Durchs Rote Meer - andersrum


Giovanni Scarlata befindet sich erst seit letztem Jahr auf Langfahrt. Und kann schon eine Menge erzählen. Unter anderem ist er bereits in die einschlägige Literatur eingegangen, weil er nicht weniger als einen ganzen Frachter gerettet hat. Interessant ist die Route, die Gio gleich zu Beginn gewählt hat. Mal so "zum Üben" durchs Rote Meer und zwar nach Süden, also die nicht gerade übliche Route. Und selbstverständlich hatte er sich auch hier, wie alle Segler, mit dem Piratenproblem auseinander zu setzen. Wegen der höheren Transparenz wird hier sein Logbuch wortwörtlich, also ungeschminkt, wiedergegeben. Es sind nur 6 Wochen. Hand aufs Herz, wer hätte sich so das angeblich so romantische Blauwassersegeln vorgestellt?


Freitag, 4.August 2006.

in ERITREA. 13.00 längsseits Massawa Port. Papierkram, Wasser von der Feuerwehr

16.00 Raus zum Ankern. Bekannte Schiffe rundum: Italiener, Amis, Briten, Israeli; Dinghy macht schlapp. Großes Essen im Red-Sea-Hotel, teuer, kaum gut, aber Air-Condition

Samstag, 5. August 2006.

Dinner im La Luna mit 2 Ventilatoren, aber Essen um Klassen besser als im Red-Sea.

Sonntag, 6. August 2006.

zu Gast bei Andrea und Giulia (Bild)  mit Luigi, Capitano “Flying Tyke”.

Montag, 7. August 2006.

morgens fahren Petra, Paul und Jane nach Asmara

Der Italiener Luigi „flieht“ nach 6 Wochen. Mein Kreislauf ist unten, Durchfall. Der Doc, ein sehr lieber älterer Herr, reicht preiswerte Medikamente aus seinem Fundus. Doppelzimmer im La Luna 120 Nafka (7 Dollar).

Dienstag, 8. August 2006.

Dinghy ist repariert. Signora Gommista fand ein Loch, übersah das zweite; im Laufe des Tages wieder Luftverlust. 

Mittwoch, 9. August 2006.

Petra wurde in Asmara überfallen. 4 Kanister Wasser = 100 Liter für 550 Nafka, deswegen großes Palaver. Abends im Sallam mit Wiederholungsrabatt. 

Donnerstag, 10.August 2006.

300 l Diesel beantragt, 200 l Bezugsschein erhalten, 125 l in Kanister, Rest an Taxifahrerin. Dinner im La Luna, später die Engländer Paul und Jane an Bord. Paul hat den 2-Master-Oldtimer aus Ferrozement selbst gebaut. 

Freitag, 11.August 2006.

Stephan(Bild) mit Wundbrand beim Doc. Ausklarierungspapiere nicht ausgefertigt. Grund: 17 Uhr 50 ist zu spät - Beamte ! Dinner im La Luna.

Samstag, 12. August 2006.

7.00 Uhr Anker auf; Abschiedsrunde im Hafenbecken. 12:00 Uhr: Wasser per Feuerwehr, Abfertigung, 14:15 Uhr Abschiedswinken. 

Sonntag, 13. August 2006.

Nachtwache von Massawa nach Asab. Kaum Wind, Nebel. Damit Petra den Flieger in Oman erreicht, muss sie von Aden nach Salalah fahren, per Bus, Bahn oder Kamel. Angeln schwierig: nur abgefressene Köder. 16.15 Uhr, Ankern zwischen zwei Inseln mit Bäumen, Büschen und mit schreiendem Getier. 

Montag, 14. August 2006.

