Besser Steuern:

Ja, eigentlich, gehen wir auf Langfahrt, segeln um die Welt, um die große Freiheit auf dem Wasser zu genießen, auch, um den nervigen Zwängen des bürgerlichen Daseins zu entkommen. Einfach alles so hinschmeißen, geht in den meisten Fällen gar nicht. Und wenn man es tut, kann man in ernsthafte Schwierigkeiten hineinsegeln, an die man bei der Vorfreude auf das große Abenteuer nicht denkt und spätestens bei der Rückkehr uns die schönen Erlebnisse der großen Reise ganz schnell vergessen lassen können. Die Rede ist also nicht davon, dass die Selbststeuerung uns in die Karibik bringt, sondern davon, wie ich eines der behördlichen Hindernisse möglichst vorteilhaft für mich aus der Welt schaffe - und zwar legal. Es ist die Steuerproblematik. Wie, das zeigt uns ein ausgewiesener Experte auf diesem Gebiet, gleichzeitig begeisterter Segler (selbstverständlich!), nämlich Wirtschaftsprüfer und Steuerberater Jochen H. Knapp.

Bobby Schenk  


 Steuern auf Langfahrt

Nicht wenige Segler, die auf Langfahrt gehen, denken in der Euphorie der Erfüllung eines Lebenstraums, dass mit dem Loswerfen der Leinen auch die „Kündigung beim Deutschen Fiskus" verbunden ist. Ist das zutreffend?

Neben den technischen, meteorologischen und navigatorischen Aspekten der Langfahrt, die berechtigter Weise sehr intensiv diskutiert werden, findet sich nirgends ein Hinweis darauf, dass ein Langfahrer sich nicht in einem steuerrechtsfreien Raum befindet. Ist es kein Thema, oder wird es nur totgeschwiegen? Nachfolgend soll an einem ganz einfachen, alltäglichen Lebenssachverhalt dargestellt werden, dass sich Langfahrer eben gerade nicht in einem steuerrechtsfreien Raum befinden und nach wie vor ihren steuerlichen Pflichten nachkommen müssen.

Nach den Interviews mit Weltumseglern auf der Website von Bobby Schenk (hier klicken) wird monatlich ein durchschnittliches Budget von rd. EURO 1.000 nur für den Lebensunterhalt benötigt. Dazu kommen die Kosten für den Unterhalt des Schiffes und eventuelle Rückflüge in die Heimat. Dieses Budget wird in aller Regel gespeist u.a. aus Kapitalanlagen, aus Renten und Pensionen, aus Einkünften aus Vermietung und Verpachtung von Wohneigentum, aus dem Verkauf des eigenen Unternehmens (ggf. auf Rentenbasis), aus Sponsoring-Einnahmen, aus der Vermarktung der Reiseberichte. Es werden also inländische Einnahmen erzielt, die nach dem Welteinkommensprinzip in Deutschland steuerbar und steuerpflichtig sind.

Das deutsche Steuerrecht unterscheidet grundsätzlich zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht. Unbeschränkt steuerpflichtig ist der, der seinen Wohnsitz im Inland hat. Im Ergebnis ist das der Fall, wenn er eine Wohnung hat, die über eine Kochangelegenheit und sanitäre Anlagen verfügt. Wohnwagen oder Wohnmobil zählen nicht dazu, eine Segel- oder eine Motoryacht auch nicht. Beschränkt steuerpflichtig ist derjenige, der keinen Wohnsitz im Inland hat und auch nicht seinen gewöhnlichen Aufenthalt, der aber bestimmte inländische Einkünfte hat. In aller Regel kann man sagen, dass beschränkte Steuerpflicht bei gleichen Einnahmen zu einer höheren Steuerbelastung führt, was darzulegen sein wird.

Gehen wir von folgendem Sachverhalt aus:

Ein Ehepaar wohnt im eigenen (Einfamilien-) Haus mit Einliegerwohnung und hat während des Berufslebens noch zwei Immobilien erworben, die fremd vermietet sind. Beide beziehen noch Renteneinkünfte. Für die geplante Weltumsegelung wird auch das derzeit noch für eigene Wohnzwecke genutzte Haus vermietet. Lediglich die Einliegerwohnung wird zurückbehalten, um bei Unterbrechungen der Weltumsegelung nicht im Hotel wohnen zu müssen.

