Um
die Welt segeln für Anfänger - Weltumsegelung light
von Bobby Schenk
Der
Engländer Eric Hiscock, Übervater aller Fahrtensegler, der bereits in
den fünfziger Jahren mit dem Neun-Meter-Holzschiff WANDERER III um die Welt (in
westlicher Richtung) segelte, zitierte öfters einen Ratgeber, der ihn sinngemäß
wie folgt beruhigt hatte: "Ihr Langfahrtsegler macht Euch viel zu viele
Gedanken; segelt doch einfach los!" Gerne würde ich das auch den
zahlreichen Verfassern von Mails ins Stammbuch schreiben, die mehr oder weniger
deutlich machen, dass sie an eine Weltumsegelung "denken", davon träumen,
eine solche planen oder gar demnächst lossegeln wollen. Denn die Weltumsegelung
von heute ist mit einer Erdumrundung unter Segel vor 50 Jahren gar nicht mehr zu
vergleichen.
Navigation
im klassischen Sinne, einst wegen ihrer Kompliziertheit gefürchtet, findet längst
nicht mehr statt, das Material verrottet nicht mehr wie früher, als man das
Holzschiff noch vor dem Teredo-Wurm schützen, die Wanten gegen Rost teeren und
den Manila- und Kokosfasern mißtrauen mußte, als die Eisenschäkel im Rigg
gelegentlich versagten, als der Mast zum Schutz gegen die Sonne alle sechs
Monate lackiert werden musste, als man Seekarten benutzen musste, in denen es
von Vigias (Stellen mit vermuteten Untiefen) nur so wimmelte, als es für manche
Gebiete keine nautisch relevanten Unterlagen gab, als man unterwegs nur bei
besten Empfangsbedingungen Wetterberichte bekommen konnte, die aber meist das
eigene Gebiet nicht abdeckten, als, als...Kurzum, es hat sich vieles zum
Besseren gewandelt. Eine Weltumsegelung mit zahlreichen Stopps kann heutzutage
zum Kinderspiel werden, was die bestens betreute Laura Decker bewiesen hat.
Erste
Voraussetzung für eine Weltumsegelung sollte sein, dass man zumindest ein wenig
segeln kann. Und zwar nicht mit der Jolle, sondern mit einem Dickschiff. Denn
ein Aufschießer zum Anlegen wäre vielleicht bei einem Zugvogel oder einem Opti
das geeignete Mittel, um im Hafen anzukommen; ein Dickschiff würde man damit
wahrscheinlich schwer beschädigen. Am einfachsten und am besten lernt man
Segeln durchs Mitsegeln auf einer Yacht der Größe, wie man sie sich für die
eigene Weltumsegelung vorstellt. Seriöse Charterfirmen bieten Überführungstörns
für Einzelbucher an, die auf jeden Fall eine gute Einsteigerschule für den zukünftigen
Weltumsegler sind.
a) die Wahl der
geeigneten Route
b) eine geeignete,
gesunde Mannschaft
c) ein gutes
Schiff
d)
Zeit und Finanzen, um ein paar Jahre unabhängig zu sein
e) die
vollständige Ausrüstung
f) die richtige
Einstellung
g)Vorbereitung
der Langfahrt
Die Reihenfolge
ist nicht willkürlich gewählt.
Wahl der
geeigneten Route
Wie
schwierig sich eine Weltumsegelung voraussichtlich gestalten wird, entscheidet
der Segelweg um die Welt. Da wir mit einem Segelschiff unterwegs sind,
werden wir uns nach den Winden zu richten haben. Und die sollen nicht nur von
der Richtung her passen, sondern auch friedlich sein. Nach Möglichkeit sollen
sie von achtern oder querab kommen. Vergessen wir die Sprüche in den Prospekten
für Yachten, wo von den guten Am-Wind-Eigenschaften die Rede ist. In der Praxis
hat dies wenig Bedeutung, denn auch eine moderne Yacht wird auf dem offenen
Ozean gegen Wind, Dünung und die dazugehörigen Strömungen kaum effektiv Weg
nach Luv gut machen können. Beispiel: Es sind zigtausende Ozeanüberquerungen
von den Kanaren nach der Karibik mit Hilfe der östlichen Passatwinde
durchgeführt worden. Nicht eine einzige Ozeanüberquerung unter Segel in der
exakten Gegenrichtung ist mir bekannt. Mit anderen Worten: In der Praxis stehen
bei der Wahl der geeigneten Route nur 2 Alternativen zur Auswahl: Entweder mit
Hilfe der Passatwinde von Ost nach West oder mit Hilfe der Brüllenden Vierziger
(Roaring Fourties) in den hohen südlichen Breiten von West nach Ost. Der
Unterschied im Schwierigkeitsgrad beider Alternativen läßt sich mit einem
(zugebenermaßen etwas entfernt anmutendem) Beispiel aus der Bergsteigerwelt
verdeutlichen: Eine Weltumsegelung auf der Passatroute ist wie die Erklimmung
der Zugspitze mittels Seilbahn, während die Ost-West Umrundung mehr der
Besteigung des Mount Everest gleicht, und zwar ohne Sauerstoff - der 7.Grad
unter Segel eben.
