In
den Wind gesprochen (64):
Wie schwierig ist weltumsegeln?
Hier geht es nur ums Segeln im wörtlichen
Sinne, nicht um die tausend anderen Dinge, die bei einer derartigen
Unternehmung, oder besser gesagt
bei einem solchen "Lebensabschnitt" zu
berücksichtigen ist.
Wer hierzulande fahrtensegeln kann, tut sich leichter...
Gehen wir mal davon aus, dass der gesunde (körperlich!) Aspirant auf seiner eigenen Yacht 10 bis 15
Meter langen Yacht schon mal größere Touren über unsere heimischen Gewässer (Ostsee, Nordsee,
Mittelmeer) gemacht hat, so wird man ihm für's Umsegeln der ganzen Welt nicht mehr viel beibringen müssen. Er wird nahezu jedes Ziel,
jedenfalls auf der Passatroute, anpeilen können. Und wenn er gar schon in der
Nordsee mit dem Tidenkalender in der Hand rumgekurvt ist, wird er es gerne
hören, dass es schwierigere Reviere, was die Navigation, ja auch das Wetter
anbetrifft, kaum gibt. Rein seglerisch hat er sicher keinen
Nachholbedarf. Selbst derjenige, dem die Gewässer im Kanal zum Beispiel zu fremd
und damit zu riskant waren, sollte sich dadurch nicht dadurch von einer Weltumsegelung
abhalten lassen, denn Tidengewässer auf dem Passatweg um die Welt sind selten.
Und wenn man diesbezüglich Befürchtungen hat, muss man ja nicht unbedingt bei
starken Strömungen nächtens navigieren, sondern man verkneife sich halt diese
Gewässer.
So haben es zum Beispiel die Kochs (erstes deutsches
Ehepaar rundum) mit ihrer KAIROS einmal gemacht, die sich das
Einlaufen in ein Südseeatoll verkniffen haben. Wobei man aber nie vergessen
darf, dass solche Segler damals mit Logge und Gestirnen, vielleicht noch mit
dem Peilkompass navigieren mussten. Kein Vergleich, sondern nur ein Hinweis:
Während in Europa schon mal Gewässer zu durchqueren sind, wo die Unterschiede
zwischen High Tide und Low Tide an die 10 Meter erreichen (und sich daraus
reißende Ströme von 5 bis 10 Knoten ergeben können, ist der Tidenhub in den
Weiten des Südpazifiks durchgehend im Schnitt bei 1,50 Meter, bei Vollmond oder
Neumond wohlgemerkt. Woraus sich meist Schwierigkeiten beim Trockenfallen fürs
Antifouling-Streichen ergeben.
Lange Seemeilen...
Also, wer hierzulande Segeltörns erfolgreich durchführt, ist weitgehend auch
für eine
Weltumsegelung gewappnet. Anders sieht es aus, wenn auch nur die geringste
Empfindlichkeit beim Skipper oder der Crew gegen Seekrankheit besteht, was
durchaus wahrscheinlich ist. Denn es ist ein Riesenunterschied, vor allem psychisch,
ob ein Tagestörn, auch durch schwierigste Revierestattfindet, wo sozusagen
als Belohnung am Abend der sichere Platz im Hafen, noch besser in der
gemütlichen Hafenkneipe, winkt oder ob die nächste schattenspendende Kokospalme
bestenfalls in drei Wochen am Horizont auftaucht. Die
Länge trägt hier die Last.
In dem wunderbaren Buch von E.J.Koch mit dem glasklaren, treffenden Titel
"Hundeleben in Herrlichkeit" ist oft die Rede von der Bordroutine, die sich nach
ein paar Tagen auf See wieder einstellte. Wie wahr, bis dahin ist das Segeln,
das Wachegehen, die gelegentliche Arbeit am Ruder je nach Charakter, nicht aber
nach Segelerfahrung, nämlich mühsam, belastend und ermüdend, vor allem unter
den Auswirkungen der diversen Vorstufen der Seekrankheit (Müdigkeit, Lustlosigkeit,
Appetitlosigkeit etc) und erst recht unter dem Einfluss von Medikamenten gegen diese Geißel
aller Seefahrer. Erst wenn man sich, meist nach ein paar Tagen auf See,
wieder unter dem Schirm der Bordroutine befindet, wird das Segeln erträglich und
bald darauf wird sich normales Wohlbefinden einstellen. Erst danach wird man das
Leben an Bord auch
wieder genießen können. Nebenbei: Chartersegler, die jeden Abend
im Hafen wieder den aufrechten Landgang suchen, sind dagegen arm dran, denn am
nächsten Morgen beginnt das Spiel von vorne. Viele die meinen, sie würden
"immer" seekrank erleben ein Wohlbefinden an Bord ja nie, weil Sie nach dem
Hafenaufenthalt am nächsten Morgen von Neuem anfangen müssen, sich an die
Schiffsbewegungen zu gewöhnen.