Nach der Systematik des deutschen Steuerrechts behält das Ehepaar auch nach dem Loswerfen der Leinen und dem Verlassen des „Küstenmeeres", d.h. der hoheitlichen Grenzen im Sinne des „Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen" (SRÜ), die unbeschränkte Steuerpflicht, weil das Paar nach wie vor einen „Wohnsitz" im Inland hat. Nach der Definition der Abgabenordnung (§ 8 AO) hat jemand dort ein Wohnsitz, „ … wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird." So auch die ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), hier beispielhaft aus dem Leitsatz des BFH-Urteils vom 24. November 2002 (IR 100/99; IStR 2001, S. 349) zitiert:

„1. Ein inländischer Wohnsitz führt auch dann zur unbeschränkten Ein- kommensteuerpflicht, wenn der Mittelpunkt der Lebensinteressen sich im Ausland befindet.

2. Für die Begründung eines inländischen Wohnsitzes im Sinne des § 8 AO kommt es auf den zeitlichen Umfang der Nutzung nicht an."

Das hat zur Folge, dass die erzielten Einkünfte jährlich innerhalb einer gesetzlich vorgegebenen Frist erklärt werden und versteuert werden müssen, sofern sie den Grundfreibetrag und die Sonderausgaben (z.B. für Kranken-, Pflege-, Unfall- und Haftpflichtversicherung) übersteigen. Die Besteuerung erfolgt sicher zu einem niedrigeren Steuersatz als zu Zeiten der aktiven Berufstätigkeit (Progressionsunterschied). Das Ehepaar muss jährlich eine Einkommensteuererklärung erstellen und beim örtlich zuständigen Finanzamt (Wohnsitzfinanzamt) abgeben. Wird die jährliche Einkommensteuererklärung nicht rechtzeitig oder überhaupt nicht abgegeben, so kann das Finanzamt Verspätungszuschläge und Zwangsgelder festsetzten und schließlich eine Schätzung durchführen, die für den Steuerpflichtigen in aller Regel zu einer empfindlichen Mehrbelastung führen kann. Also: Auch wenn das Ehepaar mehrere Jahre auf Langfahrt unterwegs ist, muss es seinen steuerlichen Pflichten nachkommen.

Die Erfüllung der steuerlichen Pflichten ist zunächst eine Organisationsaufgabe, denn die entsprechenden Belege müssen gesammelt und in der Einkommensteuererklärung abgebildet werden. Die Erstellung der Einkommensteuererklärung mit den zugehörigen Anlagen kann an einen Steuerberater delegiert werden, das Sammeln und Zusammenstellen der Belege wohl eher nicht.

Sollten die Einkünfte des Ehepaares nach Abzug der Sonderausgaben den sog. „Grundfreibetrag" nicht übersteigen, kommt es trotz unbeschränkter Steuerpflicht nicht zu einer Steuerzahlung. Der „Grundfreibetrag" beträgt nach dem Rechtstand ab dem Veranlagungszeitraum 2010 EUR 8.004 für Alleinstehende und EUR 16.008 für Ehepaare, die nicht dauernd getrennt leben. In einem solchen Fall kann beim Wohnsitzfinanzamt unter bestimmten Bedingungen die Löschung der Steuernummer beantragt werden. Das hat zur Folge, dass sich das Paar seiner steuerlichen Pflichten entledigt, sozusagen eine „Kündigung beim Deutschen Fiskus".

Übersteigen jedoch die Einkünfte des Ehepaares nach Abzug der Sonderausgaben den Grundfreibetrag, dann wird das Einkommen nach dem sog. „Splittingtarif" für Ehepaare, die nicht dauernd getrennt leben, versteuert, nicht nach der „Grundtabelle", die für Alleinstehende und dauernd getrennt lebende Ehepaare anzuwenden ist. Die Steuerschuld ist dann einen Monat nach Bekanntgabe des Bescheids an das Wohnsitzfinanzamt zur Zahlung fällig.

