Weltumsegler, lass das
Träumen!
Mein Gott, da arbeiten manche
Sportsfreunde lange Jahre auf ein Leben auf dem Wasser hin (ja, es heißt das "Leben"
und nicht das "Segeln") und merken gar nicht, dass sie die
Wertigkeiten bei der Vorbereitung vielleicht ein bisserl falsch gesetzt haben. Viel
Gehirnschmalz wird so verbraucht zum Beispiel für die Auswahl des Plotters
(dabei bräuchte man so einen gar nicht, wenn man sich ein wenig mit
Navigation beschäftigen würde, aber das nur nebenbei). Der Kühlschrank wird
vergrößert ohne an den Stromverbrauch zu denken, die Segel werden
umgeschneidert, damit sie auch gut ziehen, wenn man hoch am Wind nach Luv
kämpft (was man in der Praxis auf Blauwasserfahrt nicht oder nur sehr selten
macht) oder man überlegt sich "Rad oder Pinne" und vergißt, dass man auf
offener See ohnehin kaum jemals am Ruder sitzt. Die wirklich lebenswichtigen
Dinge kommen da manchmal zu kurz, was man später, wenn die Praxis erst die
Probleme aufzeigt, bitter mit zusätzlicher Arbeit, verlorenen Monaten (oder
gar Jahren) oder Riesenkosten in einer Werft büßt. Thomas ist da keine
Ausnahme.
Aber er hat gerade noch rechtzeitig
überrissen, dass sein wunderschönes "Schifferl" mit der vorhandenen mächtigen
Ankerwinde so gar nicht praxisgerecht ausgestattet ist. Soll man sich ums
Ankergeschirr überhaupt Gedanken machen? Nur soviel: Auf einer
Weltumsegelung wird man hunderte Male sein Schiff und damit meist sein
ganzes Vermögen an den Anker hängen. Das Ankergeschirr ist mindestens so wichtig
für das Gelingen einer Weltumsegelung wie das Rigg oder die Maschine. Und
ganz wenige sind so wie Thomas technisch in der Lage, das vorhandene
Ankergeschirr selbst langfahrttauglich zu machen.
Es sind Weltumsegelungen nicht
vollendet worden, weil der Anker nur ein einziges Mal zur falschen Zeit
geschliert oder nicht schnellstens nach oben gekommen ist.
Bobby Schenk
Brutal - der Ankertest
Thomas Margraf
Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren, die
Erde
soll umsegelt werden. Da wird gebastelt, überholt, gekauft. Jede
Situation wird bedacht, jede Unsicherheit soll ausgeschaltet werden.
Auch das Ankergeschirr. Die manuelle Lewmar Ankerwinsch steht friedlich
an ihrem Platz am Bug. 60 Meter 10er verzinkte Stahlkette und ein CQR-Anker mit 27kg warten auf ihren Einsatz. Als Ersatz und
Zweitanker liegt
ein 25kg Plattenanker und weitere 50 Meter Kette unter Deck.
Was soll da sein? Unser Schifferl, eine 41 Fuß
Dufour Sortilege hat eine Länge von 12,80 Meter über Deck, 3,80 Meter
Breite, 1,80 Meter Tiefgang, einem Prospektgewicht von knapp 9 Tonnen am
Haken eher 11 bis 12 Tonnen. Das Mehrgewicht kommt durch eine 20 Jahre
zurück liegende Osmose Sanierung bei Wrede. Damals schälte man noch den
gesamten Rumpf und baute neues Epoxi Laminat auf, 5mm Dicker wurde dies
und Wanambi damit runde 3 Tonnen schwerer. Das Ankergeschirr sollte
halten.
Vollmundig berichtete ich von der Lewmar Seatiger
S-L-555. Davon keine unnötige Elektrik und Elektronik an Bord zu haben,
die doch sowieso nur kaputt geht. Bobby lauschte geduldig meinen
Berichten und sagt nichts dazu. Bis er mich eines Tages bat doch einen
einfachen Test „für ihn“ zu machen. Wir sollten an eine möglichst tiefe
Stelle fahren, dort den Anker mit so viel Kette wie möglich fallen
lassen. Beim Anker auf die Zeit stoppen und ihm diese doch mitteilen.
Kein Problem, schließlich ist es eine Zweigang Winsch
und der Hebel arbeitet in beide Richtungen.

