Hanseboot 2014

Etwas wehmütig schleicht der alte Besucher montags über die leeren Gänge auf der Hanseboot. Und erinnert sich: Aus der Taufe gehoben in den 60er Jahren hatte sie, die  im grünen Herzen Hamburgs "Planten und Blomen" gelegene und damals wichtigste (weil einzige) Bootsausstellung den imposanten Namen: "Deutsche Bootsausstellung International". Und das auch dann noch, als die Konkurrenten auf der Bühne erschienen. Die BOOT in Düsseldorf, zeitweilig die "größte Bootsausstellung der Welt", begann soeben ihr Dasein mit der Präsentation von gerade mal fünf Motorbötchen - mitten im Binnenland. Ob aus Furcht vor diesem Winzling im Binnenland ist nicht bekannt, jedenfalls wurde die Hamburger Boote-Fair von ihren Oberen aus dem SPD-Lager umbenannt in "Hanseboot", was mit spöttelnden Kommentaren wie "Hanselboot" oder "Hansiboot" quittiert wurde.  

Lange ist es her, aber der Verdacht liegt nahe, dass schon damals eine Provinzialisierung eingeleitet wurde, die sich für diese schöne Ausstellung niemand wünschen konnte. Das Wort "Regionalmesse", schlimmer noch mit dem Zusatz "Nord" wabert über die montags leeren Gänge.  

Der alte Besucher wünscht sich so sehr einen Gegentrend, aber, solange die Politik dort das Sagen hat, wird's wohl nix. Obwohl der jetzige Projektleiter Heiko Zimmermann (links, es ist der "gefühlte" zehnte Projektleiter, den ich kennengelernt habe, sieben oder acht waren es bestimmt) und seine rührigen und charmanten Mitarbeiterinnen sich bis zur Selbstaufgabe reinhängen und dem Besucher zumindest das Gefühl der Geborgenheit vermitteln.  

Doch die konkret wahrnehmbaren Fakten – die Leere, das Gejammere der Aussteller "nächstes Jahr werden wir nicht wiederkommen", "ein Wochenende reicht, wir würden dann auch die gesamte heutige Miete zahlen" und das merkliche Fehlen von ein paar Ausstellergrößen der letzten Jahre, sprechen eine andere Sprache. Wenn ich nur deren damalige Ausstellerpaläste mit den heutigen mageren Ständen, dem ausgedünntem Personal und dem stark auf die Ausstellungsrenner reduzierten Angebot betrachte, kann ich nicht darauf hoffen, dass nächstes Jahr endlich die seit 10 Jahren beschworene Talsohle durchschritten ist.  Man sollte sich – und das gilt nicht nur für die Ausstellungen, sondern für den gesamten Fahrtensegelbereich - ehrlich eingestehen, dass die goldenen Zeiten vorbei sind; das Heute  ist der Level, von dem aus Messen zu beurteilen sind.

Den Rückgang kann man am besten bei den Zubehörhändlern erkennen. Einige Größen aus vergangenen Zeiten fehlten, der Online-Handel lässt grüßen. Trotzdem, die Elektronik leuchtete in bestechend scharfen Farben und lässt vergessen, dass sie praktisch ausschließlich das GPS wie ein Herz zum Pulsieren bringt, so wie im 100-Euro-Navi im Auto halt auch. Ohne die Elektronen funktionieren Warmwassersysteme, wobei mir die Wärmetauscher des bayerischen Herstellers ELGENA besonders gefielen. In den Salzwasserkreislauf der Maschinenkühlung einbezogen (was mechanisch sicher kein großes Kunststück ist, wenn genügend Platz vorhanden ist) und schon hat man nach ein paar Minuten im Hafen die ersehnte warme Dusche nach der Bolzerei gegenan. Ich habe dieses System selbst in den Tropen schätzen gelernt. Wenn auch mein Boiler nach ein paar Jahren hoffnungslos korrodiert war. Da wäre ich froh gewesen, wenn ich wie bei ELGENA eine fünfjährige Garantie aufs „Nirosta“ gehabt hätte. Und der Preis von etwa 400 Euro für eine größere Anlage belastet eine seegehende Yacht kaum.  

