Navigation auf
der schönsten Yacht der Welt
Gut,
man kann darüber diskutieren, ob ein Schiff mit 200 Metern Länge noch als
"Yacht" einzustufen ist. Aber warum eigentlich nicht? Streiten sich
nicht immer wieder die Öl-Moguln, die Waffenhändler, die Software-Giganten,
die Tanker-Reeder, die gekrönten Häupter und andere Superreiche gerne
darüber, wer von Ihnen die größte Yacht besitzt? Drücken wir ein Auge zu und
lassen dieses Motorschiff als "Yacht" durchgehen. Über andere Attribute, die der MS EUROPA angehängt werden,
kann man dagegen kaum noch
diskutieren...
5
Sterne plus - auch in der Navigation!
Ja,
die MS EUROPA hat im Gegensatz zu den Gin-Palästen, die Häfen in Monte Carlo
und andere Refugien von den ganz Erfolgreichen zieren, für unsereiner sogar
noch den bezahlbaren Vorteil, dass sie jedermann zugänglich ist -
freilich, ein entsprechendes, doch letztlich preiswertes, Eintrittsgeld
vorausgesetzt.
"5
Sterne plus" ist so ein Schlagwort, das im Zusammenhang mit der MS EUROPA
immer wieder genannt wird. Kann ja jeder behaupten?
Nehmen wir mal ein
unparteiisches Buch zur Hand, nein, kein deutsches, da wäre Neutralität im
Urteil kaum möglich. Im englischen Wälzer "Berlitz the Complete Guide to
Cruising & Cruise Ship" findet sich die detaillierte Beschreibung und
Klassifizierung von immerhin mehr als 250 Kreuzerschiffen, von der AIDA bis zur
ZENITH (alle Achtung: vier Sterne plus) und dazwischen Königinnen wie die SEA CLOUD
und die QUEEN ELIZABETH II (5 Sterne). Letztere erreicht fantastische 1763
Punkte von 2000 möglichen, ebenfalls 5 Sterne und damit den zweiten Platz.
Einsame 1855 Punkte werden der MS EUROPA von Hapag Lloyd gutgeschrieben und
damit verdient sie als einziges Kreuzfahrtschiff im Reigen der Luxuriösen eben
die genannten "5 Sterne Plus"
 Selbst
von den kritischsten Passagieren werden die Sterne nicht in Frage gestellt, auch
nicht zum Ende der Reise hin. Es würde hier zu weit führen, den gebotenen Luxus,
die Bemühungen um Sicherheit, die Schönheit der Yacht im täglichen Gebrauch
auch nur annähernd zu beschreiben. Ein Blick in den Prospekt von Hapag Lloyd
kann das genauso gut, denn Übertreibungen sind kaum möglich. Nur soviel. Wenn
Deutschland leider eine Service-Wüste geworden ist, dann ist die MS EUROPA mit
überwiegend deutschem, jedenfalls deutsch sprechendem Personal eine
märchenhafte Service-Insel. Das Verhältnis Crew zu Passagieren erreicht auf
der diesjährigen Südseefahrt nahezu das Traumverhältnis eins zu eins.
Die
technischen Eigenschaften dieser Motoryacht sprechen für sich. Vier
Dieselmaschinen versorgen einen Generator mit elektrischem Strom (6,4 Megawatt),
der wiederum den Elektromotoren den Strom liefert, mit dem die beiden Schrauben
angetrieben werden und die MS EUROPA so mit knappen 20 Knoten über die
Weltmeere ziehen lässt. Die Geschwindigkeit wird aber häufig dem jeweiligen
Fahrtziel angepasst, damit das fahrplanmäßig erreicht wird. Beim Ausbooten
der rund 300 Passagiere auf der Südseefahrt helfen vier Tender oder, wenn es auf
den Strand zum BBQ geht, eben die mächtigen Flitzer von Zodiac. Diese Ausrüstung
gewährleistet, dass die Passagiere Landeplätze erreichen können, die
eigentlich sonst für Segelyachten jenseits ihrer Möglichkeiten liegen, wie zum
Beispiel Osterinsel und vor allem Pitcairn, die von den Bounty-Meuterern deshalb
ausgesucht wurde, weil sie "inaccessable" ist.