Jedenfalls
kann das Segeln in der Nordsee, vor allem im Watt oder in der Biskaya ungleich
schwieriger sein als eine Weltumsegelung auf der Passatroute. Wenn man den
Hurrikans, also den tropischen Orkanen aus dem Weg geht.
Also, die Antwort
kann nur sein: Weltumsegelung light findet auf der Passatroute statt, also das
heißt Kanaren, Westindien, Panama-Kanal, Südsee - dann während der
Hurrikansaison nach Australien oder Neuseeland oder im Schutzhafen in Tahiti,
Fijii u.s.w. Im Mai kanns weitergehen durch die Torresstraße, Indischer Ozean,
Kap der Guten Hoffnung, Südatlantik mit Ziel Karibik oder Azoren. Der Kreis um
die Erde ist geschlossen.
Viel
mehr braucht man für die leichte Route nicht zu wissen. Man finde
sich im Herbst auf den Kanaren ein und fahre um die Weihnachtszeit in die
Karibik. Kurs 260 Grad, den Zielort (z.B. Barbados, oder Antigua oder St.Lucia)
gibt man als Wegpunkt in einen der drei oder vier GPS-Geräte (Iphone) an Bord
ein und hält drauf zu. Man mache sich keine Gedanken ums Großkreissegeln oder
um eine vergrößerte Mittelbreite oder ähnliche schön klingende Begriffe,
denn unter Selbststeueranlage kann man weder das eine noch das andere steuern.
Und ob man weiter südlich oder westlich segeln soll, wird einem der Wind schon
vorgeben. Beim Absegeln von den Kanaren Westsüdwest gesteuert, stimmt immer.
Bei der Ankunft drüben ist dort die Hurrikanezeit vorbei, und bevor sie im Mai
oder Juni wieder anfängt, mache man sich auf die Socken Richtung Panama-Kanal.
Mehr
Details über
die bevorstehende Weltumsegelung braucht man zunächst nicht zu kennen, denn ab den
Kanaren wird man sich in der Gesellschaft von Hunderten Globetrottern unter
Segel befinden und mit Informationen über die nächsten Ziele, deren
Schwierigkeiten und deren Schönheit überschüttet werden.
Geeignete,
gesunde Mannschaft
Meist wird
eine Familie oder ein einzelnes Pärchen von einer Weltumsegelung träumen.
Und das ist gut so. Denn es gibt keine idealere Crewzusammenstellung,
und Ausnahmen bestätigen eben die Regel. Warnen möchte ich vor einer
Crew mit mehreren Freunden oder gar mit mehreren Pärchen. Die Regel ist, dass
dies bereits in der Karibik schief geht. Wie gesagt, nur die Regel...
Gesundheit
ist eine natürliche Voraussetzung, denn die körperlichen und psychischen
Belastungen während einer Weltumsegelung sollten nicht unterschätzt
werden. Und ärztliche Versorgung auf einer Südseeinsel gibt es nicht. Viele
Plätze haben nicht einmal eine Landepiste, um eine Abbergung mittels Flugzeug
zu ermöglichen.
Gutes
Schiff
Heut ist es kein
Kunststück mehr, ein geeignetes Schiff auszuwählen. Wenn die Größe stimmt
(sagen wir mal zwischen acht und 14 Meter) gibt es keine Hochsee-Yacht auf dem Markt,
die für eine Weltumsegelung auf der Passatroute potentiell ungeeignet wäre. Egal, ob Kunststoff,
Aluminium oder auch Stahl, all das taugt für eine Weltumsegelung light. Eine
gute Gebrauchte kanns auch leisten, ja - Geheimtipp - eine ausrangierte
Charteryacht einer seriösen(!) Firma genügt ebenfalls diesen bescheidenen
Ansprüchen. Denn was Tausende von oft tölpelhaften Charterkunden nicht geschafft
haben, nämlich das Schiff zu versenken, wird auch auf einer Weltumsegelung kaum
vollbracht werden. Ein Vorbehalt: Wenn Osmose im Raum steht, Finger weg vom
Kunststoffschiff! Eine odnungsgemäße Sanierung kann soviel kosten wie das
ganze Secondhand-Schiff. Serienyachten sind unter Umständen besser geeignet als
hochpreisige (komplizierte) Luxusyachten. Vor allem nicht vergessen: Wenn eine
Yacht gut genug ist für die Nordsee, reicht es allemal fürs Passatsegeln. Die
Crew macht eine "gute Hochseeyacht".
