In
den Wind gesprochen (60):
Wo die Welt am
schönsten ist..
Tausend Mal sind wir gefragt worden: „Wo hat es Euch bei Euren Segel-Reisen um die Welt am besten gefallen, wo ist es am schönsten?“
Keine leichte Frage. Zu viele subjektive Momente spielen da rein, und wenn endlich eine Antwort gefunden ist, kann das Ergebnis kaum auf andere Segler übertragen werden.
Ein Beispiel: Einige Jahre lebten Karla und ich auf Tahitis Nachbarinsel Moorea, einer Schönheit, die ihresgleichen sucht. Nach dem Pionier und Altmeister im Fahrtensegeln, dem Engländer Eric Hiscock, ist Moorea gar „die schönste Insel der Welt“. Was wir immer ähnlich empfanden. Eines Tages jedoch bekamen wir Besuch von unserem alten Segelfreund, dem weitgereisten Andreas aus Deutschland. Leider goss es in Strömen, tagelang, und Andreas suchte zu unserer Überraschung sehr bald das Weite; er nahm das nächste Flugzeug nach Mexiko. Seine Worte zum Abschied: „Moorea wünsch ich meinem ärgsten Feind nicht!“

Es kommt also bei der Suche nach dem „schönsten Platz“ nicht nur auf die objektiven Gegebenheiten an, sondern wohl in erster Linie auf die subjektive Wahrnehmung. Auf das, was einem halt wichtig ist, worauf man verzichten kann, wie hoch man gute Versorgungsmöglichkeiten, ja auch die Preise an Land, bewertet.
An erster Stelle nenne ich Französisch Polynesien, das wir viermal besucht haben. Die Kette der Tuamotus haben wir ganz durchsegelt, von Amanu angefangen bis Raiatea und Tahiti. Alle dortigen Inseln waren für uns kleine Paradiese. Toau mit dem damaligen Chef Taupiri war so, wie man sich eine Trauminsel in der Südsee vorstellt. Den ganzen Tag mit einem Dutzend
fröhlicher Menschen verbringen, täglich schnorcheln, die Fische in den Reusen für den Abtransport nach Tahiti verladen, tauchen im Pass, begleitet von großen, jedoch friedlichen Haien und abends zum Klang der Okulele den einschmeichelnden polynesischen Liedern lauschen. Vom offenen Feuer wurden die schmackhaftesten Kokosnusskrabben gereicht, die nachts zuvor von Taupiri und seinem Sohn auf der Nachbarinsel gefangen worden waren. Paradies pur! Als aber abends , es war noch nicht Beginn der Hurrikansaison, der Wind am Ankerplatz auf über dreißig Knoten zunahm, eine deutsche Yacht neben uns auf Drift ging, und eine 30-Meter-Charteryacht aufs Riff trieb, war es aus mit dem Paradies.
Es muss schon sehr viel zusammentreffen, wenn wir von dem „besten Platz“ reden. Yachtspezifisch sind dann die Ansprüche: An erster Stelle steht selbstverständlich immer die Sicherheit. Viele wunderbare Orte haben wir besucht, aber wenn der Ankerplatz rollig, nach einer oder zwei Seiten offen war, so dass die Dünung eintreten konnte, „als wäre sie hier zu Hause“- diese originelle Beschreibung hat Moitessier für unseren Ankerplatz in Hiva Oa auf den Marquesas Inseln gefunden -, dann ist es mit der Begeisterung für so einen Platz schnell vorbei. Gleiches gilt bei fehlenden oder unzureichenden Versorgungsmöglichkeiten. Heute ist es nicht mehr so dramatisch, weil auf vielen Südseeinseln Flugplätze gebaut wurden, aber bei unseren ersten Besuchen in den Tuamotus gab es zwar in jedem Dorf mit den paar hundert Einwohnern Supermärkte, fast immer in chinesischer Hand, doch beschränkte sich das Warenangebot in erster Linie auf Corned Beef in Konserven. Aber auch nur dann gab es genügend viel Dosennahrung, wenn das Versorgungsschiff, der Kopra-Schoner (so werden sie immer noch genannt, obwohl sie natürlich längst nicht mehr segeln, sondern mit schweren und sehr alten Gardner-Dieselmotoren die Wellen durchpflügen) die Insel fristgemäß anfuhr, weil er gerade mal nicht repariert werden musste. Nachdem in Hanamenu der Laden fast ausgeräumt war, kam Karla eines Tages vom Einkaufen zurück. Ihre Beute:
zwei Konservendosen, auf deren Etikett ein Hund abgebildet war, was ja nur zwei Möglichkeiten offenließ.

