In
den Wind gesprochen (62):
Was soll an
einem Schiffs-Diesel schon kaputt gehen?
Haben Sie schon mal von einem
Bekannten gehört, der mit seinem PKW nicht mehr weiterfahren konnte, weil der
Wagen "liegengeblieben", der Motor kaputt gegangen ist? Wahrscheinlich
nicht, denn vielen PKW-Typen sagt man nach, dass sie sozusagen unkaputtbar sind.
Wenn der TÜV nicht dreinfunkt, wird man wohl einem der heutigen PKWs an die
200 Tausend Kilometer ohne Maschinenprobleme zubilligen, Taxis im rauen
Stadtverkehr mit unendlich vielen Stop-and-Go's mehr als das Doppelte!
Also, wie oft bleibt ein PKW liegen?
Und wie ist das bei Yachten? 200 Tausend
Kilometer entspricht einer Laufzeit von 2000 Stunden. Das schaffen die für uns
üblichen Motoren, ob sie nun grün oder dunkel sind, auch. Garantiert! Aber, das
mit dem "nicht liegenbleiben" stimmt nach meinen Erfahrungen überhaupt nicht.
Bei meiner ersten "Schiffsmaschine" hatte ich unendlich viele Stopps einzulegen,
wenn der Motor die Yacht durch die Flaute bringen sollte, weil aus
unerfindlichen Gründen entlüftet werden musste. Erst am Ende einer
Weltumsegelung entdeckte ein Mechaniker in
Spanien einen mikroskopisch kleinen Haarriss in der Treibstoffpumpe, über die
nicht nur Diesel, sondern auch Luft angesaugt wurde. Dass der Auspuff, damals mit vielen Lagen
Asbest umwickelt, jede Menge Löcher durch das eingespritzte Kühlwasser
kassierte, führte zwar nicht zu einem unerwarteten Stopp, doch gesundheitsfördernd
waren die Abgase, gefiltert durch die Asbestverkleidung des Auspuffs sicher
nicht. Rückblickend:das war lebensgefährlich!
Beim nächsten Schiff verursachte der Niro-Auspuffsammler durch zahlreiche Löcher wiederum zahlreiche
Schweissarbeiten in der Werkstätte mit entsprechender Liegezeit antriebslos auf
der Ankerreede, es führte letztlich zu einem Austausch des viele tausend Mark teuren
Auspuffsammlers.
20 Jahre später - Sie kennen sicher die
einlullenden Verkäufersprüche wie "ach, vergessen Sie es, das war früher so" oder "heute ist das ganz anders" -
nunmehr waren dann
zwei Motoren, einer pro Rumpf brachte jedoch bei Weitem nicht die doppelte Zuverlässigkeit. Angefangen hatte der Ärger damit, dass die Halterung
der Lichtmaschine an einem der Diesel und damit der Alternator wegbrach. Kein
großes Problem, schließlich hat man ja auf einem Kat die Reserve in Form der
anderen Maschine. Weiter ging es mit metallfressendem Seewasser im Saildrive
(schon mal gecheckt? Einige werden staunen!), ein besonderes
Problem, wenn der nächste geeignete Travellift 500 Seemeilen entfernt ist und das versaute Öl nur von
unten her abgelassen werden kann -
hier hab ich die Lösung des
Problems beschrieben!
Dann das
"Übliche": Beide Wärmetauscher für die Maschinen hatten sich zugesetzt.
Nach der Reinigung wurde der Wärmetauscher durch einen gelernten Maschinen-Mechaniker
eingesetzt, die Folge: Wasser in der Auspuffleitung mit anschließendem
- der Fachmann ahnt es bereits - Explosionsknall beim Starten der
Maschine - der komplette K.O für den Motor. Reparatur-Kosten wiederum ein
hoher vierstelliger Betrag. Immerhin geriet bei diesen Malheurs das Schiff nie in
Gefahr - der zweite Motor musste immer einspringen!
Beim Katamaran hat man immer eine Maschine "in Reserve"?
Dass auch dieses Prozedere, immer nur eine Maschine benutzen, keine totale
Absicherung ist, zeigt der
nächste Zwischenfall, der leicht zum endgültigen Gau hätte führen können: Wir
motorten, wie üblich, unter einer (Spritersparnis!) Maschine mit dem Kat bei absoluter Flaute in Huahine
(Gesellschaftsinseln - siehe Foto) am Riff entlang zum Ankerplatz, als der Motor plötzlich
ausging. Kein Problem, denn wir brauchten ja nur die zweite Maschine zu starten,
um nicht in der Windstille liegenzubleiben und vor allem, um uns von der
Strömung freizuhalten, die unseren Kat aufs Riff zutrieb.

Denkste! Zu unserem Entsetzen trat schon nach ein paar
Meilen unheimliche Stille ein, der übriggebliebene Diesel war ebenfalls
stehengeblieben. Kein gutes Gefühl, bei spiegelglatter See
und leichter Strömung zum Riff so hilflos dazuliegen. Nur weil die über Funk
herbeigerufenen deutschen Segelfreunde kurz darauf mit ihrem Katamaran HARLEKIN
aufkreuzten, gaben sie uns das Gefühl, dass sie im Notfall eingreifen könnten.
