Aus meinem Buch Ankern:
"Dem
Autor sind zahlreiche Fälle bekannt, wo eine Niro-Kette ohne Vorwarnung und
ohne ersichtlichen Grund gebrochen ist, während er gleiches bei einer
verzinkten Kette noch nicht erlebt hat. Hieraus folgt: Eine Chromstahlkette
(„Niro-Kette“) sollte regelmäßig überprüft
werden.... Was
häufig übersehen und von der Werbung selbstverständlich unterschlagen wird:
Eisen kann rosten. Aber gleiches gilt für „Edelstahl-Ketten“! Nur sieht
man den Lochfraß durch Elektrolyse (mehrere verschiedene Metalle in einem
Elektrolyt, zum Beispiel Seewasser, erzeugen elektrische Ströme, die zur Schwächung
des unedleren Metalls führen) nicht so ohne weiteres, und wenn dann die
Metallzersetzung, meist in Form des gefürchteten Lochfraßes, weiter
fortgeschritten ist, bemerkt man das Desaster erst, wenn die Yacht mit hängendem
Kettenrest abtreibt."
Bobby
Schenk
Kettenreaktion
von Hannes und Sabine FRÜHAUF
Müde schau ich in den Spiegel und suche die Beschriftung auf meiner Stirn. Aber außer meinem unrasierten Knittergesicht finde ich nichts.
Also gehe ich an Deck und suche in den Gesichtern anderer Yachties in der Marina. Jedoch - auch dort nichts! Dabei war ich mir so sicher, nach all dem Ärger der letzten
Wochen.
Ich war mir so verdammt sicher, es muss uns Bootseignern doch auf die Stirn tätowiert sein: „BITTE VERARSCHT MICH!“
Letztendlich komme ich zu dem Ergebnis, dass diese Worte nur die Hersteller von Yachtzubehör lesen können und diese kommen dem Inhalt dieser Aussage auch beflissentlich nach.
Wo in aller Welt, in welcher Branche werden sonst noch, zu solch wahnwitzigen Preisen, dermaßen dilettantische Zubehörteile angeboten wie in der Segler- und Motorbootfahrerszene?
Viele von uns Bootseignern können ein Lied davon singen:
Egal ob es sich um viele tausend Euro teure und trotzdem nicht funktionierende Wassermacher handelt, oder um nach wenigen Wochen rostende Beibootmotoren, bei denen aus Kostengründen auf Edelstahlschrauben verzichtet wurde, um Dingis, die sich in der Sonne nach einem Jahr auflösen - jeder von uns hat schon so viele einschlägige, enttäuschende Erfahrungen gesammelt, dass sich diese Liste bis ins Unendliche fortsetzen ließe.
Auch weiß jeder von uns, dass das Service der Händler und Hersteller oft sehr schlecht ist oder, dass man von diesen auf arrogante Art und Weise behandelt wird.
Den Vogel allerdings schoss in meinem Falle ein Kettenhersteller aus Deutschland ab.
Die Ankerkette, dieses wohl wichtigste Ausrüstungsteil, an dem ein beachtlicher Teil unseres Vermögens hängt, sollte absolute Sicherheit garantieren.
Deshalb dachte ich mir, hier darf man nicht sparen, da muss schon das Beste her - Made in Germany: vom Germanischen Lloyd zertifiziert, aus hochwertiger Legierung 1.4571, A5, 316 ti lauten die vielen fachmännischen Bezeichnungen. Das Beste was es so auf dem Markt gibt, sollte für uns nur gut genug sein. Das gute Stück - auch „Südseeausführung“ genannt - hat die höchste Qualitätsstufe, die diese Firma bieten kann, lauteten meine Informationen vor Ort.
Gekauft bei Budget Marine in Sint Maarten, kamen die 100 Meter deutscher Qualitätsarbeit nach einigen Verhandlungen endlich an Bord und wir waren stolze Besitzer einer Edelstahlkette.
Schön, wie sie in der Sonne glänzte und geschmeidig in den Kettenkasten unserer Amel glitt. Doch die Freude hielt nicht lange. Nach einer Nutzungsdauer von nur 9 Monaten, zeigte das viele tausend Euro teure Stück massiven Lochfraß an vielen Gliedern und andere Kettenteile begannen sich bereits aufzulösen. Wie man sich vorstellen kann, fielen wir aus allen Wolken.
Hätten Sie, liebe Leser und Yachtbesitzer, nicht auch schon einschlägige Erfahrungen gemacht, so gingen Sie jetzt bestimmt davon aus, dass ein renommierter Händler wie Budget Marine und ein ebenso renommierter Hersteller aus Deutschland, diesen unfassbaren Fabrikationsfehler mit tausend Entschuldigungen umgehend beseitigt hätte.