Zeit
und Finanzen, um ein paar Jahre unabhängig zu sein
Ohne Geld gehts nicht.
Arbeiten unterwegs ist aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen so gut wie
ausgeschlossen. Die beliebteste Frage, die dem Autor gestellt wird, bezieht sich
auf die Kosten einer Weltumsegelung. Es gibt darauf keine allgemeingültige
Antwort. Eines aber ist gewiß: Man wird seinen Lebensstil nicht ändern, nur
weil man auf Weltumsegelung ist. Die einen gehen selten ins Restaurant, die
anderen immer, wenn sie an Land sind. Die einen nehmen sich ein Taxi, die
anderen eben den Bus. Es gibt Plätze, die viel teurer sind als Deutschland,
aber auch wieder Inseln, wo es schwierig ist, Geld auszugeben. Deshalb eine
Antwort, die sicher viele nicht befriedigt: Eine Weltumsegelung kostet so viel
wie das Leben zu Hause. Und das ein paar Jahre lang. Weil man auf der
Passatroute den Hurricanes und ihren Jahreszeiten ausweichen muß, was gute
Seemannschaft ist, sollte man mit einer Reisedauer von zwei bis vier Jahren
rechnen. Denn in schlechtes Wetter oder gar in eine tropische Störung segelt
man nicht hinein. Soviel Zeit muß sein!
Vollständige
Ausrüstung
Obwohl heute die
Serienyachten (Hanse, Bavaria) im Vergleich zu früher
"komplett" ausgerüstet sind, fehlen einige Dinge, die für eine
Weltumsegelung unverzichtbar(!) sind: Effektive Vorwindbeseglung, leistungsstarkes Ankergeschirr (mehrere Anker mit Kette plus
elektrischem Spill), Beiboot mit Aussenborder, Sonnenschutz (Bimini, Sonnensegel), zusätzliche Stromerzeuger
(Solarpaneele, Windgenerator, große Batteriebank), Steuerautomat
(Windsteueranlage oder elektrischer Automat oder beides), Epirb,
Satellitentelefon oder Paktoranlage, Computer.
Bei der
Anschaffung der "richtigen Ausrüstung daran denken:
Schon vor 50 Jahren
hab ich über Murphys Law gelacht: "Alles was kaputtgehen kann, wird auch kaputtgehen!" oder "nur
was nicht an Bord ist, geht auch nicht kaputt".
Das Lachen ist mir
oft vergangen.
Richtige
Einstellung
Ohne sportliche
Einstellung gehts nicht. Wenn die Bordfrau in den Tropen jammert, dass "der Kreislauf nicht mehr mitmacht" oder ähnliches, dann sollte bald das
Rückflugticket besorgt werden. Und wenn der Skipper bei jeder kleinen
technischen Störung am Durchdrehen ist, sollte er gar nicht losfahren. Die
"Kunst" bei einer heutigen Weltumsegelung besteht nämlich vor allem
darin, sein Schiff in technischer Hinsicht immer auf Vordermann zu bringen,
selbst an Plätzen, wo weit und breit kein Mechaniker, keine Werkstätte, kein
Yacht-Zubehör-Geschäft, kein Postamt, kein Flugplatz ist, kurz gesagt
überhaupt keine Versorgungsmöglichkeiten bestehen. Und wenn der Skipper meint,
dass "in Deutschland alles besser ist", dann sollte er besser daheim
bleiben.
Vorbereitung
der Langfahrt
Der schwierigere
Teil hierbei betrifft die Ordnung der persönlichen Habe und Verhältnisse zu
Hause (Finanzamt, Versicherung, Vermietung, Postadresse, Bankenverkehr etc). Zur
Langfahrt ist kaum eine spezielle Vorbereitung nötig - siehe oben. Also mitsegeln
auf einem Überführungstörn; empfehlenswert auch die Teilnahme an einem
speziellen Blauwasserseminar (siehe hier), um bereits im Vorfeld Erfahrungen aus erster Hand
von Praktikern und Weltumseglern zu sammeln.

Zur
Home-Page
Bobby Schenk
E-Mail: mail@bobbyschenk.de
URL of this Page is: https://www.bobbyschenk.de/n004/wirsegelnumdiewelt.html
Impressum und Datenschutzerklärung
|