Gentlemen don't sail to windward...
An was sich aber auch die "gelernten" Segler sicher gewöhnen müssen und was
wahrscheinlich neu für sie ist, sind die auf einer "normalen" Weltumsegelung
vorherrschenden Vorwind-Kurse (oder zuminndest
fast vor dem Wind) die unter allen wählbaren Kursen zum Ziel fast das Normale,
weil Wirkungsvollste
sind. Und damit handelt sich der Skipper das Rollen unter Segel ein, das auf
Monos, logisch, besonders ausgeprägt ist. Denn Weltumsegelungen
werden zu 90 Prozent vernünftigerweise immer auf Kursen ablaufen, die seit
Menschengedenken für Segelboote die günstigsten sind, und das sind die
vor dem
Passatwind. Wem das nicht eingeht, schaue sich zum Beispiel mal die Kurse von
Non-Stop-Ost-West-Weltumsegelungen von Fahrtenyachten unter dem knackigen Motto
"gegen Wind und Strömung" an: Abgesehen davon, dass hier geradezu unglaubliche
Leistungen vollbracht werden, stellt man zum Beispiel bei genauerem Hinsehen
fest, dass fast alle dieser Yachten an der Südspitze von Südamerika zwar
notgedrungen in den Furious Fifties gegen die Westwinde (und deren
verursachte Strömungen nach Ost)
segeln mussten, dass sie aber nach Rundung von Kap Hoorn
wieder auf
nordwestliche Kurse gegangen sind, um Zipfel des Südwest-Passats und damit
achterlicher Winde zu erhaschen.

Klar, auch auf der Ostsee oder auch im Mittelmeer segelt man auch
schon mal vor dem Wind ab, oft unter Spinnaker. Aber die
Dünung von achtern, die
ja für das Rollen verantwortlich ist, kann sich in relativ geschützten Gewässern
des Mittelmeers gar nicht richtig aufbauen im Vergleich zu der
meterhohen See,
die auf dem offenen Atlantik von achtern heranrollt - und dies unter Umständen
tagelang.
Es ist ein großer
Unterschied, ob man 20 Knoten wahren Wind von achtern in den genannten durchs
Land begrenzten Gebieten hat oder bei der Atlantiküberquerung mit Land in
tausend
Meilen Entfernung achteraus. So kann sich nämlich eine gewaltige See aufbauen,
die, so man noch nicht an den Anblick am Anfang gewohnt ist, schon mal
erschreckend hoch sein kann, bis sie dann (scheinbar) unter der Yacht durchrollt.
Eben Gewohnheitssache und erst richtig schön, wenn sich Bordroutine wieder
eingestellt hat!
Umgekehrt wird man aber Kursen gegen den Wind nach Möglichkeit
aus dem Wege gehen, denn die bringen nichts oder ganz wenig an Luvgewinn, müssen
aber mit viel Stress für Schiff und Mannschaft bezahlt werden. Die in den
Prospekten so überzeugend wirkende erreichbare "Höhe am Wind" ist auf der offenen
See
mit entsprechender Dünung jedenfalls bei trägen schwerbeladenen Fahrtenyachten
nichts wert, weil sie, wenn man den tatsächlichen Luvgewinn ausrechnet, durch das
Gegenanbolzen, wie der Name schon sagt, die Fahrt der Yacht durchs Wasser in die
sehr tiefen einstelligen Bereich reduziert und die Yacht mit Hilfe des erzwungen
Abfallens dann erst wieder Speed aufnehmen muss, bevor sie
in die nächste Welle
kracht. So sind wir mit unserer schweren THALASSA II, einer 20 Tonnen schweren
15-Meter-Stahlyacht mal mehrere Wochen von Argentinien im Atlantik Richtung
Azoren gegenan
gebolzt und haben in der Regel eine Tagesetmal nach Luv von ca 15 Meilen
geschafft, obwohl dieses gemütliche Fahrtenschiff unter günstigen Bedingungen
vor achterlichem Wind für Etmale an der 200-Meilen-Grenze gut war.
