In
den Wind gesprochen (70):
Die Elektrosegler (70)
Ankündigung eines grandiosen Segelrekordes bei der YACHT:
"Ohne fossilen Treibstoff mit einem Boot einmal um die ganze Welt fahren – dass dies mit einem normalen Fahrtensegelboot möglich ist, will Langfahrt-Ikone Jimmy Cornell zeigen."
Ohne Häme: Die Unternehmung, mit einem bekannt rasanten Katamaran (mehr als eine "normale Fahrtenyacht"), nämlich einer Outremer, auf einer doch recht anspruchsvollen Route (Patagonien) um die Welt zu segeln, ist gescheitert. Die Crew, darunter Jimmy Cornell (Foto), unter anderem genialer Erfinder der Atlantic Rally für Cruisers (ARC), hat aufgegeben. Und warum? Statt das Heckwasser um die Welt zu ziehen, endete der Törn schon dort, wo es eigentlich erst so richtig losgehen sollte, als die Yacht in Ceuta (Spanien) einlaufen musste, um am Landstrom die Batterien zu laden. Es war vorbei, ohne, dass der rassige Katamaran defekt gewesen wäre, ohne einen Mastbruch, ohne einem anderen "Notfall".
Nanu? Handelt es sich bei diesem Kat nicht um eine bekannt tüchtige und schnelle Hochsee-Segelyacht? Einer Weltumsegelung nicht gewachsen?
Nein, das alles hat mit der schönen Yacht nichts zu tun. Das Unternehmen ist gescheitert am Unvermögen, ausreichend Strom in die Batterien zu pumpen. Die Absicht war zu beweisen(!), dass es möglich ist, die Welt zu umrunden, ohne Diesel oder Benzin zu verbrennen. Dass dies schief gegangen ist, liegt nicht daran, dass die Outremer-Yacht, ein prima Fahrtenyacht für Betuchte, ungeeignet gewesen wäre. Die französichen Fahrtenkatamarane haben auf Weltumsegelungen schon häufig Ihre Hochseetüchtigkeit mit rasanter Segelspeed bewiesen. Die geplante Weltumsegelung ist auf den ersten Meilen deshalb krachend schief gegangen, weil die beiden Schrauben mit Wellengenerator auch bei sechs bis acht Knoten Schiffsgeschwindigkeit nicht genügend Strom fabriziert haben, um die hungrigen Batterien bei Laune zu halten. Ja, und?
Man wird ja noch fragen dürfen, wo das Problem für eine Weltumsegelung ist, wenn die Crew einer potenten Segelyacht die zwei Kühlschränke, die elektrischen Winschen, den Inductions-Herd oder die Mikrowelle (alles an Bord) nicht mehr betreiben kann?
Zugegeben, ich bin etwas allergisch, wenn per Segelboot was bewiesen werden soll, was eigentlich mit einer Hochseeyacht nichts, aber rein gar nichts zu tun hat, sei es auf die Verschmutzung der Meere hinzuweisen, sei es, um gegen Kinderarbeit zu protestieren und so fort. Oder eben, dass fossile Brennstoffe an Bord überflüssig sind.
Und außerdem: Die Unternehmung des erfahrenen und extrem erfolgreichen Cornell war von vorneherin ein Flop, denn diese Outremer wäre bei weitem nicht die erste Yacht gewesen, die die Welt ohne fosssile Treibstoffe, nur unter Segel oder mit Elektroantrieb umrundet hat.
Bei unseren Blauwasserseminaren, besetzt durch ernsthaft Interessierte an einer Langfahrt (mindestens) oder einer Weltumsegelung kommt unter Garantie jedes Mal die Frage eines Segelelevens, was ich von einem Elektroantrieb halte? Meist weise ich dann auf die überaus schleppende, jakrzehnte lange Entwicklung ansonsten ausgereifter Autos hin, was aber nie überzeugt, selbst wenn alle meine Zuhörer mit Benzin oder Diesel im Straßenverkehr rumfahren. Oft kommen dann so zaghafte Hinweise, dass "heute" Solarzellen viel effektiver sind oder dass die Wellen- oder Windgeneratoren eine Batterie für den E-Motor leicht laden und so fort.
