende Mai die Chartersaison für unsere Bootsbauer begonnen. Doch aufgrund politischer Spannungen hatten die ersten Gruppen abgesagt, so dass kurzfristig die Entscheidung fiel, das Schiff noch fertig zu bauen. Zwei Wochen vor dem geplanten Stapellauf gab es noch kein Teak auf dem Deck, keine Fenster, keine Ankerwinsch, keine Motorhalterung, kein Ruder, keinen Klüverbaum, keine Püttingeisen, kein Davit und und und. In meinen Augen noch wochenlange Arbeit, für die Türken aber kein Problem, der Schlitten wurde zum 11. Juni 2018 bestellt.
Jörg Diesch meint, eine längere Bauschreibung würde den Leser ermüdenden. Deshalb gehts in der Fortsetzung nicht
nur ins Wasser, sondern gleich auf große Fahrt. Wie schlägt sich die CAROLIN im Atlantik, wo man den Gulet ja nachsagt, sie würden nicht hochseegängig sein. Und Jörg verrät auch ehrlich, was er für die über 22 Meter lange Yacht dem tüchtigen Mehmet hinblättern mußte...
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