Gehts
in den Hafen, helfen mehrere Seitstrahlruder, die Riesenyacht metergenau zu
manövrieren.
Die
Brücke der MS EUROPA gleicht beim ersten Betreten ein wenig einem
Elektrizitätswerk. Das große Steuerrad, das man eigentlich erwarten sollte,
ist nicht da. Stattdessen deutet der Wachhabende auf einen kleinen Drehhebel,
mit dem sich die 28 tausend Bruttoregistertonnen mit dem kleinen Finger bewegen
lassen.
Auch
unterwegs herrscht hier Ruhe. Von den beiden Schrauben ist nichts zu hören,
erst recht nichts zu spüren. Keine Vibrationen lassen den Boden zittern, obwohl
die beiden Schrauben dem Schiff trotz nennenswertem Gegenwind fast 19 Knoten
durchs Wasser verleihen. Die Trimmklappen arbeiten so präzise, dass höchstens
mal deutlicher Schwell aus dem Süden daran erinnert, dass man sich auf einem
Schiff befindet. Gelegentlich piepst irgendein Alarm, den gerade noch ein
Insider identifizieren kann. Man zögert, in die Stille hinein Fragen
zu stellen. Zwei große Radarbildschirme zeigen - auf hoher See - nichts außer
ein paar Seegangsreflexe. Vorne an den großen Fenstern, die einen guten
Überblick über den Horizont bieten, beobachtet ein Matrose mit Fernglas in der
Hand aufmerksam die See - obwohl seit vielen hundert Meilen nicht ein einziges
Schiff in dieser einsamen Gegend zwischen Pitcairn und Mururoa gesichtet wurde.
Das ist wohl ein Unterschied zu einer
Langfahrt-Yacht. Unter diesen Umständen,
bestes Wetter und mitten am Tag, würde man kaum von seinem Buch im Cockpit
aufschauen. Was soll da schon kommen?
Bei
soviel Technik und Instrumenten übersieht man leicht den Kartenplotter. Ja, wo
ist der? und das ist dann schon eine Überraschung: Nein, hier wird mit
Papierseekarten navigiert. Und siehe da, auf einem Kartentisch, dessen
Größe man sich noch vor vielen Jahren auf einer Yacht gewünscht hätte, liegt
tatsächlich eine nagelneue (französische) Seekarte. Und darauf, wie es sein
sollte: Kartendreieck nebst silbernem Kartenzirkel (deutsch). Nein, sie ist
nicht zur Zierde da, fein säuberlich sind Koppelorte und Wegpunkte mit
Bleistift (Härte 2) eingetragen. Fortlaufend.
Technikfeindlich?
Nein, ganz im Gegenteil. Jeder Passagier kann hier mitnavigieren - jedenfalls
theoretisch. Ein Knopfdruck auf die Fernbedienung seiner Suite (alle Zimmer
heißen so zutreffend) und der große LCD-Bildschirm zeigt die Seekarte mit
Ist-Position und eigentlich allen Daten, die der "Kapitän im
Passagier" braucht: Heading, Course, Speed, Wassertiefe, Wind nach Richtung
und Stärke. Wenn einem nachts der Schlaf fehlt, lässt sich der Bildschirm
natürlich auch umschalten auf die vorausschauende Videokamera oder der Blick
nach achtern wird angewählt. Wem das nach ein paar Minuten zu langweilig wird,
kann sich auch, im Gegensatz zur echten Crew abmelden und sich dem bordeigenen
Fernsehprogramm zuwenden. Oder im Internet surfen...