Was nicht an Bord ist, kann nichtkaputt gehen...
Die eigentlichen Schwierigkeiten einer Weltumsegelung liegen also nicht so sehr
beim Segelbedienen und Steuern. Und damit rechnen wenige, wie sollten sie auch,
wenn sie noch keine eigenen, meistens bitteren Erfahrungen gemacht haben. Es ist
unsere
Ausrüstung, was unterwegs am meisten Sorgen macht. An erster Stelle steht dabei natürlich die Yacht
selbst mit ihrer mehr oder weniger umfangreichen Ausrüstung. Man lasse sich nicht durch den dummen, aber viel benutzten
Verkäuferspruch verdummen: "Ja, das war vor vielen Jahren, aber jetzt ist alles
besser und vor allem zuverlässiger geworden." Das mag für manches Detail schon
richtig sein, im Gesamten aber ist das Ergebnis gleich geblieben: "Weltumsegeln heißt, sein Schiff an den schönsten
Ankerplätzen der Welt
reparieren!"
Vor vielen Jahrzehnten, in den Neunziger Jahren und später, als das
Fahrtensegeln so richtig populär wurde, hat man sich mit kleinen Yachten (aus
heutiger Sicht) begnügt. Vieles an Bord war noch nicht ausgereift, ich denke da
an die ersten Rollfocks, an die elektrischen Ruderautomaten, ja an die
Elektrik
selbst mit ihrer Empfindlichkeit gegen die (damals) unvermeidliche
Seewasser-Feuchtigkeit und vor allem an die "Hilfsmaschine" oder
den "Flautenschieber" - man genieerte sich damals noch des
Motorengebrauchs.
Die Yachten waren kaum größer als 10 bis 12 Meter, hatten also viel weniger an
Ausrüstung dabei als die heutigen großen Fahrtenyachten mit zahlenmäßig kleiner
Besatzung. Also konnte andererseits auch
weniger kaputtgehen.
Mit heutigen Yachten kann das nicht mehr passieren...
Ja, aber unsere Yachten sind doch heute so wunderbar ausgereift? Aber eben
nur für den "normalen" Gebrauch, also für die
Urlaubs- und Wochenendsegelei.
Stellen Sie sich vor, sie würden von Ihrem Auto, nehmen wir mal beispielsweise
den Smart, nicht hunderttausend Kilometer abverlangen, was er wahrscheinlich
einigermaßen schafft, sondern fünfhundertausend Kilometer. Sicher
ein gutes Auto für den Hausgebrauch, aber wahrscheinlich nicht für diese
Langzeitbelastung gebaut.
Ähnlich steht es mit unseren Yachten. Ihre
erwartungsgemäßen Leistungen sind ja, ganz grob geschätzt, 20 oder 30
Segelsommer. Wenn jemand pro Saison etwa an die 500 Seemeilen absegelt, ist er schon ganz schön eifrig. Eine Weltumsegelung beträgt auf der Passatroute (die
anderen Wege um den Globus sind kürzer) an die 25 Tausend Meilen. Das entspräche etwa 50 Jahren, wenn man die durchschnittliche Benutzung einer Privatyacht
zugrunde legt. Und in 50 Jahren geht halt viel mehr kaputt als in 20 oder 30
Jahren.
Fast allen damaligen und auch heutigen Berichte von Weltumseglern ist das
Jammern über die Reparaturen an
exotischen Orten mit den dort üblichen Lieferzeiten für Ersatzteile gemein.