5:30 Uhr, verträumtes Aufwachen neben großer Wasserschildkröte, Barke mit 8 jungen Fischern. Wir schenken ihnen Wasser und Zigaretten. Stephan, Kontaktlinsenträger, sieht seinen ersten Manta !?  8:20 Uhr Anker auf Richtung Assab, 150 Meilen weiter südlich. Am Nachmittag, nach Verlust der Angel, mit neuer Schnur aus Massawa und Köder aus dem ALDI, Bonito gefangen, zu Sushi verarbeitet, Rest gebraten. Biss-Melder beim Angeln: leere Bierdose. 2 Uhr Rumms am Schiff. Alles überprüft,  kein Wassereinbruch. Jede Menge Vögel um uns rum. 08.00 Uhr, seltsame Begegnung mit Fischern. Wir weichen aus um Kontakt zu vermeiden. Genau auf ihrer Höhe, sehen sie uns, steigen ins Motorboot und verfolgen uns, geben Gas und setzen Genua, wollen uns teuer verkaufen. Sie bleiben 20 Minuten gleichauf, fallen dann ab. Vielleicht wollten sie nur betteln. Nach einer Stunde: Beine entsteift. Adrenalin abgebaut. 11 Uhr Bissmelder: Barracuda ! Ins Dinghy gehievt. Stephan erschlägt ihn mit Holzlatte. Der zuckende Fisch beißt ins Dinghi, Luft entweicht, bin traurig. 20:45 Uhr. Ankern in völliger Dunkelheit. Die Lichter eingangs der Sturmmole funktionieren nicht. Orientierung nach einem einzigen grünen Licht Ende der Sturmmole. Ich dachte, dass das der Eingang sei … Beim Ankern Kette verdreht, alles blockiert, sind groggy. Ein Bier, nix mit Fisch braten, nur schlafen. 

Mittwoch, 16. August 2006.

Morgens um 7.00 bei Starkwind an den südlichen "Steg" verholt.

Mit Stephan und Dinghy zur Immigration, „shorepasses“ austellen für 2 Tage. Problemlos. Mit Merhan verhandele ich auf Italienisch die Reparatur: Liefertermin morgen 10.00 Uhr. Preis: 300 Nafka. Donnerstag, 17. August 2006. 10.00 Uhr: Dinghi nicht fertig. Merhan möchte neue Geschäftsgrundlage: Mehr Geld. Großer Streit. 12 große Flaschen Asmara-Fernet, Asmara-Gin, Asmara-Rum, Asmara-Weinbrand aus eritreischer Herstellung, Wasser, Diesel (20 l), Dinghy nach zähen Verhandlungen zum abgemachten Preis bekommen.

Freitag, 18. August 2006.

7.15 Uhr. Ablegen in ERITREA. 1 Liter Öl in den Motor, kaum Wind, ca. 150 Meilen bis Aden. Kontakt mit Wal. Grosse Fontäne und riesige Flosse. 10 Uhr: Handyempfang vom yem. Netz. Kreuzen auf yemenitische Seite.

Samstag, 19. August 2006.

7.50 Uhr. Kaum Schlaf. Dinghy schon wieder platt. Noch 3 Stunden bis Aden. Wie kommen wir an Land, ohne das Dinghy ? 14 Uhr. Ankern in Aden. Und ALLE sind schon da: die Italiener ohne Gulia, sie ist nach Kairo zu ihrer großen Liebe. Mit Luigis Boot setzen wir über. Eile ist angesagt, ein Konvoi ist vorbereitet und wartet auf uns. Also Bunkern und Maschine checken. Hier gibt’s eh nix Interessantes, nicht mal Alk.

Sonntag, 20. August 2006.

Morgens großes Palaver auf der Gullet „Mermaid“. Wegpunkte, die alle abfahren müssen, werden bestimmt. Mittags mit Rick von der „Sir George“ zum Tanken. Längsseitsmanöver, aber der Schlauch ist zu kurz. Auf der anderen Seite geht's. Erst die Menge beantragen, dann bezahlen. Während der Tankerei mit Petra zur Einwander- und Zollbehörde, um sie abzumelden. Für sie die Erlaubnis des Skippers, dass sie abheuern darf, Voraussetzung für ein Visum, meinen Schiffstempel in den Pass drücken. Anker raus, Kette laufen lassen, plötzlich ein Riesenschlag, dachte ich wir sitzen auf. Aber dann: der Anker ist zwischen Schaft und Flunken abgebrochen ! Der Schlag an der Mole beim Tanken muss vom Anker abgefedert worden sein. Den 3. CQR-Ersatz-Anker angeschäkelt. Nach dem Schock längsseits an die „Sir George“, über Nacht. Von abends bis 3.00 Uhr Yemenitische Disko ... Soll außer Samstag jede Nacht sein. Schnell weg!