Der
echte Kapitän der schönsten Yacht der Welt ist begeisterter Segler und Surfer:
Hagen Armin Damaschke. Er kann trotz seines Alters von erst 42 Jahren schon auf
eine erstaunliche berufliche Vergangenheit zurückblicken. Nach mehreren Jahren
auf Containerschiffen ist er seit sieben Jahren auf Expeditionsschiffen zu Hause
und hinter ihm liegen die Arktis, die Antarktis, die Umrundung Spitzbergens und
die Nordwestpassage. Die BREMEN und die HANSEATIC leitete er bereits mit seinem
Kommando. Seit drei Jahren ist er auf der MS EUROPA der
"Traumschiff-Kapitän", eine Bezeichnung, die ihm sichtlich
missfällt. Als diplomierter Verkehrsingenieur für Seefahrt sieht er seine
Aufgabe mit viel Ernst, auch wenn der leidenschaftliche Segler hie und da doch
durchschimmert. Anlass genug, dem Profi ein paar Fragen zu stellen, die einen
Fahrtensegler brennend interessieren:
Fragen
an den Traumschiffkapitän und Segler
Herr
Kapitän, befindet sich hier an Bord noch ein Sextant?
Klar haben wir hier an Bord
noch einen Sextanten. Astronavigation wird auch noch an den Seefahrtschulen gelehrt
und zwar sehr intensiv. Da heißt es immer noch: "Hol mal den Schenk
raus!"
An Bord wird es aber kaum noch gemacht. Es fehlt
einfach an der Zeit. Die Kollegen haben ja alle zusätzliche Aufgaben, da
sind so viele Randarbeiten um die eigentlichen Aufgaben herum. Selbst eine
Kompasspeilung, also eine Kreuzpeilung ist schon selten. Aber sie würde
selbstverständlich beherrscht werden. Manchmal wird es noch so "zum
Spaß" gemacht. Schaun Sie, wenn Sie einen Sternort machen würden,
bräuchten Sie eine halbe Stunde
Vorbereitung! Und die Auswertung verschlingt noch einmal 45 Minuten. Das
Nautische Jahrbuch für 2006 ist selbstverständlich auch an Bord.
In
den USA wird das gar nicht mehr gelehrt. Wenn Sie einen amerikanischen
Lotsen an Bord haben, dann wundern Sie sich. Wenn der nicht sein GPS und
seinen Computer am Laufen hat, dann geht gar nichts mehr. Mir ist es
zweimal passiert, als ich amerikanische Flüsse aufwärts gefahren bin und
einen Lotsen an Bord hatte. Plötzlich meinte der: "Wir müssen
stoppen...!" Die kriegen das nicht auf die Reihe.
Da sieht man schon, wie
abhängig die sind. Man muss es doch auch ohne technische Hilfsmittel
hinkriegen. Das sind Hilfsmittel(!), nicht mehr! Wenn man das so
einordnet, dann hat man die richtige Bewertung hierzu.
Bis zu welcher Windstärke fahren
Sie gegenan?
Ich weiche aus, wenn wir
über Windstärke Neun bekommen. Das ist schon heftig. Dann fällt ja
meistens auch der Hafen aus. Es
wird dann eine sehr aktive Navigation betrieben.
Wir
haben im Moment einen Hurricane auf dem Bildschirm. (Geht zum
Wetterberichtsplotter
auf seinem Schreibtisch). Hier sieht man einen mit einer Durschnittswelle
von 5 Meter, das heißt also 8,7 Meter höchste Welle. Der ist ziemlich
stationär – wenn das so bleibt, stört er uns nicht.
Bei
jeder Windstärke kann ich gegenangehen. Wenn die See es nicht mehr zulässt, dann fahr ich auch auf der Stelle.
Ich würde die Nase in den Wind halten, so mit 20 Grad wegen des Einsetzens.
Das ist auch das Problem im Mittelmeer wenn dort auf Fahrgastschiffen
die Scheiben eingeschlagen werden. Warum? Weil sie zu schnell waren.
