Rückblick
auf die Hanseboot 2010 - der Geniestreich!
Bootsausstellungen
sind immer aufregend, haben immer Flair, bringen immer was Neues, verlängern
immer die Segelsaison , und sei´s auch nur durch Träumen.
Sicher,
in dieser Allgemeinheit stimmt das nicht ganz. Bei kritischer Würdigung der
Besucherzahlen von Messen wird man feststellen, dass in den letzten Jahrzehnten
eine gewisse Hausse zu verzeichnen war. Das ist schwer zu erklären, weil ja -
eigentlich - Segeln viel populärer geworden ist als es zu damaligen Zeiten in
den 80er Jahren mal war. Umso erfreulicher ist es, dass die Hanseboot steigende
Zahlen schreibt, was gewiss auch darauf zurückzuführen ist, dass die rührige
Messeleitung der Hanseboot durch Nebenveranstaltungen wie Seminare und Vorträge
ihre Fachkompetenz als "Tor zur großen Segelwelt" immer wieder aufs
Neue beweist. Wenn unter der Woche gelegentlich leere Gänge nicht zu übersehen
waren, so hatte dies zumindest den Vorteil, in Ruhe durch die Hallen streifen
und ausführliche Fachgespräche bestreiten zu können.
Wer
den Markt an Schiffen und Zubehör über viele Jahre hinweg beobachtet hat, kann
sich eines gewissen Déjà-vu-Gefühls nicht erwehren. Zwar stellen fast alle
Bootsaussteller "Neuigkeiten" zur Messe vor, aber letztlich ist es
meist der gleiche Stil, der gleiche Baustoff sowieso, das Zubehör auch. Mal
sind es "freundlich helle" Salons (wenn am Holz gespart wurde), mal
ist es ein schiffiges Interieur (wenn man die Einrichtung über die Jahre nicht
ändern wollte). Alumast, Nirorigg, ein oder zwei (wofür?) Ruderstände , ganz
kurzer Kiel oder kurzer Kiel - wirklich alles schon da gewesen. O.K., es wäre
unfair , hier was von Langeweile zu schreiben, denn – zugegeben - mir fällt
auch nichts wirklich Neues zum Thema "Hochseeyacht" ein. Die Farbe der
Vorhänge kann es ja nicht sein…
Eine
Werft aber hat heuer eben doch was
Neues gebracht und damit alle anderen ausgestochen. Es handelt sich um die
VARIANTA in der Halle A1. Schon der Name lässt aufhorchen. War da nicht mal ein
preisgünstiges kleines Schiffchen in tausendfacher Ausführung gleichen Namens
auf den Seen zu finden? Jedoch, die neue Varianta aus dem Hanse-Haus hat mit der
alten gar nichts gemein, nicht mal die Werft. Außer, dass sie ähnlich preisgünstig
ist - relativ gesehen. Sind wir als Fahrtensegler mal ehrlich: Wenn wir über
eine Yacht sprechen, sie beurteilen, dann spielt doch der Preis die überragende,
die erste Rolle. Ein 10-Meter-Schiff für 200 Tausend Euro interessiert mich
nicht, denn letztlich kann es auch nicht mehr als ein gleich großes für 100
Tausend, nämlich sicher schwimmen (davon darf man bei fast allen Marken
ausgehen), Segler beherbergen, eine Unterkunft während des Segeltörns im
Urlaub oder am Wochenende bieten. Und ob sie 6,5 Knoten oder 7,5 Knoten laufen
kann(!) interessiert mich erst an zehnter Stelle. Vielleicht.
Also,
der Preis steht an allererster Stelle. Selbst, wenn es viele Fahrtensegler (und
nur von denen spreche ich) nicht zugeben. Und dann, Nummer zwei, sollte das
Schiff möglichst groß sein. Meist besteht die Besatzung heute ja aus zwei
"Mann", und die wollen nicht nur so viel Wohnraum wie möglich,
sondern auch ein bequemes Schiff (nur Pfadfinder sehen das vielleicht anders).
"Bequem" heißt lang und breit, nicht nur, damit auch die Freunde was
von der Yacht haben, sondern weil das Segeln auf einer großen Yacht halt schon
von den Schiffsbewegungen her angenehmer ist, als das Hoppeln eines
Acht-Meter-Schifferls auf See. So bin ich überzeugt, dass in zahlreichen, wenn
nicht in fast allen Fällen, die Schiffsgröße durch den Anschaffungspreis
vorgegeben war - und nicht etwa durch die vielleicht bessere Handhabung einer
kleinen Yacht. Das ist auf Küstengewässern und bei Langfahrtseglern ebenso.
Nicht ohne Grund drehen sich die meisten Gespräche auf den Ankerplätzen um das
neue Boot, nämlich das größere. Auch wenn das eigene Schiff nach einer
Weltumsegelung in den Himmel gelobt wird, schließlich möchte man es ja
verkaufen - um sich was Größeres anzuschaffen. Aber schließt sich das nicht
gegenseitig aus? Großes Schiff zum kleinen Preis?
Und
hier schlägt die Varianta 44 wie eine Bombe ein. Man mache sich bewusst: Für
ein neues 10-Meter-Schiff (33 Fuß) sind wohl so um die hunderttausend Euro fällig,
in der Luxusausführung, doch bei gleichem Sicherheitsstandard, natürlich mehr.
