Was kann die Astronavigation leisten?


Wie genau sind die Gestirne?

Astronavigation wird kaum noch in der Praxis eingesetzt. Was bedauerlich ist. Denn erstens macht es Spaß, mit einer so romantikbehafteten Navigationsmethode zu navigieren, also seine Position allein mit Hilfe der Natur zu bestimmen und zweitens wäre es auch ein Gebot der Sicherheit, neben GPS eine zweites Navigationssystem zur Verfügung zu haben, mit dem sich auf hoher See, also außer Landsicht ernsthaft navigieren lässt. Es ist nun mal nicht seemännisch, sich auf ein einziges Navigationssystem zu verlassen, sei es, wie GPS, im "Normalfall" auch noch so zuverlässig. Dass ein zweites GPS-Gerät an Bord sicher nützlich ist, aber bei weitem kein Backupsystem darstellt, sei hier nur nebenbei erwähnt.

Astronavigation macht Mühe. Man muss sich einen Sextanten anschaffen, rechnen und in der Seekarte arbeiten. Gut, die Rechenarbeit wird einem heute durch Spezial-Programme auf dem Notebook abgenommen, aber ein wenig beschäftigen muss man sich mit der Systematik schon. Und davor, ist wohl menschlich, versucht man sich zu drücken. Zuallererst mit Ausreden: "Das GPS ist absolut zuverlässig" oder "die Astronavigation ist ohnehin so ungenau, dass sie in der Praxis nutzlos ist". Letztere Behauptung, die ich im Internet gefunden hab ist natürlich dümmlich, aber ich nehm sie zum Anlass, mich mit der erzielbaren Genauigkeit der Astronavigation ein wenig zu beschäftigen.

Dass sie keineswegs nutzlos ist, das hat die gesamte Seefahrt des letzten halben Jahrtausends bewiesen. Nur wenige machen sich bewusst, dass sie, wenn beispielsweise im Pazifik mit dem GPS unterwegs sind, gelegentlich mit Karten navigieren, die auf Vermessungen mittels Astronavigation basieren. Erst Schritt für Schritt werden diese Karten auf GPS-vermessene ersetzt. Aber es eilt nicht, weil die alten Karten so genau sind, dass sie heutigen Anforderungen durchaus noch genügen.

Dass die gesamte Berufsschifffahrt, auch das Militär, auf hoher See bis in die achtziger Jahre ausschließlich mit dem Sextanten navigierte, ist schon aus dem Grund einleuchtend, weil es schlicht nichts anderes gab, mit dem man auf hoher See seinen Standort bestimmen konnte. Und Fischer benutzten die Sternenmessungen, um ihre Netzt zu verlegen, ja sogar Atlantikkabel wurden mit Hilfe dieser jahrhunderte lang erprobten Methoden verlegt.

Und selbstverständlich gingen alle Weltumsegelungen bis 1980, das waren sicher ein paar hundert, auf das Konto der Astronavigation. Dabei ging es nicht nur darum, nach einer Atlantiküberquerung Amerika zu finden, sondern es kam auch darauf an, gelegentlich Riffeinfahrten oder einen winzigen Ansteuerungspunkt zu treffen. Wer in die Torres-Straße (Enge zwischen Australien und Papua-Neuguinea) einlaufen wollte, der musste das Feuer von Bramble Cay, nicht viel mehr als ein Sandkorn im Meer, finden. Und nachdem das nur ein ein paar Meter hoch war, musste die Position schon so auf zwei oder bei diesieger Sicht besser noch auf eine Meile genau sein.

Wie aufwendig es damals war, solche eine Genauigkeit mit dem Sextanten zu erzielen, zeigt der Umstand, dass man auch eine exakte Zeit brauchte. Denn 4 Sekunden Fehler in der Zeit kostet eine Meile. Auf unserem Schiff befand sich damals eine der allerersten Quartz-Uhren, groß wie eine Zigarrenkiste und ein unglaublicher Stromfresser. Um über die paar hundert Meilen von Thursday Island die genaue Zeit nach Bramble Cay zu transportieren, lief fast ununterbrochen der Motor, um den enormen Strombedarf der Uhr abzudecken.

