Das
jahrzehntlange
Sterben der Segelyacht WADO RYU (1)
von Bobby Schenk
Wenn man viele Jahre in der Blauwasserszene verbringt, wird man zwangsläufig
mit zahlreichen Schicksalsschlägen, von der Beziehungskatastrophe über Betrug, Diebstahl
und Raub bis hin zu Totschlag und Mord, konfrontiert. Es
menschelt halt auch auf dem Wasser und in der Langfahrtszene. Aber
auch angesichts all dieser Tragödien fällt doch das Schicksal
der WADO RYU in besonderer Weise ins Auge. Nicht nur, weil es um den
Verlust der Früchte von jahrzehntelanger Arbeit geht, sondern weil über
ein Jahrzehnt in das Leben von Unschuldigen eingegriffen wurde
und dieses Leben bis zur Schmerz- und Gesundheitsgrenze belastet
wurde. Das Deprimierende dabei: Das kann jedem von uns
Fahrtenseglern mit eigener Yacht zustoßen, ohne dass wir hierfür
etwas können, ohne dass wir auch nur die geringste Schuld auf uns
geladen haben.
Bobby Schenk
Alles, was man mit Geld ersetzen
kann, ....
"Man trifft sich im Leben immer zweimal" ist ein Spruch, an den
ich glaube. Für Klaus, den Versicherungsmakler, und mich ist diese
Weisheit jedoch weit untertrieben. Vielfach haben sich - rein
zufällig - unsere Wege gekreuzt.
Es war vor fast 20 Jahren, als ich im Büro den Anruf eines Berliner Seglers
bekam. Klaus, so stellte er sich vor, wollte mich in einer Münchner
Kneipe treffen, um mir von seinem Törn auf seinem Stahlschiff in die
Südsee zu erzählen. Nach Dienstschluss bei einem süffigen Bier gabs einen
netten Talk , in dess en Verlauf er mir auch über die Arbeit an
einem Video über seinen Segel-Törn bis in die Südsee berichtete, das er unter dem griffigen Titel "Wir
leben das, wovon Ihr träumt" vermarkten wollte. Schnell
war dieses Treffen wieder vergessen. Was letztlich aus seiner
geplanten Weltumsegelung geworden ist, sollte ich erst 20 Jahre später
erfahren.
Den nächsten Kontakt zu dem Berliner hatte ich – reiner
Zufall - indirekt, als ich für ein Buchprojekt in
Queensland/Australien die kleinen Flussadern mit den schönen Villen
auf den Grundtücken (mit eigenem Steg natürlich) abfuhr, um nach Möglichkeit
ein Foto von einer schmucken Stahl-Fahrtenyacht zu machen. Schließlich
fand ich einen Langkieler am Steg eines in Australien lebenden
Deutschen, der mir erzählte, dass er von einem Berliner gebeten
worden sei, an diesem Steg seine Yacht parken zu dürfen, bis er aus
Deutschland zurückkomme, um die Weltumsegelung fortzusetzen. Der
Schiffsname war auf der Rumpfseite in leuchtend roten Buchstaben
aufgepinselt: "WADO RYU".
Dass dies das Schiff von eben diesem Klaus aus Berlin war, das sollte ich
erst bei unserem nächsten, wiederum rein zufälligen Treffen Jahre später
in Thailand erfahren. Dort suchten Karla und ich in Phuket auf dem Marinagelände
nach einem Handwerker, der das Trampolin von unserem Kat THALASSA
erneuern sollte, und stolperten sozusagen über die WADO RYU,
an der Klaus im Blaumannn trotz der glühenden Hitze malochte, um, wie
er erzählte, demnächst weiterzusegeln. Wochenlang waren wir ab da täglich
zusammen, besuchten abends Restaurants und den gigantischen Markt, während
Klaus tagsüber an seiner WADO RYU, werkelte, um sie in jeder
Hinsicht auf Vordermann zu bringen. Nebenbei steuerte er den Beitrag für meine "Trick-Siebzehn-Seite"vom
Fenderbrett bei. Wir
bewunderten Klaus ob seiner peniblen Arbeitsweise, die er, Typ
"Berliner Schnauze mit Herz", meist mit einem Redeschwall
begleitete. Was schon damals auffiel und später noch eine große
Rolle spielen sollte: Wenn Klaus ein Vorhaben durchsetzen wollte, war
er unnachgiebig, was er auch immer beredt zum Besten gab. Eine
Schraube zum Beispiel, die sich nicht lockern ließ, gab es für ihn
schlicht nicht.
Als Karla und ich schließlich Segel setzten, um die wenigen Seemeilen durch
die faszinierende Thailändische Inselwelt (Schauplatz für
James-Bond-Film) zurück nach Malaysien zu segeln, befand sich die
schmucke Stahlyacht WADO RYU in einem fast fertigen Zustand,
und wir vereinbarten für demnächst ein Treffen in der Telaga- oder
Rebak-Marina auf Langkawi.
Das würde also der vierte Kontakt mit Klaus sein.