Warum denken die über einen E-Antrieb beim Segelboot nach, wenn sie sich nicht mal so recht ans Elektroauto trauen, wie die vergleichsweise mageren Stückzahlen beweisen? Die Erklärung ist einfach: In den meisten Träumern, ja vor allem in den meisten Hochseeseglern mit eigener Yacht (die ja regelrecht zum Basteln einlädt), steckt ein kleiner Thomas Alva Edison, der halt ganz früh dabei sein will, gegen die Klimakatastrophe zu kämpfen, also eine bessere Idee zu haben als alle Kfz-Ingenieure der Welt zusammen. Das geniale Ei des Kolumbus bleibt halt dem Genuesen für immer vorbehalten
Jimmy Cornell kann sich mit dem Gedanken trösten, dass ähnliche Vorhaben schon häufig daneben gegangen sind. Ich denke an ein hiesiges Unternehmen, das eine Weltumsegelung mit Solarstrom ankündigte. Das Schiff kam nicht einmal übers Mittelmeer hinaus. Trotzdem wir auch noch Jahre danach von der Weltumsegelung dieser Yacht "allein mit Hilfe der Solarzellen elektrisch um die Welt", gesprochen.
Ein Beweis aber ist Jimmy Cornell doch gelungen - wenn auch ohne Absicht. Den Gedanken, eine Weltumsegelung auf elektrisch durchzuführen, kann man sich abschminken. Für jene, die bis heute mit einem elektrischen Antrieb geträumt haben, kann die Erkenntnis aus dem Cornell'schen Unternehmen ein großer Vorteil sein, denn sie ersparen sich womöglich die Enttäuschung ihres Lebens und sehr, sehr viel Geld, was die im Internet berichteten reumütigen Motorumbauten auf Diesel zeigen.
Übrigens: Weltumsegelungen ohne Diesel sind ein alter Hut. Schon vergessen? Joshua Slocum, der Vater aller Fahrensegler war selbstverständlich mit seiner Joshua schon im 19. Jahrhundert ohne "fossilen Treibstoff" (das klingt viel wissenschaftlicher als das böse Wort vom "Diesel") unterwegs. Wie das? Sehr einfach, er hat mit seinem Boot gerade das gemacht, für was das Schiff gebaut wurde: Er ist um die Welt gesegelt. Deutlicher: In den 50er Jahren war es die Regel, dass Fahrtenyachten um die Welt gesegelt sind, ohne einen Verbrennungsmotor an Bord zu haben - heute die Ausnahme, aber solche Reisen finden immer noch statt, freilich mit Seemännern an der Pinne wie der Amerikaner George mit seinm selbtsgebauten(!) Holzboot "Scud" .
Aber die hatten alle ja auch keinen elektrischen Antrieb?
Auch damit kann ich dienen: Annegret und Sven haben im Jahre 1990 die Welt
mit Ihrem Segelschiff Raroia gekauft in der DDR für 6000 Mark(!), umrundet, fast immer unter Segel, aber auch unter Motor. Und zwar einem 10-KW-Elektromotor (den Annegret gerade in den Händen hält). Also genauso, wie Jimmy Cornell geplant hatte, ohne fossile Treibstoffe. Der Unterschied zu Cornell: Sie haben den Kreis um die Welt geschlossen, sind also die wirklich ersten, die elektrisch (und mit Hilfe vom Wind) um die Welt gefahren sind. Eine Sensation unter dem Blickwinkel der Cornell-Unternehmung, allerdings still und leise ohne großspurige PR.Wie es zu dem bescheidenem Ehepaar eben passt.
All das in den Wind gesprochen? Sicher! Denn morgen liegt bestimmt in der Mailbox die Frage: Was halten Sie von einem elektrischen Antrieb? Meine Antwort: "Nichts! Und das gilt auch für die nächsten 20 Jahre."
Bobby Schenk
P.S.Genau so ist es gekommen: Ein Mail erreichte mich "morgen" mit dem bemerkenswerten Satz: "...es gibt durchaus positive Stimmen zum Langfahrt segeln mit Elektromotor!". Ich hab dem Schreiber recht gegen: Es gibt zahlreiche Stimmen. Aber keine Lösungen für ein Problem, das in der Praxis ja gar nicht existiert. Und den Nichtpraktiker nur verunsichert bei der Suche nach einer Segelyacht.
Page by Bobby Schenk
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