Montag, 21. August 2006.

10.00 Uhr: Die Franzosen, Natalie und Domininique verlassen mit ihrer „Marijean“(Bild) den Hafen. 13.00 Uhr: Die Italiener segeln mit der „Flying Tyke“ los. Wir ankern, „Sir George“ geht längsseits. Sir George“ kann nicht starten, die Starterbatterie ist leer, also erstmal Generator laufen lassen. Um 20 Uhr läuft die türkische Gullet „Mermaid“ läuft aus und wir 23 Uhr.

Dienstag, 22.August.

Bekommen Nachricht von Rick, dass die „Mermaid“ Motorschaden hat und zurück segelt, aber bereits morgen wieder aufschließen will. Verlieren die „Sir George“ um 2.00 Uhr nachts aus Kanal 72 und aus dem Radar.

Mittwoch 23. August 2006.

Gegen Morgen Kontakt zu „Flyingtike“ und gleich wieder verloren, ohne sich absprechen zu können. Kein Kontakt zur „Sir George“. Später funkt "Mermaid", dass sie nicht unter 7 Knoten fahren kann und es eilig hat. So. Damit haben wir kein Mutterschiff mehr. Hätten die auch früher sagen können. Niemand weiß, wo Rick geblieben ist. Nachts hunderte Delfine im Plankton wie Leuchtspurgeschosse ums Boot.

Donnerstag , 24. August 2006.

Vermuten, dass „Sir George“ zurück nach Aden ging. Rendezvous mit “Flying Tyke” im glatten Meer: Schwimmen, Kaffee, Cocktail. Unter Jauchzen und Jubilieren trifft die „Mariejean“ der Franzosen dazu.

Freitag, 25. August 2006.

14:00 Uhr: Der Konvoi ein einziger Witz. Ab 4 Uhr morgens kein Kontakt mehr zu „Flying Tike“ wieder verloren. Ihr GPS ist ausgefallen und Handheld funktioniert nicht richtig. Da sie auf CH 72 auch HP einschalten können, haben sie eine große Reichweite. Wir selbst sind aber nur auf LO und können wir nicht antworten. Der Wind schläft ein, Motor an. Von den Franzosen auch keine Spur. Mein Drängen, auf Sichtweite zu bleiben: im Wind verhallt. Luigis Sat-System fällt aus, dann sein Radar, dann sein Computer, dann das GPS. Gab ihm gestern meinen alten PC. Schönes Manöver auf See: Längsseits gehen, Andrea springt rüber.

Samstag, 26. August 2006.

Heute Nacht, bei 8 Knoten Fahrt, reißt dem Luigi das Achterstag. Er will nach Salalah, wir gehen mit, für den Fall, dass auch sein Motor ausfällt. Wir entdecken Wasser im Schiff. Ich vermute ein leckendes Ventil. Erinnere mich an Bobby Schenk: „Es gibt keine zuverlässigere Lenzpumpe als ein Skipper in Panik.“ Wasser ist draußen. Ventile werden in Zukunft brav geschlossen und stehen unter Beobachtung. Entdeckung: „Handbuchlesen“ doch was bringt. Habe daraufhin die Funke kalibriert. Seven of Nine hat noch ein Miniaturmodul entwickelt, das wir in den Navman VHF 7100 integrierten. Jetzt können wir die Erde erreichen auf Ch 72 . 20.00 Uhr: Luigi 0,75 Meilen vor uns. Noch 170 Meilen bis Salalah. Nachts Wind in bisher nicht gekannten Kühle, Stephan schon erkältet. Wind und Welle von hinten, Großsegel geborgen, Schweinearbeit für mich allein in Dunkelheit und unter Winddruck. Bei 6 Meter hohen Wellen geht’s im Schiff hin und her. Gegenstände die man schon immer gesucht hat, fliegen einem jetzt entgegen.

