In
den Wind gesprochen (52):
Die
Erfolgs-Faktoren für eine Weltumsegelung
Kein Zweifel, Weltumsegelungen
sind zwar nicht gerade an der Tagesordnung, aber die gelungenen (nicht die "geglückten") haben nicht mehr
so viel Seltenheitswert wie noch vor
ein paar Jahren. Auf meiner Ehrentafel, Who-is-Who-im-Weltumsegeln, auf der
zahlreiche Weltumsegler mit Interviews vorgestellt werden, haben sich nunmehr fast neunzig
Crews versammelt, denen es gelungen ist, die Welt unter Segel zu umrunden. Eine
enorme Leistung und eib grandioses Erlebnis, von dem viele tausend Segler träumen. Wie kommt es
sonst, dass sich immer mehr Segelbegeisterte Yachten anschaffen oder zumindest
damit liebäugeln, die viel zu groß und damit zu unhandlich sind für unsere
Binnenmeere oder für einen Zwei-Wochen-Urlaub weit weg von zu Hause im
Mittelmeer? Weltumsegler bekommen (zu Recht) eine Ehrentafel und
sonstige Preise und erlangen so eine höchst positive Publicitiy.
Meist übersehen wird dagegen eine
viel größere Gruppe von Seglern, die ebenfalls auf Weltumsegelung gegangen
sind, von denen aber höchstens noch ein paar alte Bekannte, die Familie und
neidische Nachbarn sprechen. Es sind die, welche eine Weltumsegelung aus freien
Stücken abgebrochen
haben, oder aus welchen Gründen auch immer abbrechen mussten. Man findet sie in
vielen Häfen als besonders ortskundige (und damit durchaus geschätzte)
Segelfreunde: Kein Wunder, dass sie sich mit den Offiziellen, den billigen
Einkaufsmöglichkeiten, dem besten Autovermieter etc prima auskennen, hängen
sie doch seit Jahren im gleichen Hafen herum, gelegentlich ist ihr Dasein nur
unterbrochen von den notwendigen Visum-Runs per Yacht, per Schiff oder per Bus.
Niemals werden sie anderen gegenüber eingestehen, dass sie mal um die Welt
wollten. Nein, sie werden den derzeitigen Platz in den höchsten Tönen loben.
Aber insgeheim werden sie sich eingestehen (müssen), dass sie ihren Traum von
der Weltumsegelung nicht verwirklicht haben, dass sie sich das Ganze anders
vorgestellt hatten. Und nicht wenige meinen auch, versagt zu haben. Ja, dass sie
sich mit dieser Unternehmung einen Knacks fürs Leben eingehandelt haben.
Schuld ist meistens die falsche
Vorstellung von dem, was für eine gelungene Weltumsegelung notwendig ist, und sei es
auch nur, dass lediglich falsch gewichtet wurde, wie entscheidend die einzelnen Voraussetzungen sind. Nach
fast zwei Jahrzehnten auf dem Wasser unter Blauwasserseglern kann ich hier meine Wertung der einzelnen Faktoren für
eine gelungene Weltumsegelung abgeben. Auch wer nicht jedem Punkt zustimmt,
kann vielleicht Lehren für sich herauslesen, bevor er, bar eigener Erfahrung,
eine Weltumseglung mit der eigenen Yacht angeht.
Meistens reift der Gedanke an eine
Weltumsegelung, weil wir die Fortbewegung mit Hilfe der Natur, des Windes, also
schlicht das tagelange SEGELN, lieben. Wie schön könnte es sein, gar
wochenlang zu segeln, also ununterbrochen unserem Hobby nachzugehen. "Segeln mit dem großen
Löffel" hat dies Rudi Wagner in seinem unvergessenen Buch Weit, weit
voraus liegt Antigua genannt und tatsächlich hat er damit auch uns so für
die Idee einer Weltumsegelung begeistert. Aber, kein Geringerer als der große
Bernhard Moitessier rückt das zurecht:

Und genau das, auch wenn es einem
nicht in den Kram passt, sollte man als große Überschrift über seine Pläne
vor allem im Hinterkopf haben, wenn man das Abenteuer einer Weltumsegelung
ernsthaft ins Auge fasst. Und erst dann, wenn man das verinnerlicht hat, kann
man über die einzelnen Faktoren für eine erfolgreiche Weltumsegelung
nachdenken.
In erster Linie wird der Plan vom
Träumer persönlich, von seiner Mannschaft und von deren Gesundheit
abhängen. Über letzteres wird man nicht lange nachdenken, denn
jahrelange Unabhängigkeit von Ärzten ist eine Selbstverständlichkeit.
 Auch bei der besten Besetzung der
Schiffsmannschaft hat der Träumer selten Spielräume. Schaut man sich die
einzelnen Mannschaften auf meiner Seite Who-is-Who-im-Weltumsegeln an, so merkt man, dass an
einem Team mit
der/dem Lebenspartner/in kein Weg vorbeiführt. Die seltenen
Einhand-Umsegelungen fallen in der Menge nicht ins Gewicht und Weltumsegelungen mit
Freunden als ständige Besatzung sind die große Ausnahme. Als Beispiel für die
ideale Crew seien die Erdmanns (rechts), die Kochs (links) oder auch die Schenks genannt.
Alles in Allem würde ich dem Punkt
"Mannschaft und Gesundheit" gewichtige 20 Prozent geben:
!
Dann, das gilt besonders heute, spielt
natürlich auch das Geld eine bestimmende Rolle. Leider! Sicher, es gab
Weltumrundungen auf finanzieller Sparflamme (Hausner hat mal geschrieben "one Dollar
- a day", aber die Regel ist und war das nie. Die Frage nach dem notwendigen
Geld ist die am häufigsten gestellte und eine verbindliche Antwort kann es hier
nicht geben. Ich winde mich deshalb meistens aus dieser Frage damit
heraus, dass ich die persönlichen Lebensumstände und den finanziellen
Zuschnitt zu Hause als Maßstab empfehle. Konkrete Summen findet man wiederum
auf der Seite Who-is-Who-im-Weltumsegeln.
Wie wichtig ist nun ein gut
ausgewogenes Kapital beziehungsweise monatliches Einkommen - für sich und das
Schiff? Für letzteres gibt es eine Faustregel, die ich als sehr realitätsnah
ansehe: Die Yacht wird als Unterhalt ungefähr 10 Prozent von ihrem
Einkaufspreis verschlingen. Pro Jahr versteht sich. Wenn man sich das leisten
kann, hat man wieder 10 Prozent der Erfolgsfaktoren auf seiner Seite:
!!
Was bei der Planung einer
Weltumsegelung zu Beginn oft übersehen wird, ist die Notwendigkeit einer Bodenstation. Denn heute, wo uns der Bürokratismus geradezu umschlingt, ist es für
seriöse Menschen kaum mehr möglich, so einfach aus ihrem bürgerlichem
Dasein zu verschwinden und ihrer Umwelt zu sagen: "Tschüss, ich bin
auf Weltumsegelung". So kann man hier nur abhauen, wenn man mit Steuer- und Unterhaltszahlungen nichts mehr zu tun haben will. Gibt es unter
Weltumseglern, ist aber sicher für meine Leser keine Option. Nein, es muss
hier in Europa jemand sein, der die Stellung hält. Der behördliche Schreiben
entgegennimmt und rechtzeitig mal vorsorglich widerspricht oder der im Notfall
einen Rückruf startet oder die Yacht unterwegs mit den notwendigsten
Informationen versorgt. Statt sich auf See mangels WLAN stundenlang mit Kurzwelle
zu befassen, um für sein Gebiet die neuesten Wetternachrichten zu
bekommen, ist es doch ungleich besser, wenn man jemand zu Hause vorm PC mit Internet
sitzen hat, von dem dann einmal pro Tag aufs Iridium-Satelliten-Handy ein
(kostenloses) SMS "Heute nachmittag SE 3 - 4, zunehmend" bekommt.
Nachbarn, Freunde oder Verwandte mit Vollmacht, die auch nach der vermieteten
Wohnung mal schaun, wären optimal, weil ebenfalls kostenlos und trotzdem zuverlässig. In
Zukunft wird es auch kleinere Firmen geben, die sich so um den Aussteiger auf den
sieben Weltmeeren kümmern. Mindestens drei Prozent ist eine gute
Bodenstation bei der Gewichtung der Erfolgsfaktoren schon wert.
!
Bei der Technik auf dem Schiff und
seiner sonstigen Ausrüstung beachte man das treffende Gesetz von Murphy: "Was
kaputt gehen kann, wird auch kaputtgehen." Und zwar immer zur Unzeit. Plant man
eine Weltumsegelung, ist die Versuchung groß, mit einer möglichst
"kompletten", also sehr umfangreichen Technik auf Fahrt zu gehen. Man
beruhigt damit sich selbst: "Ich hab alles getan!". Die Berichte aller
Weltumsegler aber bestätigen den unwiderlegbaren Grundsatz: "Was nicht an Bord
ist, kann auch nicht kaputtgehen." Punkt.
Es hat zahlreiche Weltumsegelungspläne
gegeben, die an der "vollständigen" Technik und Ausrüstung der Yacht
gescheitert sind. Ein Typ mit einer top-ausgerüsteten Luxusyacht aus Holland
ist mir besonders in Erinnerung, der den ganzen Tag durch die Marina getigert
ist und jedem sein Leid geklagt hat: "Da denkst Du beim Kauf an Palmen und
Südsee und die Realität liegt dann vor dem Bahnhof in Ostende!"
Mit 3 Prozent (mindestens!) geht die Ausrüstung/Technik in die
Tabelle:

Die Navigationssicherheit,
also die Kunst, heil alle Riffe und Untiefen auf dem Weg um die Welt zu umschiffen, war
früher das beherrschende Thema bei der Vorbereitung auf eine Weltumsegelung. Auf die Schulbank
musste man sich im Winter setzen, um die Positionsbestimmung
mit Sextant und Gestirnen zu lernen. Heute hat GPS in dieser Hinsicht alles auf
den Kopf gestellt. Wie der Autofahrer mit seinem Navi kann der Skipper jede Adresse
weltweit ansegeln. Mehr als drei Prozent ist dieser Faktor in der Liste nicht
mehr wert.

Das Erfordernis einer
"richtigen" Yacht, geeignet für eine Weltumsegelung wird allgemein
weit überschätzt. Tatsache ist, dass fast alle Yachten, die auf
Weltumsegelung gehen, aus zweiter (mindestens) Hand kommen und dass nahezu jeder
Hochsee-Yachttyp seine Eignung zur Weltumsegelung längst bewiesen hat. Nicht
wenige Yachten sind erfolgreich um die Welt gesegelt, nachdem sie schon vorher
ein ganzes Leben als Charteryacht absolviert haben.
Man vergesse vor allem
nicht: "Der Skipper macht das Schiff." Die Yacht muss allerdings zum Skipper und zur Crew
"passen". Einem bereits müde werdenden Siebziger ist es sicher nicht
zu empfehlen,
mit einer 21-Fuß-Yacht auf Weltumseglung zu gehen. Die Engländer bringen es
auf den Punkt: "Ein Schiff sollte in Fuß so lang sein, wie der Skipper in
Jahren". 6% bei den Erfolgsfaktoren gehen so in die Auswahl des
"richtigen Schiffes".