In diesem Fall waren nicht direkt die Motoren schuld, sondern das gesamte
Kraftstoffsystem, welches mit Bakterien (="Black death") zugesetzt war.
Wohlgemerkt, nicht nur die Filter, sondern auch die Kraftstoffzuleitungen und trotz regelmäßig zugesetzten "schützenden"
schwefelhaltigen Additiven! Das hätte
leicht mit einer Katastrophe enden können.
Hab ich da nicht etwas viel Pech gehabt? Hab ich die
Maschinen etwa vernachlässigt? Eher das Gegenteil war der Fall, vieles hatte ich
"vorsorglich" unternommen, vielleicht dem Grundsatz zuwider gehandelt: "Never
change a winning team"!
Maschinenanlage auf der Yacht nicht einsatzfähig - ein Einzelfall?
Bitte glauben Sie nicht, dass ich ein Einzelfall unter
den Blauwasserseglern gewesen war. Als ich einmal längere Zeit in einer Marina,
in der ausschließlich Langfahrtsegler auf ihren Yachten lagen, war, hatten mindestens
ein Viertel der vielleicht 250 Yachten Probleme mit der Maschine! Sie hätten so nicht
auslaufen können! Und das waren nicht etwa Segler, die ihre Yacht vergammeln
ließen. Auffällig war auch, dass es sich dabei um sehr populäre
Motorentypen gehandelt hat, also nicht etwa um irgendwelche Exoten aus Fernost
oder Ähnliches. Warum ist das so? Warum fahren wir mit derartig anfälligen
Maschinenanlagen herum?
Maschinenanlagen werden von der Werft gebaut, nicht vom Motoren-Hersteller!
Weil der Druck des Marktes auf die Hersteller der
Maschinenanlagen fehlt! Der Yacht-Markt ist ein Mini-Markt im Vergleich zum
Kfz-Sektor. Was sind schon in der Außenwirkung schon ein paar Yacht-Unfälle
wegen Maschinenausfall (Gott sei Dank mit meistens "nur" Sachschaden), die
deutlich in den Unfallberichten der Rettungsgesellschaften oder Versicherungen
aufscheinen gegen den berühmten Elchtest, bei dem mal ein(!) Auto von einem
erschrockenen Journalisten umgeschmissen wurde? Da ging ein Rumoren durch durch die führende Weltfirma
und den gesamten PKW-Bereich mit gigantischen PR-Aktionen und
Umstellungen in der Modellpolitik. Was kümmert es dagegen irgendjemanden (außer
dem betroffenen Segler), wenn ein Yacht-Diesel (präziser: Motorenanlage) zeitweilig den Geist aufgibt?
Der Schiffsmarkt ist halt für die Motoren-Industrie eine winzige Nische und
tatsächlich haben sich einige renommierte Autofirmen da schon die Finger
verbrannt und sich ganz schnell wieder zurückgezogen.
Und was ist die Lehre hieraus für uns Langfahrtsegler? Die Erkenntnis,
dass - siehe Überschrift - an der Maschinenanlage alles, aber auch wirklich
alles kaputtgehen kann! Schlimmer noch heutzutage: Auch wenn momentan(!) im
Maschinenraum alles o.k. ist, schützt uns niemand davor, dass die Maschine
plötzlich steht. Wo soll denn der Weltumsegler zum Beispiel in der Marowo-Lagune
(Salomonen) bakteriensicheren Dieselkraftstoff herkriegen. Womit soll der
Livaborder die langen Maschinenlaufzeiten beziehen, damit der Sprit im Tank
entsprechend oft umgesetzt wird und die bösen Bakterien, sich erst gar nicht in
den Filtern und(!) in den Dieselleitungen ausbreiten können?
Wahrschau - Maschine steht!
Es bleibt uns nichts anderes übrig und die Lehre hieraus heißt: Immer gewahr
sein, dass der Motor jederzeit stehen bleiben kann - oder eben abgeschaltet
werden muss.
Und wenn jetzt jemand mit dem Unsinn kommt: "Schließlich sind wir ja Segler auf
einem Segelschiff(!), dann sei erinnert, dass wir uns im 21.Jahrhundert
befinden, wo Blauwasseryachten, besetzt mit zwei Personen schon mal 13, 14 oder
15 Meter lang und 20 Tonnen schwer sind und die Yachten in der Flaute eben nicht
mehr zur Not per Riemen bewegt werden können, wie die früheren Kreuzeryachten
mit ihren acht oder neun Meter Länge in den fünfziger Jahren.
Als mich vor vielen Jahren Christoph Rassy, Chef der für ihre Langfahrtyachten
berühmten Werft wegen seiner bevorstehenden Weltumsegelung um Tipps bat und
vor allem mit der Frage insistierte, wo man denn unterwegs "sauberen" Dieselkraftstoff
unterwegs beziehen könne, da konnte ich mit dieser weitsichtigen Frage nicht
recht viel anfangen. Heute schon!
Für Herrn Rassy wäre diese Kolumne nicht in den Wind gesprochen gewesen.

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