Eine
ganz ungewöhnliche Weltumsegelung
Wer viel
schreibt, liegt auch manchmal daneben. Da hab ich es in einer Kolumne
gewagt, mich zu beklagen, dass auf den Weltmeeren nicht mehr so viele junge
Menschen unterwegs seien, wobei ich unter "jung" die U40-Generation
versteh. Ein Sebastian Pieters (Bild), offenbar mit einer ordentlichen Portion
gesunden Selbstbewusstseins ausgestattet, hat mir daraufhin ganz schön den Marsch geblasen. Und ins
Schwarze getroffen! Zur Gänze lesenswert sein Brief:
"Hallo,
auch wenn ich noch recht jung bin, benutze ich mal wie bei Seglern meist üblich das „Du“.
In deinem Artikel „Vier Jahrzehnte Blauwassersegeln“ schreibst Du, dass es keine jungen Leute mehr gibt, die auf eine Segelreise gehen. Dass will ich so nicht stehen lassen. Ich habe auf meiner dreijährigen Weltumsegelung genügend getroffen, aus den verschiedensten Ländern. Sicher - in der „Flut“ der Älteren, die heute um die Welt segeln, gehen sie schnell unter, aber das heißt nicht, dass es sie nicht gäbe. Du schriebst, dass früher ein halbes Dutzend Yachten aufgebrochen sind, um den Atlantik zu überqueren. Ich erinnere mich auf Anhieb auch an ein halbes Dutzend, die „unter 40“ Jahre alt waren und auch an einige „unter 30“. Nur dass die unter den fast 1000 Schiffen, die sich auf den Weg gemacht haben, schwer zu finden waren.
Klar - durch den heute möglichen Luxus ist vieles einfacher geworden, und durch dieses angenehmere Leben ist der Schritt auch einfacher, sich auf eine solche Reise zu begeben. Das Geld dafür haben aber dann meist nur die älteren Semester. Auch der Gedanke, dass eine solche Reise im Bereich des Möglichen liegt, ist heute viel präsenter. Daher machen auch immer mehr den Schritt, aber die Jungen mit den kleinen Schiffen gibt es auch noch.
Ich, bzw. wir (2 Personen), sind übrigens auf der nur acht Meter langen Kiwitt, einem Sperrholzboot
,um die Welt gesegelt. Kurzwelle hatten wir nicht, Radar auch nicht. Ein Rollreff war nicht vorhanden und das UKW war die meiste Zeit defekt, genauso wie das Echolot. Die Starter der Leuchtstoffröhren waren irgendwann alle kaputt und neue waren in den Pazifischen Inseln einfach zu teuer. Unsere Batterien waren sowieso recht klein. Petroleum ist wahrlich kein Luxus, aber besser als nichts.
Ja, wir hatten einen Autopiloten, wenn er denn funktionierte (was nur am Anfang der Fall war). Die alte Windfahne war leider nicht so optimal geeignet und glücklicherweise konnte ich in Neuseeland günstig eine „neue“ alte Windfahne erstehen, die uns dann sicher nach Hause gebracht hat.
Und da es, wenn man übers Segeln spricht, ja immer ums Geld, also auch hier: 1 Dollar pro Tag hat der Hausner geschrieben, ich bin mit 10 Euro pro Tag ausgekommen, 40 Jahre später, und da war sowohl eine Schiffs- als auch eine Krankenversicherung mit drin. Essen gehen war da natürlich nicht oft möglich... aber missen möchte ich die Zeit für nichts auf der Welt. Und da kann ich glaube ich auch guten Gewissens für die ganzen anderen „Kleinen“ sprechen.
Ach ja bevor ich es vergesse, los bin ich 2003 mit 21 Jahren.
Viele Grüße Sebastian"
Ein
paar Fragen hat Sebastian in seinem Mail offen gelassen: Woher hat ein 21-jähriger
eine Yacht, mit der man um die Welt segeln kann? Woher nahm er das Geld für
die Weltumsegelung? Das Übliche vielleicht – von Beruf Sohn oder bei
Sponsoren geschnorrt? Wo hat er das Segeln gelernt? War er gar „betreut“
mit Rallies unterwegs, was heute fast eine neue Sportart ist?
Nichts
von alledem! Das sollte den Vielen, die bisher nur
träumen, Mut machen. Lernen von einem 21-Jährigen Bengel; das hat doch was !
Bei meinen Recherchen stieß
ich auf eine ganz ungewöhnliche Geschichte. Ich selbst war mit den
zahlreichen Lehrern in meinem Leben (fast) immer zufrieden. Aber so einen, wie
Sebastian gehabt hat, hatte ich nie. So einen hätte sich jeder von uns gewünscht.
Und weil die Weltumsegelung des Sebastian quasi im Mathematik-Unterricht
beginnt, möchte ich diese wahre Geschichte an ein Märchen von Erich Kästner
anlehnen.
Bobby
Schenk
Das
segelnde Klassenzimmer
Wie
das in einer Schule sein sollte, kommt als erster der Lehrer, der
Mathematiklehrer Bernhard Witt, zu Wort. Auch, weil er - fast - die Hauptperson
bei dieser Weltumsegelung ist, doch davon später. Bernhard, Jahrgang 1947,
eigentlich gelernter Kriminalpolizist mit Abitur und Lehrerstudium, schreibt:
"Sebastian Pieters lernte ich
1996 in Kleve an der
Konrad-Adenauer-Hauptschule als meinen Mathematik-Schüler kennen. Er war 15 Jahre alt,
groß, fast zwei Meter lang, und sehr gut in diesem Fach - Note 1. Anscheinend erzählte
ich über meine Reise mit meinem
Sperrholzschiff Kiwitt
nach Neuseeland, denn er hielt auch während seiner Lehre Kontakt zur Schule.