So suchten wir uns einen windstillen Tag fuhren auf
einen Ankergrund Sand mit 15 Meter Tiefe und ankerten mit etwa
50 Meter
Kette. Die leichte Strömung trieb uns ablandig und nach ein paar Minuten
kletterte ich nach vorne um das Anker auf Manöver zu starten. Wir
verzichteten mit Maschine auf den Anker zu
fahren und die Kette zu entlasten, bei so wenig Strom und
ölglattem Wasser war das nicht notwendig.
Ich
pumpte etwa 30 Meter Kette in den Ankerkasten. Der
Kettenhaufen
klemmte, beim Wegschieben der Kette sprang diese von der
Kettennuss.
Viel Getöse, Staub und Funken flogen. Zum Glück hatte ich die Hand
schnell weg und blieb verschont von abgerissenen Fingern oder gar der
ganzen Hand. Niemand, der es nicht erlebt hat, macht sich eine
Vorstellung welche Gewalten da wirken. Immerhin wiegt das gesamte
Geschirr rund 180kg, allein die Kette hat rund 150kg.
Für die 30 Meter hatte ich etwa 7 Minuten gebraucht
und war ziemlich durchgeschwitzt. Also ran, nun waren es 60 Meter, von
den die Hälfte mehr oder weniger auf einem Haufen lag. Pumpen, Kette
wegschieben, pumpen… Völlig entkräftet, das T-Shirt nass wie ein
Waschlappen hatte ich den Anker nach 15 Minuten wieder an Deck.
Vielleicht waren es auch 20 Minuten, das ist allerdings gleichgültig,
denn ohne Wind und ohne Strom diese Zeit zu verbrauchen, im eher kühlen
nordischen Sommer völlig fertig da zu sitzen, unfähig noch irgendetwas
zu machen ist indiskutabel. Legerwall, Starkwind oder gar Sturm hätte
unweigerlich Grundberührung bis zum
Schiffsverlust bedeutet. Mit der
Maschine könnte man sich vielleicht retten, der Fall der Bomika zeigt
allerdings, dass das nicht immer funktioniert. Über die eigene Kette
gefahren, Propeller blockiert, Strandung – und das in Patagonien.
Der Entschluss stand schnell fest, monatelange Arbeiten (und
erhebliche Geldausgaben) warteten auf mich!

 Es musste eine
elektrische Winsch herbei.
Wieder horizontal oder doch vertikal (hier wird die
Achsrichtung der
Kettennuss gemeint) war nun die Frage. Um es kurz zu machen, das
Erlebnis einer von der Nuss springenden Kette bringt mich zur
vertikalen
Winsch. Hier liegt die Kette einen dreiviertel Kreis auf der Nuss und
fängt sich im Zweifel selbst wieder. Bei der horizontalen liegt die
Kette ein viertel Kreis auf der Nuss und liegt daneben wenn sie
abrutscht.
Den
Nachteil der vertikalen Winsch, dass die Elektrik im feuchten
Ankerkasten liegt, umging ich mit einer „tricky“ Installation. Der Motor
liegt innen im Schiff, der Kettenauslass zum Ankerkasten damit ist für
die Wartung ausreichend gesorgt (ohne Verwindungen im Ankerkasten) und
der Motor ist immer trocken. Der Ankerkasten wurde vollständig
modifiziert und hat nun etwa 20° Neigung zum Bug. Wenn sich vermehrt
Kettenhaufen bilden ist es möglich die Kette über ein einfaches
Abwasserrohr tief ins Vorschiff laufen zu lassen. Moderne Konstruktionen
haben diese tiefen Ankerkästen, die alten Schiffe haben leider meist
einen Kasten über den Vorschiffskojen.
Es
war eine gute Lehrstunde von Bobby, die uns deutlich zeigte, wie wichtig
ein blind funktionierendes Ankergeschirr ist und wie schnell man
Ankersituationen falsch einschätzt. Der CQR Anker wurde durch einen 25kg
Rocna ergänzt nachdem wir als Start-/Zielschiff im schlickigen Grund
auch noch ins Slippen gerieten.
Beim, immer zu empfehlenden, Blauwasserseminar
von Bobby Schenk kroch ich ziemlich zu Kreuze ob meiner
vollmundigen Behauptungen, „Die
manuelle Winsch kann jederzeit mit einer elektrischen mithalten.“ Heute
hole ich die 60 Meter Kette mitsamt Anker in weniger als fünf Minuten
vom Boden, so soll es sein!
Für das Praxis-Blauwasserseminar im Frühling in der SUNBEAM-Werft bei Salzburg (siehe hier) hab ich mich wieder angemeldet. Denn die dortigen Bootsbauer hätten mir mit österreichischen Schmäh sicher von vorneherein gesagt, dass ich so eine Handwinsch
auf meinem Schifferl vergessen kann.
Wenns um die Welt gehen soll.

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