Lebensart Segeln: Beispiel Heinz Maric aus Österreich

von Bobby Schenk

Segeln ist eine Art zu leben. Insbesondere gilt dies für Langzeitsegler, die nicht mehr an Land wohnen. Wir besuchen Heinz Maric, der seit fast einem Vierteljahrhundert auf seiner Yacht lebt.


Ein Vierteljahrhundert auf der Yacht

 

An der Yacht von Heinz Maric, einer Gulfstar, sieht man am besten, was Laienurteile über Yachten, die solche "Fachleute" meist nur vom Hörensagen kennen, letztendlich wert sind. Als eine amerikanische Werft Ende der siebziger Jahre mit diesen überaus preiswerten Yachten auf den Markt kam, da war das Urteil schnell gefällt: "Billig in jeder Hinsicht!"

Die MARCO POLO liegt derzeit, sauber vertäut, in der Marina in Telaga/Langkawi. Am Heck entdecke ich die Nationalfarben von Österreich und von der Bordfrau (mit eindeutig asiatischen Gesichtszügen) werde ich auch mit einem heiteren - österreichischem - "Servus" begrüßt. Seit vier Jahren ist die 39-jährige attraktive Philippinin Celine, mit dem klangvollen korrekten Namen Sellerina Martus Cuizon, an Bord und schnell drängt sich das durchaus begründete Vorurteil auf, dass Celine zuständig ist für den derzeitig makellosen Pflegezustand der MARCO POLO.

Als Heinz Maric, heute 66 Jahre alt, zu Beginn der achtziger Jahre die Gulfstar erwarb, da war sie in einem erbärmlichen Zustand. Opfer eines Brandes war sie praktisch mit der Versicherung abgerechnet und ging so für rund 250 Tausend Schilling in den Besitz von Heinz und dessen Bruder über. Wenig Geld für eine 13,80 Meter lange Yacht, doch wäre sie nicht einmal diese 18000 Euro wert gewesen, wenn sie nicht per Tieflader von Italien an den Ossiachersee transportiert worden wäre, um dort von Heinz wieder in einen yachtähnlichen Zustand versetzt zu werden. Ein Jahr Arbeit - "ganztägig", wie Heinz betont, waren nötig, um aus dem Brandschaden eine schmucke Yacht zu machen.

Heinz war seit seiner Kindheit gesegelt und jetzt war der gelernte Flugzeugbauer und spätere Grafiker, plötzlich im Besitz einer Reiseyacht, groß genug für ferne Ozeane. Da traf es sich gut, dass sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt auch für Heinz zuspitzte, was so viel bedeutete, dass er seiner Firma zu teuer wurde - mit den üblichen Folgen. Irgendwie war es für Heinz wie eine Befreiung, als er seinen Job verloren hatte: "Jetzt kann ich endlich losfahren!"

Das Haus wurde zu Geld gemacht und zusammen mit der ausgezahlten Abfindung, konnte nicht nur der Bruder ausgezahlt, sondern auch die Pensionskasse mit regelmäßigen Zahlungen aufgefüllt werden.

Zunächst wurde noch in Italien zwei Jahre lang mit Chartern ein Zubrot verdient und dann ging es endlich mit dem Ozeansegeln los! Zunächst ein wenig zaghaft durchs Mittelmeer, aber dann schon bis ins Rote Meer nach Safaga. Von da an richtet die MARCO POLO ihren Bug nach Westen: Gibraltar, Madeira, Teneriffa, Kapverden, dann über den Atlantik bis Tobago. Die Zeit in der Karibik beschreibt Heinz mit: "Halt die ganze Karibik!"

Venezuela, Kolumbien, San Blas-Inseln, Panama und dann - anders bei den meisten Weltumseglern - folgten Costarica, Nicaragua und Mexiko, wobei schon mal 3300 Seemeilen an einem Stück zurückgelegt wurden.