Auch bei den Segelyachten war das Angebot von der Stückzahl her gesehen ausgedünnt. Namhafte Aussteller begnügten sich mit einem Stand ohne leibhaftige Yachten, und die Großen beschränkten sich auf weniger Modelle als sonst - der Bedeutung der heutigen Hanseboot eben angepasst. Trotzdem, entgegen meinen sonstigen Gewohnheiten war mein Besuchs-Schwerpunkt "Segelyachten".  Das lag schon daran, dass die Hanseboot zusammen mit der YACHT einen Messerundgang an ein Dutzend Teilnehmer verlost  hatte, die dann - bei freiem Eintritt, einer Brotzeit und einem kleinen Buchgeschenk - von Jochen Rieker, Chef der YACHT (im Vordergrund - Foto:HMC / Hartmut Zielke), über die Messe geführt wurden. Klar, dass dieser Rundgang auf Grund des  enormen Insiderwissens von Rieker und der Sachkenntnis der Losgewinner besonders ergiebig war: Die Gegensätze machten den Reiz aus. Wunderschöne Holzyachten präsentierten die Kunst des Bootsbaus viel glanzvoller als es eine Kunststoffyacht je könnte. Als Langfahrt- und Blauwassersegler mit Schwerpunkt "Tropen" bleiben  diese braunen Schönheiten allerdings ein Traum für immer, denn allein der Gedanke an die Unterhaltung der Schiffe im gleißenden UV-Licht der Breiten um den Äquator bereitet größtes Unbehagen, was auch für Schiffe gilt, die "nur" das Deck und den Aufbau aus lackiertem Holz haben.  

Bei den Kunststoffyachten nicht viel Neues, wenn man mal von "abgerundeten Schrankdeckeln" und ähnlichen völlig unwichtigen Details absieht. Die schwedischen Werften (Hallberg Rassy) boten Gfk-Kunst in Vollendung, auch wenn die Tendenz zu drei Antrieben unter Wasser, Schraube, Bugstrahlruder, Heckstrahlruder, bei einem Segelschiff irgendwie  lächerlich wirkt und den Manövrierkünsten der Besatzung kein allzu gutes Zeugnis ausstellt.

Aber auch bei der Segelausrüstung stellen sich mir Fragen. Wofür brauche ich zwei Ruder, wenn ein Fahrtensegler doch so konstruiert sein sollte, dass ein Mittschiffsruder immer zur Gänze angeströmt ist? Oder was soll ein zweiter Steuerstand? Ich sehe so eine Yacht vor meinem geistigen Auge den Atlantik unter elektrischer oder Wind-Selbststeueranlage überqueren und beide Ruderstände unbesetzt - wochenlang. Gut vorstellbar, dass dieser Unsinn auf einem Fahrtenschiff in ein paar Jahren nicht mehr verbaut wird. Dann aber wird eine Yacht als "uralt" taxiert werden, wenn sie zwei überdimensionale Niro-Räder im Cockpit hat, ähnlich den Zweimastern, die heute in vielen Marinas verlassen vor sich hindümplen. Denn einst waren Ketschen, Schoner, Sloops und Yawls der letzte Schrei auf dem Bootsmarkt, heute sind sie verschwunden und der Besan ist Ballast, bestenfalls Geräteträger.

Was mir, jedenfalls in der Halle, abgegangen ist: Seegehende Katamarane, wo doch Hamburg das "Tor zur Welt" ist.

Ein Highlight jedoch hat mich beeindruckt: Dragonfly war gleich mit drei Trimaranen da. Und wer wirklich am Segeln, nicht nur am Wohnen auf dem Wasser, interessiert ist, kommt an diesen Rennern nicht vorbei. Die Ausrede, dass es auf der Ostsee nur schmale Liegeplätze gibt, zieht nicht, denn diese Trimarane können ihre Schwimmer kinderleicht beiklappen. Muss doch irgendwie frustrierend sein, wenn man für ein "schnelles" Einrumpfschiff viele zigtausend Euro ausgegeben und Abstriche bei der Wohnlichkeit hingenommen hat, nur, um einen oder eineinhalb Knoten schneller zu sein, das Speedo neun Knoten anzeigt und dann so eine rasante Libelle nicht nur einstellig, sondern mit über 20 Knoten vorbei fliegt. Aber auch hier gilt, Schiffe ohne einschneidende Kompromisse gibt es nicht. Der vorhandene Wohnraum auf den Anschaffungspreis von ein paar(!) hunderttausend Euros umgelegt, ergibt ein katastrophales Ergebnis. Den smarten Werftherrn Jens Quorning aus Dänemark scheint es nicht zu kümmern. Er spricht von langen Lieferzeiten und der Möglichkeit zu chartern – wegen der großen Nachfrage aber nur eine einzige Woche je Interessent!

Aber alles in allem: Ein tolles Angebot an Yachten. Ein Fahrtenschiff über Amazon kaufen, das geht halt noch nicht, dafür sind stattdessen Bootsausstellungen da.  

Ein Highlight seit Jahrzehnten: Die bewährte Art Maritim, eine Hamburger Erfindung, erfreut das Auge des Seglers, selbst wenn er sich nicht gerade als Kunstsachverständigen einschätzt. Hier machen ruhige Gänge an den Wochentagen Sinn zum Verweilen.

 

Auch das ein Higlight für mich: Die Currywurst am Wurststand war die beste meines Lebens. "Früher" war der Preis so um die 2 Mark, heute kostet sie vier Euro, also acht Mark, das Vierfache. Das sind dann wohl die berühmten und viel zitierten 2 Prozent Inflation. Egal - eine Bootsmesse rentiert sich immer.  

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