Dem "Segelkönnen" gebe
ich nicht mehr als 5 Prozent. Was, so wenig? Sind wir doch mal ehrlich, Segeln
ist keine Kunst, das könnte jedes Kind, wenn es die Kraft hätte, die Winschen
durchzusetzen. Wenn der Großbaum per Bullentalje gesichert ist, kann jeder auf
offener See gefahrlos nach dem Rezept "Try and Error"
herausfinden, wie die Segel zu trimmen sind, damit sich das Schiff
vorwärtsbewegt. Mein Freund Manni und ich, beide um die 10 Jahre alt, haben uns
seinerzeit am Chiemsee mal ein Segelboot (einen Schratzen) gemietet,
ohne auch nur eine Minute vorher eine Schot in der Hand gehalten zu haben. Nach
vielleicht 10 Minuten hatten wir dann den Dreh schon heraus, auf welchem Kurs und mit
welcher Segelstellung wir den Schratzen in flotte Fahrt versetzen konnten. Also
zum eigentlichen Segeln reicht als Vorbereitung ein Überführungstörn, der
sich über mehrere Tage (und Nächte natürlich) hinzieht. Dann weiß man, wie
es ist, wenn nachts die Minuten am Ruder langsam wie Stunden verrinnen und einen
trotz Schiffsverkehr in der Nähe die Müdigkeit übermannt.
Warnen möchte ich vor dem Spruch,
mal einen Jollenkurs zu machen, um von der Pike auf
"richtig" Segeln
zu lernen. Das hat mit Yachtsegeln nichts zu tun und ist nur verlorene Zeit. Ich kenne einen, der wollte mal um die Welt
segeln, jetzt übt er seit zwei Jahren, wie er die 2-Mann-Jolle per Aufschießer an den
Steg bringt. Ähnliches mussten Manni und ich auch damals am Chiemsee erfahren, als
wir unsere rasante
Segelfahrt bei 4 Windstärken beenden wollten und mit full speed in den
Brettersteg gerast sind.
Weltumsegeln ohne Hafenmanöver geht
nicht.
Schließlich gehört es zu den schönsten Momenten einer Ozeanüberquerung, am
Ziel in den ruhigen Hafen einzulaufen und an der Pier festzumachen. Dass in
einigen auch exotischen Häfen das Hafenpersonal unsere Yacht parkt, entbindet uns Weltumsegler nicht, eigene Manöver fahren zu können. Hafenmanöver müssen
wir selbst beherrschen, wenn wir unsere Yacht und die der anderen Hafenlieger
nicht kaputtmachen wollen. Mit großem Abstand eignet sich hierfür am besten
die Teilnahme an einem hochqualifizierten Skippertraining. Skippertrainings
werden ja in letzter Zeit zuhauf angeboten. Hier gilt es aber auf Qualität zu
achten. Beim
Skippertraining zum Beispiel bei Michael Menard in Kroatien (Michaels Skippertraining) wird drei Tage lang auf
ausgewachsenen Hochseeyachten nichts anderes gefahren als An-und Ableger. Die Lehrer sind professionell , zum Teil sogar Weltumsegler, die ihr umfassendes Wissen (und Können) weitergeben. Wenn man so ein
Intensivtraining durchgestanden
hat, braucht man auf Weltumsegelung keine Angst vor Anlegemanöver in engen
Häfen mehr zu haben. 1a-Fachmann für Hafenmanöver, Michael Menard, wird übrigens bei meinem nächsten und sicher letzten Blauwasserseminar als Referent genau über dieses Thema HAFENMANÖVER referieren!
Beherzigt man diese Ratschläge, ist
das Segelkönnen mit 5 Prozent unter den Erfolgsfaktoren.

So, jetzt sind wir bei 50 Prozent.
Was braucht es denn sonst noch an Voraussetzungen? Es mag erstaunen, aber die
mit Abstand wichtigste Voraussetzung für eine Weltumsegelung ist ein hohes Maß
an Duchhaltevermögen. Man könnte es auch Sturheit nennen. Wenn man in Tahiti,
das ist für den Europäer ungefähr die Hälfte der Weltumsegelung, mit einer
Tasche voller Geld über den Steg gehen würde, wäre man erstaunt, wie viele der
dortigen weitgereisten Yachten man cash kaufen könnte. Viele der dortigen Skipper
sind zermürbt, von den vielen Reparaturen, mit denen niemand bei der Abfahrt
gerechnet hatte, von den Auseinandersetzungen mit den Behörden und den zum Teil
wochenlangen Schlägen auf See. Allzu verlockend wäre die Idee, am nächsten
Tag im Flugzeug zu sitzen mit Kurs Heimat. Soll man das glauben?
Ja, denn es hat doch einen Grund, warum bis
vor ein oder zwei Jahren fast alle Weltumsegelungen schließlich unter
Todesangst durch das Rote Meer gesegelt wurden, obwohl es dort wegen der Piraten
und sonstigen Verbrechern extrem lebensgefährlich war, obwohl das Rote Meer
seemännisch viel anspruchsvoller ist als der lange Weg um das Kap Der Guten
Hoffnung. Der einzige Vorteil dieser lebensgefährlichen Route: Man konnte die
Weltumsegelung ein halbes Jahr früher beenden als um das Cape of Good Hope.

Tatsache ist nun mal, dass die
meisten Weltumsegelungsvorhaben nicht scheitern wegen mangelhaftem
Segelkönnen, wegen mieser Navigation, wegen dem falschen Schiff oder wegen der
Mannschaft (obwohl auch das vorkommt), sondern eben, weil die Crew aufgibt.
Verliert!
In den Wind gesprochen?
Bobby Schenk

zur Home-Page
Page by Bobby Schenk
E-Mail: mail@bobbyschenk.de
URL of this Page is http://href="https://www.bobbyschenk.de/n004/inwind52.html
Impressum und Datenschutzerklärung
|
|