An Schönheit und Versorgungsmöglichkeiten liegen natürlich bei einer Bewertung Tahiti und die Gesellschaftsinseln ganz weit vorne. Aber: Eine Sorge bleibt auch dort immer: Wie oft wird das Visum verlängert und wie schauts in der Hurricanezeit aus? Wo ist das Hurricanehole und kriege ich dort einen Platz? Was macht El Niño?
Es wäre scheinheilig, zu verschweigen, dass selbstverständlich auch das Preisgefüge eines Gastlandes eine Rolle spielt. Es ist schon ein Problem, wenn man sich jeden Restaurantbesuch mit Blick in die Bordkasse überlegen muss oder jeden Tag in die Hütte an Land zum Essen rudert, weil dort das Essen billiger ist als an Bord. Und da kommt man an Asien nicht vorbei. Bali, ein beliebtes Ziel auf Blauwasserfahrt, faszinierte früher nicht nur durch den Reichtum an Kunstgegenständen (eine Faszination, die nachlässt, wenn man mehrere Tonnen davon gesehen und zum Teil gekauft hat), sondern auch durch die wohltuend niedrigen Preise, wenn man nicht gerade in den zahlreichen Touristenmassenzentren unterwegs war.

Australien mit seinen perfekten Versorgungsmöglichkeiten hat uns deswegen bestens gefallen, weil dort gerade für Yachten alles an Ersatzteilen und Handwerksleistungen zur Verfügung stand. Nicht billig, aber viel Gegenwert für die Ausgaben aus der Bordkasse!
Malaysien, speziell Langkavi am Ausgang der Malacca-Straße, wo wir uns nahezu fünf Jahre aufgehalten haben, hat uns in vielerlei Hinsicht zufrieden gestellt. Freundliche Menschen, die bei verschiedenen Glaubensrichtungen immer noch das Kunststück fertig bringen, friedlich nebeneinander her zu leben, gute medizinische Versorgung, beste Betreuung für Yachten, effektive Ersatzteilversorgung mit Slipmöglichkeiten, Tourismus, der sich im Gegensatz zum nördlichen Nachbarstaat Thailand in Grenzen hält und erträgliches Klima, jedenfalls außerhalb der Regenzeit, sind so die Stichworte, die mir hierzu einfallen. Halt, beinahe hätte ich es vergessen, und dabei ist dies doch einer der wichtigsten Vorteile dieses Reviers: Es gibt kaum Stürme, keine tropischen Orkane, was an der geographischen Lage in Äquatornähe liegt. Damit fehlt eine negative Spannung, die einem die Freude an manch anderen Plätzen wie zum Beispiel Westindien vergällt, denn diese Unsicherheit legt sich fast das ganze Jahr auf die Stimmung.

Es ist aber bei weitem nicht so, dass wir nicht auch in „unseren“ Revieren herrliche Plätze besegelt hätten. In erster Linie denke ich hierbei an die Türkei, die Gegend um den Golf von Fethye. „Besegelt“ trifft die Sache nicht ganz, denn wer sein Ziel nach vielen tausend Meilen auf ein sportliches Segeln legt, ist, jedenfalls im Sommer, in der Türkei fehl am Platz. Drückende Hitze und langanhaltende Flauten laden nicht dazu ein, das Sonnensegel abzuschlagen und die Segel zu setzen. Aber schließlich hat man ja den „Flautenschieber“, um die paar Meilen zur nächsten Bucht mit Kneipe am Strand zurückzulegen. Heißer Tipp: die Türkei, jedenfalls an der Küste, ist immer noch ein zauberhaftes, von tausendjähriger europäischer Geschichte geprägtes und ungefährliches Revier mit besonders liebenswerten Menschen, in dem man von den politischen Turbulenzen so gut wie gar nichts mitkriegt. Es ist schon einen Hinweis wert: Viele der Yachten, die in letzter Zeit fast panisch aus diesem wunderschönen Revier geflüchtet sind, kehren allmählich wieder dorthin zurück.

Wenn ich ein Resumee ziehen soll, wo es uns(!) am besten gefallen hat, dann ist dies selbstverständlich auch vom Aspekt der Kriminalität beeinflusst. Also: Reviere, die mich nie mehr sehen werden, sind Venezuela, Westindien mit Ausnahme der französischen Inseln und die Kapverden, wo wir
(und fünf andere Yachten) in einer Woche zweimal überfallen und um unsere Ersparnisse erleichtert wurden. Was nicht heißt, dass man in anderen Revieren allzu sorglos mit seinem Beiboot plus Außenborder oder mit offenen Luken umgehen sollte.
Jetzt aber, wenn ich mich auf das beste Revier nach so vielen Jahren und Ländern festlegen soll, gibt es – für uns - einen klaren Sieger: Malaysien – siehe oben!

Und welchen Schluss würde ich daraus ziehen, wenn ich nochmals die Segel für eine Runde setzen würde?
Ganz klar: In Westindien, besonders in den nichtfranzösischen Inseln, keine Zeit verlieren, sondern schleunigst durch den Panama-Kanal hindurch und viele Jahre in der Südsee oder in SE-Asien verbringen!
Und Plätze, vor denen wegen der hohen Kriminalität gewarnt wird, werde ich nicht mit dem albernen Argument verharmlosen, dass bei uns in Deutschland auch täglich Verbrechen geschehen, sondern sie um alles in der Welt meiden. Ein absolutes No Go!
Schließlich segeln wir doch in die Welt hinaus, um ihre Schönheit und
ihre Wunder mit Freude und in Frieden zu erkunden.
Hoffe, dass nicht alles in den Wind gesprochen ist!
Bobby Schenk

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