Wandeln wir den beschriebenen Sachverhalt etwas ab: Das Ehepaar hält die Einliegerwohnung nicht zurück, sondern vermietet auch diese. In diesem Fall gestalten sich die Rechtsfolgen grundlegend anders. Nunmehr unterhält das Ehepaar keinen Wohnsitz mehr im Inland und hat auch seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht mehr dort. Nach den einkommensteuerrechtlichen Vorschriften sind natürlich Personen, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, beschränkt einkommensteuerpflichtig, wenn sie Einkünfte im Sinne des § 49 Einkommensteuergesetz haben. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung einer im Inland belegenen Immobilie zählen zu den Einkünften im Sinne des § 49 Einkommensteuergesetzt (§ 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG).

Damit ist das Ehepaar nun nicht mehr unbeschränkt einkommensteuerpflichtig, sondern beschränkt einkommensteuerpflichtig, weil es inländische Einkünfte im Sinne des § 49 Einkommensteuergesetz, nämlich u.a. die Vermietungseinkünfte, bezieht. Vom Wortlaut „beschränkt" mag man nun denken, dass die Steuerbelastung geringer sein könnte als bei unbeschränkter Einkommensteuerpflicht. Diese generelle Aussage lässt sich so nicht bestätigen. Der Begriff „beschränkt" bezieht sich vielmehr auf die Anzahl der Einkunftsarten, die durch die Aufzählung in § 49 Abs. 1 Nr. 1 bis 10 Einkommensteuergesetzt abschließend benannt sind. Im Umkehrschluss folgt daraus, dass realisierte Einkünfte, die nicht in der vorgenannten Vorschrift aufgezählt sind, nicht zur beschränkten Einkommensteuerpflicht führen.

Welche Folgen für die Besteuerung sind nun mit der „beschränkten Einkommensteuerpflicht" verbunden? Die Vorschriften zur beschränkten Steuerpflicht sehen vor, dass beschränkt Steuerpflichtigen u.a. der günstigere „Splittingtarif" nicht zu gewähren ist, dass sich der Grundfreibetrag auf EUR 8.004 reduziert und dass ihnen kein Sonderausgabenabzug gewährt wird. Im Ergebnis ist vereinfachend festzuhalten, dass es bei beschränkter Steuerpflicht schon bei deutlich niedrigeren Beträgen zu Steuerzahlungen kommt als bei unbeschränkter Steuerpflicht; darüber hinaus ist die Steuerbelastung für Ehepaare höher, da zur Berechnung der Einkommensteuer die „Grundtabelle" angewendet wird, nicht die „Splittingtabelle".

Für die Besteuerung der Einkünfte aus Kapitalvermögen halten die Vorschriften über die beschränkte Steuerpflicht eine weitere „Überraschung" bereit. Seit dem Jahr 2009 erfolgt die Besteuerung der Einkünfte aus Kapitalvermögen durch die sog. „Abschlagsteuer", die bereits an der Quelle der Einkünfte erhoben wird. Die Abschlagsteuer beträgt 25 % zuzüglich Solidaritätszuschlag (5,5 % darauf) und ggf. Kirchensteuer. Insgesamt kann sich damit ein Steuersatz von rd. 29 % ergeben, mit dem die Kapitaleinkünfte bereits an der Quelle belastet sind. Liegt nun der Steuersatz insgesamt höher als 29 %, so verbleibt es bei der Belastung der Kapitaleinkünfte mit der Abschlagsteuer, die damit begünstigt sind. Liegt hingegen der Steuersatz unter 29 %, so werden die Kapitaleinkünfte bei unbeschränkter Einkommensteuerpflicht mit dem niedrigeren Steuersatz veranlagt, es kann dann zu einer Erstattung von Abschlagsteuer kommen. Nach dieser Vorgehensweise erfolgt die Veranlagung von unbeschränkt Einkommensteuerpflichtigen. Bei Steuerpflichtigen, die beschränkt Einkommensteuerpflichtig sind, gilt bei Kapitaleinkünften die Einkommensteuer durch den Steuerabzug (Abgeltungsteuer) als abgegolten, so dass hier nicht die Möglichkeit der Reduzierung der Abgeltungsteuer durch die Veranlagung besteht.