Allerdings war dem nicht so und so erlebte ich in den nächsten Wochen wiederholt jeden Tag dieses Gefühl, meine Stirn sei mit besagter Tätowierung versehen.
Budget Marine erklärte uns, dies sei ein Fall für den Hersteller - und der „Hersteller“ wiederum, erklärte sich nicht zuständig, weil er gar nicht der Hersteller sei, sondern in diesem Fall als Großhändler fungiere und der Kaufvertrag ja zwischen uns und Budget Marine abgeschlossen worden sei.
Auf meine Einwände hin, dass wohl kaum ein Händler in der Karibik für den Lochfraß und die mangelhafte Verarbeitung einer in Deutschland produzierten Kette die Verantwortung übernehmen könne, schoss ein „hochqualifizierter und hellsichtiger“ Mitarbeiter der besagten deutschen Firma mit seinem Kommentar den Vogel ab. (Wieder beschleicht mich dieses Gefühl der tätowierten Stirn!)
So stellte er doch allen Ernstes anhand unserer Fotos der beschädigten Kette fest, dass es sich dabei um keinen Materialfehler handeln könne, vielmehr sehe es aus, als ob der Kunde die Kette nicht mit Süßwasser gespült hätte sondern nur mit Salzwasser. Hatte sich da vielleicht eine „Chiemseeausführung“ in die Karibik verirrt??
Jedenfalls kamen nach unserer Reklamation von Seiten der deutschen Firma allerlei unsinnige Erklärungen wie so etwas passieren könne. Von Vermutungen über Konstruktionsfehler beim Ankerkasten bis hin zu falscher Montage der Ankerwinsch, war alles dabei.
Die Korrespondenz diesbezüglich dauerte über 2 Monate. Man hat mich angewiesen die Kette zu zerschneiden und Teile davon nach Deutschland für eine Untersuchung zu schicken. Nun saßen wir in einer Marina in Norfolk, Virginia, fest und bekamen keine Informationen wie weiter vorzugehen wäre. Wird uns eine neue Kette geschickt oder bekommen wir unser Geld zurück???
Nach Wochen von Zermürbungstaktik und unzähligen Mails lenkt Budget Marine endlich ein und schreibt mir den Betrag für die Kette auf meiner Kreditkarte gut.
Klingt erst mal nach Happy End!
Aber in dieser Zeit hatten wir einen beachtlichen Aufwand an Marina- und Mooringgebühren, da wir der Kette ja nicht vertrauen konnten und dadurch waren wir auch in unserer Reiseplanung stark beeinträchtigt.
Doch das interessierte natürlich niemanden!
Ich frage mich allen Ernstes, was wohl mit einem großen Unternehmen außerhalb der Yacht-Branche, egal ob McDonalds oder Mercedes, passieren würde, wenn es mit solch minderwertiger Produktqualität nicht nur Hab und Gut, sondern unter Umständen sogar das Leben seiner Kunden gefährden würde..... ????
Während ich mir diese Frage stelle, schaue ich in der Nasszelle unserer Yacht nochmal mein durch den Ärger der letzten Monate zerknittertes Gesicht im Spiegel an und kann bereits Spuren einer Tätowierung auf der Stirn erkennen…
Die Bilder sollen einen Anstoß dazu geben sich den Ankauf der richtigen Ankerkette gründlich zu überlegen. Übrigens, sollte jemand glauben, meine Fantasie wäre mit mir durchgegangen: Wir haben eine Mailsammlung der „gestammelten“ Werke dieser Korrespondenz auf unseren Computern!
Hannes und Sabine FRÜHAUF
Anmerkung
Bobby Schenk:
Der mit über 400000 Seemeilen wohl erfahrendste
Fahrtensegler Bardiaux verwirklichte sich den Traum vieler Blauwassersegler.
Er baute sich seine Yacht INOX komplett aus "Nirosta", was er später als
seinen größter Fehler sah, denn die "nichtrostende" Yacht hätte
derart viele Löcher bekommen, dass er beim Zuschweißen zentnerweise
Elektroden verbraucht hätte. Warum sollte es bei einer "Niro"-Kette
anders sein? Obiger Bericht von Hannes und Sabine
Frühauf betätigt dies.
In einem
Punkt aber täuschen sich
Hannes und Sabine: Nach meinen Informationen werden die
Niroketten, jedenfalls für einen großen deutschen Zubehörhändler, in China
hergestellt. Und: "Verschiedene Metalle" sind auch
Schweißnähte der Kettenglieder oder der Anker." Für
Charteryachten und Yachten, die gelegentlich ankern, ist eine Nirokette bei
penibler und regelmäßiger Kontrolle eine
schöne Sache. Vor allem, wenn sie im Kettenkasten bei Nichtgebrauch mit
Süßwasser abgespült wird.
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