Dann gings rüber nach dem Westen, nach Hawaii, Chrismas Island (Kiribati), Samoa, Tonga, Fiji, Vanuatu und Australien. Und weil Heinz die Südsee am meisten beeindruckte, nochmals zurück nach Fijii, Vanuatu und Salomonen. Alles einhand, wohlgemerkt!

Der Indische Ozean sah die MARCO POLO in der Philippinischen Inselwelt, was für den Skipper die besondere Bedeutung hatte, als er, der überzeugte Einhandsegler, dort seine Celine kennen lernte und an Bord holte. In Österreich war Heinz bereits zuvor verheiratet gewesen. "Sie hat nicht segeln mögn!" - klagt er - halt das alte Lied.

Die Attribute, mit der er seine Freundin (und demnächst seine Frau) Celine versieht, sind österreichtypisch knorriger Art: "Sowas Nettes kriegst in Europa gar net!"

Celine, die auch den Computer in der Navigationsecke bedient, ist gerne auf dem Boot. Die MARCO POLO ist in einem Toppzustand, wofür zum Teil ebenfalls Celine verantwortlich ist. Schoten werden von ihr regelmäßig mit Wurzelbürste und Putzmittel per Hand auf "schneeweiß" getrimmt (weil sie dann viel länger halten, meint Heinz). Aber das Finish von Deck und Schale ist das Werk von Heinz. Man hat auch beim zweiten Hinsehen das Gefühl, das Schiff sei gerade aus der Werft gekommen. Dabei hat es nicht nur fast drei Jahrzehnte auf dem Buckel, sondern ein traumatisches Erlebnis, als die Yacht in der Tsunami am 26.12. 2004 schwer beschädigt wurde.

Es war gegen Mittag in der Marina von Telaga/Langkawi als Heinz die vielleicht 3 Meter hohe Welle durch die Marinaeinfahrt hereinrauschen sah. Wenige Minuten hatte die Killerwelle die Marina in einen gewaltigen Strudel verwandelt, der alles, auch Stege und Yachten, die ganze Marina, mitriss. Darunter auch die MARCO POLO, die wegen ihrer überdimensionierten Bauweise das alles zwar ohne strukturelle Schäden überstand, doch äußerlich danach ein jämmerliches Bild bot.

Der Schaden bezifferte sich auf 14000 Euro, der nur zum Teil von der deutschen Versicherung bezahlt wurde. Mit der Schadensabrechnung kam auch gleich die Kündigung durch die Versicherung, die immerhin 20 Jahre lang Prämien kassiert hatte, insgesamt fast 40000 Euro. Heinz war darüber aber gar nicht so unglücklich, denn er fand im benachbarten Thailand eine lokale Versicherung, bei der er die MARCO POLO zum halben Prämiensatz mit viel geringerer Selbstbeteiligung unterbrachte - versichertes Fahrtengebiet: Südost-Asien.

Der Schaden, den die Tsunami verursacht hatte, traf Celine und Heinz nicht nur finanziell. Ein Jahr opferten die beiden, bis die Yacht in neuem Glanz herausgeputzt war. In dem eben erwähnten aalglatten Finish. Die Kohlezeichnungen und die liebevollen Modellarbeiten von Heinz im Salon der MARCO POLO erklären ein wenig die Kunstfertigkeit des Skippers im Umgang mit Handwerkszeug und Farben.

Mein Gott, was hat man den Gulfstar-Yachten bei ihrem Erscheinen nicht alles nachgesagt, wahrscheinlich nur aus dem Grund, weil sie preiswert waren: Sie können nicht segeln, seien billigst gemacht und was man von den amerikanischen Plastik-Yachten zu halten habe, das wisse man ja...

Und jetzt das: Nach 30 Jahren präsentiert sich die Gulfstar (die genaue Typenbezeichnung kennt Heinz gar nicht) in einem seltenen Glanz, die Liegeplatznachbarn ganz neidisch werden lassen. Doch ein Beweis für die These des Autors, dass die Skipper die Yachten ertüchtigen und nicht umgekehrt!

