Mann über Bord! - Thema für die Ewigkeit

Ich schreibe übers Segeln, um Wissen weiterzugeben. Und da freut es mich, wenn sich die viele 20-jährige Arbeit, die in dieser Webseite steckt, auch auszahlt. Nein, ich meine nicht nach Heller und Pfennig, sondern in ganz anderer Weise, wie folgendes Mail zeigt. Es geht um das Dauerthema im Segelsport, nämlich die Situation "Mann-über-Bord" - ich bleibe bei dieser klassischen Formulierung, denn ich kenne keinen Fall, in dem eine Frau über Bord gegangen ist. Diese Katastrophe tritt ja nur ein, wenn der Mann nicht angeleint war. Und den Supergau, nämlich das Ersaufen kann eine "Schwimmweste" alleine auf hoher See in aller Regel nicht verhindern, auch, wenn das Viele suggerieren wollen.

Das nachfolgende Mail schildert ein "Mann-über-Bord"-Drama. Und der Leser wird sich nun fragen, welches der unzähligen bekannten und immer wieder diskutierten Manöver (Kuhwende, Nahezu-Aufschießer, Maschine-An, Quick-Stop-Manöver, "Münchner Manöver") von einem erfahrenen Hochseesegler im Ernstfall gewählt wurde, um den Mann aus Todesgefahr zu retten. Seine Entscheidung könnte auch in Zukunft Menschenleben retten.- B.S.


Lieber Bobby!
...Ich muss Dir für einen Ratschlag danken, den ich Deiner Webseite entnommen habe und an den ich mich spontan anläßlich eines Vorfalls in der westlichen Karibik Gottseidank erinnert habe:

Während des Überstellungstörns eines 37ft-Langkielers zu zweit von Belize-City nach Panama hatten wir entgegen aller Wetterberichte kaum Wind, aber Welle durchschnittlich 3-4 aus Nord, d.h. genau auf unsere Bb-Seite.

Die Devise, an die wir uns auch penibel hielten, war: Sicherungsgurt sofort bei Betreten des Cockpits einpicken und ständig eingepickt lassen, Tag und Nacht. Wenn am Vorschiff etwas zu tun ist muss der Wachfreie geweckt werden und keiner geht nach vorne, solange der Zweite nicht sicher im Cockpit ist. Der AIS-Transceiver (senden und empfangen) war an. Beide trugen wir Rettungswesten 275N mit integriertem Doppelgurt, einen AIS-MOB Sender (easyrescue), Strecktaue waren eingelascht.

In der zweiten Nacht um 01 Uhr unter Maschine 50 sm querab Roatan/Honduras passierte es: Der Skipper kam zur Wachablöse den Niedergang herauf, wollte sich einpicken, hat aber das Auge am Brückendeck nicht gleich gefunden, weil er wohl durch einen Check des Radars unter Deck noch geblendet war, als eine steile ca Drei-Meter-See das Schiff breitseitig traf und meinen Freund „Kopf über Arsch“ - im wahrsten Sinn des Wortes - noch aus dem Niedergang von der obersten Stufe über Bord schickte.

Nach einer ordentlichen Schrecksekunde habe ich sofort gewendet; das Stroboskop-Licht an der Rettungsweste konnte ich im Seegang kaum erkennen, der AIS-Sender hat tadellos funktioniert. Ich habe jedoch gleich mitbekommen, dass ein an Bord-Holen bei diesem Seegang und einem Spitzgatter mit den in Lehrbüchern empfohlenen Manövern wenn überhaupt, dann kaum ohne Verletzungen zu bewerkstelligen sein würde, zumal wir beide auch keine sportlichen Typen mehr sind.

Spontan fiel mir Dein Beitrag zu Mann-über-Bord-Bergungen ein und ich ließ, ohne Zeit mit anderen Versuchen zu verlieren, die Rettungsinsel an langer Leine mit anschließendem Kreismanöver zu Wasser. Schließlich konnte er die (viel zu kleine) Insel nach mehreren Versuchen nach ca 30 Minuten trotz des Seegangs wenn auch völlig erschöpft, so doch unverletzt entern. In diesem Zustand haben wir ohne Fahrt auf bessere Bedingungen gewartet, welche schließlich am darauffolgenden Vormittag halbwegs eintraten. Ich wollte uns zuerst mit kleinster Fahrt gegen die Welle stellen, jedoch habe ich dies wegen des eintretenden Gestampfes mit Auswirkungen auf die Insel sofort wieder beendet. Warme(!) Getränke und etwas Verpflegung ließ ich ihm über eine wasserdichte Tasche an einem Fender zukommen.

Ausser dass er in der Insel fürchterlich seekrank wurde und uns beiden der Schrecken in allen Gliedern saß, ist nichts passiert. Anschließend bogen wir nach Roatan ab und liefen zurück in den Rio Dulce. Glück gehabt.

Ein chinesisches Containerschiff am Morgen aus Panama kommend auf Kollisionskurs hat rechtzeitig seinen Kurs geändert, nachdem ich unsere Lage - manövrierunfähig - geschildert hatte, und hat uns seine Hilfe angeboten, die wir aber nicht mehr benötigten. Ein Anbord-Holen wäre bei der Riesenbordwand auch nicht besser gewesen und unsere Lage war soweit „gesichert“. Der Skipper hat uns zu unserem Manöver beglückwünscht! Ich hatte das AIS vergessen, welches noch "Schiff in Fahrt unter Maschine“ gemeldet hat. Er wäre nicht kursänderungspflichtig gewesen. Am Radar ohne AIS hätte er uns nicht bemerkt, sagte er.

Somit hat einer Deiner vielen Beiträge höchstwahrscheinlich ein Leben gerettet.

Nochmals vielen Dank! Machs Gut!

Peter L. - (Namen und Adresse des Retters sind hier bekannt!)

P.S.: Noch in der Marina in Fronteras hat der Skipper sich eine Rettungsinsel für acht (!) Personen zugelegt, die auch nicht viel mehr Platz an Bord einnimmt, und die alte Insel entsorgt.

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