Für eine um Dimensionen größere übliche 44-Fuß-Yacht aus namhafter Werft wird man gut und gern mit
einer viertel Million rechnen, wobei man sich bei einer hochpreisigen Marke (mit
entsprechend schönen Holzarbeiten) schon in die Gegend von einer halben Million
hochranken kann. Und da kommt die Variante 44 daher, eine 44-Fuß-Yacht, mit 99
Tausend Euro daher, Mehrwertsteuer schon berücksichtigt.
Eigentlich
wollte ich diesen Artikel ja ein paar Wochen später schreiben, hab ihn aber
vorgezogen, weil ich nicht glauben kann, dass die Werft diesen unglaublichen
Preis recht lang halten kann. Wetten, dass sich die Werft zur nächsten
Hanseboot ein neues Preisschild zulegen muss?
Und
was kriegt man für die 99 Tausend? Zunächst mal einen Kunststoffrumpf, der
Sicherheit verspricht (ohne es ausprobiert zu haben, das ist halt auf einer
Ausstellung nicht möglich, und am Wochenende auf See auch nicht so recht). Dann
gibt es ein Niro-Rigg, eine Maschinenanlage, Segel, einen Backofen, zwei(!) Kühlboxen,
Druckwasseranlage mit warmem Wasser, - kurzum, alles, was man zum Segeln auf
einer Fahrtenyacht benötigt.
Aber
sonst nichts!
Und
die Inneneinrichtung ist auch nicht jedermanns Geschmack. Überall Kunststoff,
kein warmes Holz und so. Aber wie lautete einst eine pfiffige Reklame für den
Baustoff Beton? "Es kommt drauf an, was man daraus macht!" Es wird
niemand gehindert, mit ein paar Liter Farbe die Kunststoffplatten in ein
Kunstwerk zu verwandeln, zumindest den Farbvorstellungen der Bordfrau
anzugleichen. Was beim Kirsch- oder Buchen- oder Mahagoni- oder Teak-Holz
"feiner" Schiffe gar nicht erst möglich ist. Und wenn einer ganz faul
ist, kann er immer noch ein paar Poster, selbstverständlich mit Schiffsmotiven,
an die Wände pinnen. Aber wer glaubt, er könne diese leichten Zusatzarbeiten
der Werft, auch gegen Aufpreis aufbürden, der irrt. Sie liefert das Schiff
so - und nicht anders. Was sagte einst ein Werftleiter zu mir, als ich ihm
einen Gefallen tun wollte und ihn anwies, die Großseglerbeleuchtung bei meinem
bestellten Schiff wegzulassen? "Sie glauben nicht, was uns das gekostet
hat!"
 Wer
nun glaubt, die Werft würde die Einsparungen nur durch qualitativ minderwertige
Bauteile erzielen, irrt. Es findet sich die gleiche Maschinenanlage (40-PS-Volvo
mit Saildrive), die auf mancher viermal so teuren Yacht ebenfalls eingebaut ist.
Die Winschen gleichen Fabrikats gibt es auch auf Luxusyachten, LED-Lampen (heute
ein Muss) bringen die vorgeschriebene Beleuchtung bei Nachtfahrten. Und das
gleiche "Unspeakable" hab ich auch schon in sogenannten Luxusyachten gesehen.
Also, da gibt es nichts zu kritisieren!
Es
ist, mit ein wenig Erfahrung, recht leicht, bei einer seegehenden Yacht
Minuspunkte zu finden. Hier mal eine Luke, die nicht leichtgängig ist, da mal
ein schlechter Winkel von der Winsch zum Schothorn der Genua. Das ist erst recht
bei dieser Yacht nicht anders. Aber über all diesen Gedanken schwebt eine Art
gedanklicher Sprechblase und in der steht fett: "84033.- € exklusiv
Mehrwertsteuer". Da käme man sich fast unanständig vor, würde man nicht
schweigen. Trotzdem, ein einziger Punkt ist für mich erwähnenswert: Nein,
nicht die (praktischen) Hängetaschen statt Schränkelchen mit Klapptürchen und
so. Auch die praktischen Gurte, die die Plastik-Wassertanks fixieren, stören
mich nicht. Sondern die Verkabelung zur Ankerwinde (die ich montieren würde)
geht mir ab. Aber, bei genauem Überlegen: Das dürfte nicht unlösbar sein,
denn die Textilabdeckungen der Bordwand geben ja ungehinderten Zugang zur
Schale.
Hätte
ich Ambitionen in Richtung Weltumsegelung oder Langfahrt oder Zweitwohnsitz
irgendwo am Mittelmeer, dann wären auf der Hanseboot nicht vier Variantas 44
(bis zum Samstag), sondern sicher eine mehr verkauft worden. Mit meiner
Unterschrift.
Es ist doch der absolute Traum, den jeder Langzeit- oder
Langfahrtsegler träumt: Ein bequemes (Breite: 4,16 Meter) und riesiges Schiff
mit über 13 Meter Länge für den genannten Preis! Und das alles ohne
belastendes Zubehör von der Werft. So dass ich die Yacht genau so ausrüsten
kann, wie ich es für richtig halte und mich nicht mit Fabrikaten rumschlagen
muss, bei denen die Werft die besten Preise bekommt. So meine Erfahrung, und
mein letztes Schiff stammt nicht aus einer Billigwerft. Oder ich mach
entsprechend meinen - nie eingehaltenen - Vorsätzen auf Purist, verzichte auf
alles, was kaputtgehen kann. Denn wir Segler wissen ja: Was nicht an Bord ist,
kann nicht kaputt gehen... oder . ..Was kaputtgehen kann , wird auch
kaputtgehen! Alles
Murphys Law! Das auf der VARIANTA 44 nur wenig Angriffspunkte findet.

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