Auch seglerisch hat ja die MARCO POLO so viele Seemeilen hinter sich, dass es für zwei Weltumsegelungen gereicht hätte, hätte der Skipper dies nur gewollt. "Ein oder zwei Stürme, aber das hat ja jeder" wiegelt Heinz ab, als er nach den seglerischen Erlebnissen gefragt wird. "Mit raumen Wind, da gehts dahin, gelegentlich sogar mit 12 Knoten. Am Wind, da ist sie bei einem Tiefgang von nur einem Meter nicht so effektiv. Sie ist halt vor allem für eine Weltumsegelung geeignet", schränkt Heinz die Segeleigenschaften der Ketsch ein. 

Was sind seine Pläne für die Zukunft? "Leben!"

Leben auf dem Schiff. Mit deutlich gezeigter Befriedigung betont Heinz, dass er mit seiner Pension hier in Asien ganz gut leben könne, während das in Österreich fast unmöglich wäre."

"Aber da gibt es ja Österreicher, die haben nur 750 Euro Pension, wie die leben können, das kapier ich nicht!", bedauert er. "Da bin ich froh, dass ich weiter in die Pensionskasse einbezahlt habe und meine 25 Jahre zusammengebracht hab."

Ein wenig hat der Skipper mit seiner Heimat abgeschlossen. "Dreimal war ich in Österreich, beim letzten Mal hat Celine kein Visum bekommen, jetzt fahr ich nur noch hin, wenn es gar nicht mehr anders geht." Eine leichte Verbitterung ist herauszuhören: "Die glauben zu Hause, im Ausland würden nur Idioten leben!"  Verständlich, wer will schon erleben, dass man Vorwürfe bekommt, man sei stehen geblieben, man habe sich nicht weiterentwickelt und vor allem: Die Lebensgefährtin sei "schiach" (österreichisch für hässlich). Ein absurder Vorwurf, über den selbst Heinz - und die charmante Celine - nur lächeln können.

Die jahrelange Arbeit am Schiff und die erzwungenen Hafenaufenthalte nach der Tsunami haben sichtlich Unruhe ins Leben von Heinz gebracht: "Segeln wäre schön, wieder mal so zwei Wochen nur Wasser um einen rum, das wärs!" Celine strahlt ihn zustimmend an.

Die Rollenverteilung auf dem Schiff ist durchaus europäisch: Celine ist fürs Essen zuständig, im Klartext: Für die Pantry! Aber, so betonen beide, es wird nur europäisch gekocht - Heinz sei da ziemlich heikel, meint sie augenzwinkernd. Fügt aber an, dass die Philippinische Küche sehr einfach und durchaus nicht asientypisch überwürzt wäre.  

Im Moment gibt es also keine Segelpläne. "A bisserl langweilig, ist es hier schon", grantelt Heinz und zeigt damit an, dass nur auf dem Schiff Rumsitzen auch nicht das Wahre ist. Also drängt es ihn doch wieder hinaus auf die See?, "Vielleicht in die Südsee zurück, nach Jap oder Palau?", deutet Heinz an.  "Wenn man die Südsee gesehen hat, dann gefällt Dir hier nicht mehr viel!" 

Die in letzter Zeit immer häufiger werdenden Piratengeschichten scheinen Heinz nicht zu verunsichern. "Nein, hier gibts solche Probleme nicht. Früher hab ich auch eine Pump-Gun an Bord gehabt. Aber hier brauchst du sie ja nicht. In Venezuela oder in Kolumbien, da ist eine Waffe schon notwendig, da zeigst du die Pumpgun und dann hauen sie schon ab. Aber jetzt möcht ich keine Waffe mehr. Das ist zu gefährlich!"

Man merkt es, der Heinz wird ruhig! Aber wie zum Trotz ruft er mir nach: "Wenn ich 25 Jahr jünger wär, dann tät ich wieder das Gleiche machen."

Und: "A Haus mecht i nimmer, da bin i schon zu alt dazu!"

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