Das segelnde Klassenzimmer - die Weltumsegelung der Kiwitt (6) Heikes Bedenken Als ich mit Bernhard am Steg in Aigues-Mortes stand und auf Sebastian und Malte wartete, gingen mir zum hundertsten Mal die gleichen Gedanken durch den Kopf: Wird das gut gehen? Wie werden wir uns verstehen? Werde ich das Segeln mögen? Ob ich seekrank werde?...
Der erste Schock
Aber zu der Frage, wie ich mich als Segelanfängerin fühlte: Meine erste Überfahrt, von Aigues-Mortes nach Sète, fand ich toll! Die Sonne strahlte, der Himmel war blau, der Wind blies, wir segelten und es ging mir trotz der ordentlichen Schräglage gut. Ich war nicht seekrank! Es war außerdem ein Riesenspaß, sich von der Kiwitt durchs seichte Wasser ziehen zu lassen.
Meiner ersten Nachtwache sah ich mit etwas Bammel entgegen und hoffte nur, dass uns kein Schiff zu nahe kommen oder der Wind drehen würde. Sebastian lag aber mit seinem Schlafsack im Cockpit, so dass ich ihn, falls es brenzlich geworden wäre, jederzeit hätte wecken können. Überhaupt habe ich mir vor dieser ersten „längeren“ – ca. 200 Seemeilen – Überfahrt nach Mallorca mit zwei Nachtfahrten einige Gedanken gemacht. Was wäre, wenn dies oder jenes passieren würde und man noch so viele Stunden oder Tage bräuchte, bis man einen Arzt erreicht?... Aber mit jeder längeren Überfahrt, die wir gemacht haben, wurden die Zweifel geringer. Wie oft passieren solche Horrorszenarien, die man sich da ausmalt, denn auch schon im normalen Leben? So gut wie nie. Wieso sollten sie sich jetzt ausgerechnet auf See ereignen? Langsam gewöhnt man sich an das Leben auf See und genießt auch diese ruhigen Tage mit einem guten Buch an Deck, dem endlos blauen Himmel und Meer, dem gleichmäßigen Plätschern der Wellen... Aber ich will noch gar nicht so viel vorwegnehmen… Und was sagt Sebastian? Wie viele maritime Begriffe man verwendet ist wohl jedem schon mal aufgefallen, der jemanden an Bord hatte, der sonst eher festen Boden unter den Füßen gewohnt ist. Dass eine Pinne eine Herausforderung sein kann, wird einem nur bewusst, wenn man sich mal klar macht, dass sie genau umgekehrt funktioniert wie ein Lenkrad, nach rechts bedeutet linksrum und nach links….. Darüber hinaus auch noch direkt die ersten Fahrten auf dem Mittelmeer. Je mehr ich heute darüber nachdenke, desto mehr bewundere ich Heike, dass sie überhaupt den Mut gehabt hat mitzufahren. Für mich war die Weltumsegelung ein logischer Schritt, ich hatte mich jahrelang damit beschäftigt und hatte auch immer mal wieder mit Booten zu tun. Aber Heike, als echte „Landratte“? Ich hatte sie ja erst vor nicht mal einem Jahr auf die Idee gebracht mit einem Boot um die Welt zu segeln. Jetzt kann man sagen, in dieser Zeit könne man sich ja damit beschäftigen. Das hat sie ja auch gemacht. Aber seien wir mal ehrlich. Ohne irgendeinen Bezug zur Praxis bleiben die ganzen Begriffe wohl doch eher böhmische Dörfer. Mal ganz davon abgesehen, dass Heike noch unmittelbar vor der Reise ihr Staatsexamen schreiben musste. Dass es auch ohne große Vorkenntnisse geht, hat sie eindrucksvoll bewiesen. Nach ein paar Tagen an Bord saßen die wichtigsten Begriffe und beim Umgang mit dem Boot verlor sie auch die erste Scheu. Damit schien der Grundstein für eine erfolgreiche Reise gelegt. Jetzt mussten wir nur noch miteinander auskommen.Wie das funktinonierte? Hier gehts zur Fortsetzung!
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