Sonntag, 27. August 2006.

10:00 Uhr: „FlyingTike“’ etwa 3 Meilen parallel zu uns unter Motor. Luigi mit den Nerven am Ende. Letzte Nacht sogar Streit über den Kurs. Er leidet unter einem Phänomen: der Kompass des Autoplitoten, des GP und des normalen Kompass zeigen drei verschiedene Kurse an. Bei uns schon seit Wochen. Für mich ist das GPS maßgebend.

Montag, 28. August 2006.

16 Meilen bis Salalah. Ortszeit ist UTC + 4 Stunden. Ankunft 11.00 Uhr Ortszeit. Schlage drei Kreuze: Ende der selbst auferlegten Fürsorge für Luigis Boot. Platz zu finden ist hakelig, weil Portcontroll uns dreimal mit dem Hinweis vertreibt, dass sich Militärschiffe und Coastguard bewegen können müssen. Ganghebel von Luigis Außenbordermotor bricht. Leihe ihm unseren Außenborder. Überraschung: "Mermaid", die wir auf den Malediven vermuten, liegt hier mit Motor-Problem: keine Ersatz-Filter (wir haben von jedem Filter 4 Stück dabei). Ein Zeh am linken Fuß ist geschwollen, muss zum Arzt. Oman ist teuer, aber scheinbar gut organisiert.

Donnerstag, 31. August 2006.

SALALAH. Tagsüber für Luigi in der Stadt unterwegs, abends im "Seamans Club". Biere zwischen 1,5 und 3,5 Dollar. Billiard und Tischtennis, große Bar, ein kleines Restaurant. Westliche Atmosphäre, Frauen beim Essen entschleiert. Per Anhalter vom Hafen nach Salalah erfahre ich so nebenbei: Der Wächter im örtlichen Gefängnis schlägt ab und zu einen Gefangenen. Hat mich geschüttelt. Polizei beanstandet, dass wir keine omanische Flagge führen; haben eine besorgt. Meine Crew Stephans verlässt mich. Jemand ist zuhause krank und verlangt nach ihm. Ich bin ab jetzt allein.

Donnerstag, 7. September 2006.

Der Napolitano Franco trifft ein. Er wollte eigentlich nach Madagaskar, wo er zuhause ist. Aber das Wetter draußen hat ihn gebeutelt. Letzte Nacht ist die „Sir George“ angekommen. Sie lief draußen auf Land auf und schwabbelt dort hin und her. Rick und Toya sind im Hotel. Man hatte Komplettausfall der Maschine, des Generators, leere Batterien und kein GPS. Wenigstens haben sie überlebt.

Samstag, 9. September 2006.

Die „Sir George“ ist noch mehr auf Land geraten. Voller Wasser. Heute letzter Schleppversuch bei hoher Tide. Unser Dinghy inzwischen mit Metallplatten repariert. Wetter wird besser, sieht aus als könnte ich bald starten. Wird auch Zeit, ist hier sehr teuer. Mit Franco viel geplaudert. Er sagt, das Leben sei einfach auf Madagaskar. Das macht mich unentschlossen über mein endgültiges Ziel. Zunächst aber Malediven, da kommt Natascha am 7.10. an. Dann nachdenken.

Freitag, 15. September 2006.

Hektischer Abschied von Luigis „Flying Tyke“ und „Mermaid“ der Türken. Rick entdeckt uns durch Zufall. Großes Hallo und Erzählung, was alles schief gegangen war. Die „Sir George“ ist nun ein Taiwanklipper gewesen. Sie war sehr schön.

Sonntag, 17. September 2006.

Motor springt nicht an. Füße und linker Ellbogen weiterhin problematisch. Nehme „Voltaren“ ein, dann geht’s ne zeitlang. Viel Wasser trinken soll helfen. Dinghy und Außenborder endlich einwandfrei.  Nachmittags wieder dem Motor zugewandt: Ein Wunder - er springt an. Um 18.00 geht’s dann in die Bar um E-Mails zu checken. Im Hafen liegt ein Schiff mit europäischer Flagge: die „Schleswig-Holstein“.

 

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