Unvergesslich ist auch die Geschichte von Eric Hiscok, der in die Inselwelt von Fijii eintauchen wollte und zur Ansteuerung unbedingt das niedrige Feuer mit dem klangvollen Namen Wailangilala finden musste - bei strömenden Regen. Susan Hiscock setzte sich also im Ölzeug aufs Vorschiff und starrte in die graue Wolkenwand voraus. Bis das Feuer für einen Moment aufschien. Ansonsten hätte die WANDERERIII halt beidrehen müssen, um die Sonne oder einen Stern zu erwischen.

Als Carla und ich in den siebziger Jahren wegen eines vermuteten Ruderschaden eine Bucht im Luisiade-Archipel (Neuguinea) aufsuchen mussten, war die Riffeinfahrt trotz sorgfältigen Abfahrens auch vom Mast aus einfach nicht auszumachen. Ich nahm eine Sonnenhöhe und -rein zufällig - verlief die daraus resultierende Standlinie in der Seekarte exakt durch die Riffeinfahrt (so ein großer Zufall wars natürlich nicht, denn wir befanden uns ja ganz in der Nähe der Bucht!). Ich brauchte also nur mit dem Kurs der Standlinie weiterzufahren, um die Riffeinfahrt dann kurz darauf vor Augen zu haben.

Aber auch heute kann - trotz GPS - die Astronavigation von Vorteil sein. Als wir vor ein paar Jahren in den Tuamotus unterwegs waren, führte uns das GPS direkt vor den Pass - jedenfalls nach den Ziffern auf dem Display. Doch der Pass war nicht zusehen, sodass ich schon Zweifel am GPS-Standort bekam. Eine Astrofix jedoch bestätigte das GPS, sodass ich an genau dieser Stelle nach dem Pass weitersuchte - erfolgreich.

Also, wie genau ist die Astronavigation in der Bordpraxis? Wobei, wie immer in der Navigation interessiert, wie ungenau sie ist. Denn ein auf die Zehntel Meile getroffener Schiffsort ist kein Maßstab, wenn das Ergebnis nicht jederzeit wiederholbar ist. Geht man mal davon aus, dass die sekundengenaue Uhrzeit (immer UTC!!!) zur Verfügung steht, was heute kein Kunststück mehr ist, dann bringt ein Metall-Sextant in den Händen des Praktikers bei guten Messbedingungen einen Schiffsort von zwei Seemeilen und darunter. Die genauesten Schiffsorte ergeben sich bei Simultanmessungen untertags, also bei Schiffsorten aus Sonne und Mond, oder unter günstigen Bedingungen auch unter Einbeziehung der Venus am Tage, weil wir uns nicht mit Fehler aus der Versegelung (Strom!) rumschlagen müssen.

Sternenmessungen sind schwieriger, vor allem in den Tropen in der kurzen Dämmerungszeit (und nur da sind Messungen des Winkels über dem Horizont möglich) und vor allem deshalb etwas ungenauer, also schlagen wir bei Sternen eine Meile Ungenauigkeit dazu.

Bei diesen Angaben beziehe ich mich auf Messungen eines Praktikers wie einem Weltumsegler, der, jedenfalls früher, den Sextanten täglich in der Hand hat. Er wird auch mit dem Sextanten während der Messungen einen Bogen beschreiben, damit der senkrechte Punkt unter dem Gestirn auf dem Horizont eindeutig dargestellt wird. Alle anderen "Tricks" hierzu sind auf einem bewegten Schiff untauglich und führen zu Fehlern bis zu 20, 30 Seemeilen. Übrigens ist dies die Erklärung, warum Anfänger oft von einem Fehler in dieser Größenordnung berichten und dann entmutigt den Sextanten wieder weglegen.

Die letzte Frage in diesem Zusammenhang dürfte der Hinweis auf die Unsichtbarkeit der Gestirne wegen schlechtem Wetter sein. Das spielt in der Praxis keine große Rolle, denn dem Praktiker genügen zweimal am Tag ein paar Sekunden, in denen die Sonnenscheibe sichtbar wird, um genaue Schüsse anzubringen. Ein Beispiel aus der Praxis: Ich habe in meiner gesamten Segellaufbahn es genau an fünf Tagen erlebt, wo keine Gestirne sichtbar waren. Die waren allerdings hintereinander. Gegenmittel damals: Beidrehen und auf bessere Zeiten warten.

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