Wenige Tage danach, am 22.3.2007 mailte Klaus uns an:
"Hallo Carla
Hallo Bobby,
wie so oft weichen Planung und tatsächliche Ausführung von einander
ab.
Nach Getriebeproblemen (die Firma hatte einfach drei Schrauben beim
Zusammenbau vergessen und verschlampt) musste ich um 10 Tage meinen
Flug verschieben.
Bitte reserviere mir für mein Schiff „WADO RYU“, Länge13m x
3,40m x 2,00m ab ca. 26.03.2007 einen Platz in Rebak.
Irgend etwas hat wieder mit meiner Mail nicht geklappt.
Eure, zur Standardausrüstung gehörenden, „Enterhaken“ sind seit
letzten Mittwoch bei mir an Bord!
Also auf bald, ich freue mich schon auf das Wiedersehen mit Euch!
Euer Klaus"
Statt Klaus meldete sich aber am 26.3.07 seine Frau mit diesem Mail:
"Hallo Bobby,
die Coastguard California hat gerade angerufen.
WADO RYU hat einen Notruf losgelassen. Ist Klaus bei Euch?? Wann ist
er losgefahren???
Gebt mir bitte eine mail oder telnummer der marina in malaysia, wo Ihr
seid.
Bitte gebt mir eine Telefonnummer von Euch, damit ich Euch erreichen
kann.
Bitte ruft mich an: 00 49 30 36996743.
Danke Claudia schulze"

Der Schrecken war groß. Per Telefon bekam ich die Koordinaten der Epirb,
die zunächst beruhigten, was ich auch Claudia sinngemäß durchgab:
"Du, da kann nichts Schlimmes sein, denn die Koordinaten (7°44,1'N,
98°46,8'E) zeigen eine Stelle direkt am Strand, und so wie ich die
Buchten von Thailand kenne, müsste das direkt an einem Badestrand auf
der beliebten Urlaubsinsel Ko Phi Phi Don sein.“
Und so war es auch, wie sich bald herausstellte. Was war geschehen?
Offensichtlich hatte Klaus eine Pause eingelegt, um nicht durchsegeln zu müssen
und war hier vor Anker gegangen. Schlaf würde er aber dort wohl kaum
finden, denn diese überlaufenen Inseln zeichnen sich vor allem
dadurch aus, dass es dort Tag und Nacht zugeht wie auf einem
Volksfest, wobei vor allem die „Langen Boote“ mit einem Automotor
hinten dran ohne Schalldämpfer meilenweit einen infernalischen Lärm
verursachen.
Aber lassen wir Klaus, den unmittelbaren Augenzeugen der Katastrophe, selbst
zu Wort kommen:
"Im Laufe der Nacht verließ ich die Vorschiffskoje durch das Luk wegen
extrem schwüler Hitze im Schiff und legte mich in die noch
aufgespannte Hängematte an Deck zum Schlafen. Gegen 04:30 Uhr morgens
wachte ich, vermutlich durch Vibrationen im Schiff, auf. Sah hohe
Flammen (ca. 2 m) aus dem Niedergang hoch auflodern.
Was man in so einem Moment fühlt oder denkt, ist nur schwer zu
beschreiben. Jedenfalls Unglaube zur Realität ("kann nur ein
Traum sein"), Panik, Verzweiflung, Angst, einfach nur weg von der
Hitze, Lähmung...
...und Weigerung, das Unmittelbare Erleben zu begreifen, es fehlen einfach
klare Gedanken, was Sinnvolles als erstes zu tun, die große
Hitze abzuwehren oder sogar Löschversuche zu starten.
An die Feuerlöscher in der Backskiste, geschweige denn an den in der
Nasszelle vorhandenen zu kommen, war wegen der Hitze unmöglich.
Sogar die EPIRP im Cockpit war nur noch ein verschmorter Klumpen. Wie
sich später herausstellte, sendete die Boje wohl automatisch noch längere
Zeit nach dem ersten Alarm trotz der Hitzeeinwirkung Signale, obwohl
sie nur per Hand auslösbar war! (Man will es eigentlich nicht
glauben!)"
Wenn man sich die Schadenfotos ansieht, wird einem klar: Das Schicksal der WADO
RYU, war besiegelt. Sichtlich ein Totalverlust! Warum? Das wird sich wohl nie mehr
oder vielleicht später durch Sachverständigen feststellen
lassen. Ein Trost jedoch bleibt : Klaus war, mindestens äußerlich,
unverletzt, und alles, was man mit Geld regulieren kann, ist
letztlich kein richtiges Unglück. Denn Klaus - sein Beruf als als
unabhängiger Versicherungsmakler verpflichtet schließlich - war
Gott sei Dank über einen renommierten Versicherungsmaklerkollegen gut
versichert.
Damit könnte diese wahre, aber traurige Geschichte zu Ende sein - ist sie aber noch lange nicht!
Hier geht es zum zweiten Teil und Ende des Berichts über das Schicksal der WADO RYU!

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