Solche Widrigkeiten
erwartet der Südseeträumer aber zunächst nicht. Dabei ist es sicher besser, sich vorher innerlich
darauf einzustellen, als hinterher enttäuscht zu sein. Nicht wenige
Weltumsegelungen sind deshalb gescheitert, zahlreiche Yachten wurden vorzeitig
verkauft, weil die Mannschaft schlicht durch diese Schwierigkeiten - Reparaturen
ohne Fachpersonal und extrem schwierige Ersatzteilbeschaffung - so genervt war,
dass sie das Handtuch geworfen hat. Die Konsequenz aus dieser Erkenntnis kann
also nur sein, seine Yacht für die Weltumsegelung so auszurüsten, dass
nur wenig
kaputt gehen kann. Das gilt erst recht, wenn man meint, man habe zwei linke
Hände. Letzteren sei aber gesagt, dass es faszinierend ist, wie effektiv
meistens gerade die angeblich so Ungeschickten selber reparieren können, wenn
sie nur müssen.
Denkt man darüber nach, wie man seine Yacht für eine Weltumsegelung ausrüsten
soll, ist es ratsam, sich zu erinnern, wie das die ersten Weltumsegler
getan haben. Nehmen wir das Weltumsegelschiff der Kochs: 9-Meter-Stahlyacht, Kompass und Sextant
für die Navigation, keine
Selbststeueranlage dafür Passatsegel, kein Speedometer, kein Sender, kein
Kurzwellenempfänger, von Radar ganz zu schweigen, 10-PS-Hilfsmaschine (Benzin),
Petroleumlichter. Oder Eic Hiscock: Wanderer III war ein Holzboot, kürzer als 10
Meter, mit Passatsegel für Vorwindkurse. Ausrüstung, wie damals üblich: Radio-Empfänger, Kompass, Sextant, Windsteueranlage,
Petroleumkocher, Kühlschrank, Eimer für Toilette, kein Kühlschrank, kein
Aussenborder, von wegen Plotter und so...
Glaubt nicht, dass
damals eine Weltumsegelung leichter war! Die See war die gleiche wie heute, aber
die Seekarten waren (zu) teuer und manchmal ungenau (Hausner verlor seine erste TABOO
auf einem nicht in der Karte verzeichneten Riff), keine Wetterberichte, kein GPS, kein AIS, kein Steuerautomat,
kein Radar, erst recht kein Satelliten-Telefon und so fort.

In einem Jollenkurs lernt man eben Segeln von Grund
auf...
Einen unerbetenen Ratschlag an diejenigen, die sich bereits eine Yacht
angeschafft haben, ohne segeln zu können (auch wenn sie es wahrscheinlich glauben), kann
ich mir nicht verkneifen. Dieser Fall ist nämlich gar nicht so selten, denn wenn man Prioritäten für die
Zukunft
setzen will, wird man sich sagen, dass es wahrscheinlich schwieriger ist, zu
einem Schiff zu kommen, als Segeln zu lernen. Richtig! Aber was dann, wenn die
Yacht schon auf einem teuren Liegeplatz schaukelt und
auf die
Abreise wartet? Da gibts nur eins: Die ersten Schritte mit erfahrenen Mitseglern
oder befreundeten Skippern durchzuführen. Den oft gehörten Rat für solche Fälle,
erst mal einen Jollenkurs durchzuziehen, finde ich falsch. Der zukünftige
Weltumsegler leidet nämlich sicher in erster Linie unter Zeitnot. Und da stört
ein zeitlich aufwändiger Jollenkurs, der gar nichts für die Dickschiff-Segelei
bringt. Yachtsegeln hat nämlich mit Jollensegeln
soviel zu tun, wie Radfahren mit Autofahren, nämlich kaum was. Ganz wichtig
ist dagegen ein Mitsegeln unter einem erfahrenen Skipper bei einem langen
Hochsee-Törn über größere Strecken, also auch
mit mehreren Nachtfahrten hintereinander. Das idealste wäre die Teilnahme an einem
Überführungstörn, wie ihn zahlreiche Charterfirmen anbieten, was ich für
die beste Segelvorbereitung auf ein Weltumsegelung
halte. Ohne eine solche Erfahrung
wird man wahrscheinlich viel Lehrgeld zahlen müssen, wenn es darum geht,
weltumsegeln zu lernen!
In den Wind gesprochen?
Bobby Schenk

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