Gemeinsam mit seinem Feund Malte machten wir eine Probefahrt mit der Kiwitt.
Meine Frau Petra
(Holländerin - Bild) und ich hielten Sebastian einen ausführlichen Lichtbildervortrag mit Südseemusik und erzählten von unserer gemeinsamen Reise 1985 von Teneriffa über Panama,
Marquesas, Tahiti, Samoa, Tonga nach Neuseeland. Petra hatte ich unterwegs in Spanien
kennen gelernt und sie stieg kurzentschlossen in Teneriffa zu. Nun konnten wir uns bei den Wachen abwechseln und sie übernahm auch die Astronavigation.
Dank an Bobby Schenk für das Buch “Navigation zum Ankommen”. Damit habe ich allein von Faro nach Madeira segelnd (noch mit
Sextant) meine erste Insel genau gefunden.
Von da an war Sebastian an das
Langfahrtensegeln “verloren”. Wir trafen uns wöchentlich in der Schule und ich erzählte ihm alles, was ich über Schiffe und Langfahrtensegeln wusste.
Eines Tages, er war ca. 20 Jahre alt, wollte er mit mir überlegen, wie er eine Weltumseglung konkret realisieren könnte und wir vereinbarten einen Termin bei mir zu Hause.
Mir war klar, dass er noch Jahre arbeiten und sparen müsste, wenn er diesen Plan allein umsetzen wollte.
Ich selbst hatte sieben Jahre gebraucht (Planung/Bootsbau). Meine Kiwitt war gut ausgerüstet
(neue Rettungsinsel,Schlauchboot und Aussenborder).
Da kam ich auf die Idee, ihm die Kiwitt zu leihen.
Nach einer Woche Überdenken und Rücksprache mit meiner
Frau, machte ich ihm am Ende unserer gemeinsamen Überlegungen zur Umsetzung einer Weltumseglung diesen Vorschlag.
Damit wurde das Vorhaben auf einmal realisierbar.
Er wollte ein Jahr arbeiten , um sich Geld für den Lebensunterhalt zu verdienen. Wir wollten in dieser Zeit im Sommer mit der Kiwitt
segeln/trainieren und sie dann für die Weltumseglung klarmachen.
Gemeinsame Segelreisen (Ijsselmeer/Nordsee) und unsere Reparaturarbeiten bestärkten mich in meiner Überzeugung, dass er als Schiffsführer verantwortungsbewusst, ruhig und
überlegt handelt und seine Entscheidungen gut überdenkt. Wir hatten eine tolle Zeit. Er lernte sehr schnell, die Kiwitt
sicher zu führen und konnte zudem prima kochen. Auf meinen Rat hin suchte und fand er
übers Internet eine Begleiterin, die auch von solch einer Reise träumte. In Südfrankreich half ich noch mit,
den Mast in Cap d”Agde an einer
Brücke hochzuziehen, um Geld zu sparen. In Sete feierten wir dann am Kanal unter einer Brücke mit einer Flasche Wein Abschied.
Nach jeder geschafften größeren Etappe stießen wir dann dann mit Sebastians Eltern
zu Hause mit rotem Krimsekt an.
Erstaunlich war, dass ich auch nach längeren Etappen fühlen und sagen
konnte, wann die beiden ankommen. Sebastian hatte wohl alle Informationen wie ein Schwamm aufgenommen und ich hatte
öfters das Gefühl, dass wir in bestimmten Situationen berechenbar gleich gehandelt hätten.
Im Nachhinein bin ich froh, dass ich ihm mein Schiff geliehen habe.
Die gemeinsame Rückfahrt durch den Rhein/Rhone-Kanal und im Galopp den Rhein abwärts verlief noch mal spannend, weil uns
Hochwasser im Doubs aufhielt. Aber deswegen kam es nie zu Hektik oder Nervosität und wir genossen die Zwangswartezeit mit Erzählen und gutem Essen.
Ich würde ihm jederzeit mein Schiff wieder
leihen, weil er trotz seines jungen Alters ruhig und überlegt handelt, großes technisches Verständnis hat und die Fähigkeit besitzt, mit wenig Geld zu improvisieren. Zudem vermittelt er seinen Mitseglern das Gefühl von
Souveränität und Sicherheit.
Er hat die Kiwitt gut instand gehalten, eine gebrauchte Windsteueranlage eingebaut und in
Thailand neue Segel und
Sitzbezüge gekauft. Dabei waren sie so sparsam, dass nach der Reise sogar noch Geld übrig war.
Für mich waren die drei Jahre ein ständiges Miterleben (die Reiseberichte ergeben zusammengeheftet ein Buch) und die Hunderte von Bildern begeisterten auch die Mitglieder des
Segelvereins, wo Sebastian auf dem Opti anfing und die ihm und seiner Mitseglerin einen
tollen Empfang bereiteten.
Bernhard Witt"
Ab Anfang
nächsten Jahres werden wir hier auf dieser Webseite in loser
Folge die gesamte
Weltumsegelung des jungen Sebastian miterleben dürfen. Sie sticht weit heraus
aus den üblichen Weltumrundungen mit Riesenyachten, mit Sponsoren, mit Technik
ohne Ende, mit betreutem Segeln bei Rallies, mit Unterstützung durch
Zeitschriften...
Und sie
begann mit einer Schnapsidee - hier klicken zum Weiterlesen
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