Ergänzen wir den Sachverhalt insoweit, als das Segler-Ehepaar unterwegs Einnahmen durch Kojencharter und die Erbringung sonstiger Dienstleistungen erzielt. Nach dem Welteinkommensprinzip sind solche Einnahmen bei unbeschränkter Steuerpflicht in Deutschland zu erklären und grundsätzlich auch zu versteuern, es sei denn, die Bestimmungen eines Doppelbesteuerungsabkommens sehen etwas anderes vor. Sind die Tatbestandsvoraussetzungen für die unbeschränkte Steuerpflicht nicht gegeben, so ist im Einzelnen zu prüfen, ob die betreffenden Einnahmen überhaupt zur beschränkten Steuerpflicht führen.

Ergänzend ist an dieser Stelle noch darauf hinzuweisen, dass es sich bei Sponsoring-Einnahmen ("Premiumpartner") grundsätzlich auch um steuerpflichtige Einnahmen handelt, unabhängig davon, ob es Barleistungen oder Sachleistungen sind.

Der vorgestellte einfache Sachverhalt und die daraus abgeleiteten steuerlichen Folgen, lassen es jedem Langfahrer dringend geraten erscheinen, sich vor Fahrtantritt eingehend beraten zu lassen. Dies nicht nur vor dem Hintergrund der Reduzierung der Steuerlast durch geeignete Sachverhaltsgestaltung, sondern auch und insbesondere im Hinblick auf die steuerrechtlichen Strafvorschriften. Im Rahmen einer solchen Beratung muss das Augenmerk insbesondere auch darauf gerichtet werden, ob, und wenn ja, wie die Langfahrer ihre Reise „vermarkten" wollen, um damit weiter Einnahmen zu erzielen. Zu denken ist hier vor allem an Sponsoring-Einnahmen, an die Vermarktung von Videos, Kalendern, Zeitschriftenartikel und Büchern. Die Einnahmen, die der Langfahrer aus Sponsoring erzielt, stellen bei den Sponsoren Betriebsausgaben dar. Im Rahmen von Betriebsprüfungen verschickt das prüfende Finanzamt regelmäßig sog. „Kontrollmitteilungen" an das Wohnsitzfinanzamt desjenigen, der die Sponsorengelder erhalten hat. Auf diese Weise wird überprüft, ob diese Einnahmen auch versteuert wurden. Ist das nicht der Fall, wird der Steuerpflichtige -im angenehmsten Fall - zur Nacherklärung aufgefordert; im unangenehmen Fall wird der Sachverhalt von der Steuerstrafstelle abgewickelt.

Ein anderer steuerlicher und zivilrechtlicher Aspekt ist ebenfalls vor Antritt der Langfahrt dringend zu bedenken und zu gestalten, nämlich die Frage, was passiert, wenn aus der geplanten Weltumsegelung die „Letzte Reise" wird. Die Gestaltung von Erbfolgeregelungen ist schon unter „normalen" Umständen eine ausgesprochen sensible Angelegenheit, wie dann erst in der Hochstimmung vor Antritt der Weltumsegelung.

Abschließend bleibt festzuhalten, dass bereits bei einem so einfachen Sachverhalt, wie er vorab geschildert wurde, weitreichende steuerliche Konsequenzen entstehen, noch dazu auf einem sehr komplexen Rechtsgebiet, nämlich dem Außensteuerrecht. Im Internet finden sich auf den einschlägigen Websites zahlreiche Checklisten zur Vorbereitung der Langfahrt. Allen gemein ist, dass die geschilderte Steuerrechtsproblematik unberücksichtigt bleibt. Vor diesem Hintergrund ist jedem Segler, der auf Langfahrt geht, dringen anzuraten, sich an einen Steuerberater seines Vertrauens zu wenden, der vor allem auch mit den außensteuerrechtlichen Vorschriften und der entsprechenden Rechtsprechung dazu vertraut muss. Im Rahmen dieser Beratung ist dann zunächst die steuerliche Situation zu überprüfen und - wenn möglich- eine geeignete Sachverhaltsgestaltung zu erarbeiten, um schließlich die Deklarationsberatung durchzuführen, um Sanktionen zu vermeiden.

Wirtschaftsprüfer / Steuerberater Dipl.-Kfm. Jochen H. Knapp 

Tel. 06421-886670, 0172-611 33 37, jhk@wirtschaftspruefer-knapp.de   www.wirtschaftspruefer-knapp.de

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