Weil sie sich vom Wellenberg regelrecht in die Welle reinschieben. Diese
griechischen Schnellschiffe, ok, die fahren mit 27, 29 Knoten. Natürlich
reduzieren sie auch, fahren dann aber immer noch 20 Knoten. Das ist aber
dann bei bestimmten Wetterlagen eben zu schnell
Was für ein Ankergeschirr fahren
Sie?
303 Meter
Kette und Hauptanker von 4,3 Tonnen an Backbord- und Steuerbordbug. Wir haben noch
einen Anker auf der Back.
Wie halten Sie
es mit dem Wegerecht gegenüber Seglern?
Es
kommt drauf an. Wenn bei der Kieler Woche 6000 Segler um mich herum
sind, dann geht nichts anderes als straight mit 6 Knoten und
Ausweichmanöver von einem, maximal zwei Grad. Aber wenn hier ein
einzelner Segler ist, klar weicht man
da aus. Ich bin ja selber begeisterter Segler.
Zur
Einhandsegelei meine ich, dass dies unverantwortlich ist. Weil sie
keinen gehörigen Ausguck haben. O.K., wenn man das kann, alle Stunde 10
Minuten schlafen, dann kommt das ja grad so hin. Aber das glaub ich
nicht.
Wenn
ich als Segler daherkomm und Sie auf Kanal 16 anpreie, können Sie mich
hören?
Klar, das
VHF (Kanal 16) ist bei uns immer an. Radar
ist auch immer an. So wie früher, dass der Kapitän den Schlüssel zum
Radar hatte und es abgeschaltet war - nach dem Motto: Es könnte ja
kaputtgehen – das gibt es hier nicht. Alles was hier an Bord ist, wird
maximal für eine sichere Navigation benutzt. Hier wird nichts
gehandhabt nach dem Motto: wir wollen das schonen. Was kaputt ist, wird
repariert. Alles wichtige ist doppelt, mindestens! Entweder es wird
benutzt, und wenn es nicht benutzt wird: Raus!
Ist
es denkbar, dass der Ausguck mal kurzzeitig nicht besetzt ist?
Nein,
das ist nicht denkbar. Es gibt hier – im Gegensatz zu Einhandseglern
– sogenannte Ruhezeiten. Es ist also vorgeschrieben, wie lange jemand
arbeiten darf und es ist vorgeschrieben, dass er vor der Wache seine
Ruhe haben muss. Das heißt, dass er mindestens 10 Stunden am Tag nichts
tut. Wenn ich sage, dass mindestens einer da ist, dann ist die Wache zu
zweit besetzt. Wenn es also irgendeinen Alarm gibt, dann geht der
Matrose los.
Der
Wachoffizier darf die Brücke nicht verlassen!
Wir
haben alles auf der Brücke, von Cafe bis zum Essen, wir haben eine Toilette
auf der Brücke. Und wir haben einen Radio dort, wo also auch nachts,
das sag ich auch ehrlich, Musik gehört werden darf
Wenn
also jemand meint, heute sei es schwierig, dann kann er zum Wachhalten
auch Musik hören. Er muss alle Stunde einen Ort machen und den muss er
eintragen. So hat er immer zu tun. Er muss den Ort eintragen, dann muss
er koppeln, Ausguck halten hier, Ausguck halten dort, dann muss er die
Cassette wechseln und so fort. Da kommt man nicht zum Einschlafen.
Ich
denke, dass sich die Situation auch auf anderen Schiffen in den letzten
Jahren verbessert hat. Von der Schiffsleitung, den Hafenbehörden
eines jeden Landes , von den Versicherungsgesellschaften und natürlich
von der eigenen Reederei werden ja viele
Kontrollen durchgeführt. Es ist schon sehr heftig geworden. Sie müssen
da schon sehr vorsichtig sein. Auf deutschen Schiffen Alkohol auf der Brücke
oder bei den Wachoffizieren? Null!
Das größere
Problem ist die
Sprache der Besatzungen. Da sehen sie einen, da steht groß in grünen
Lettern drauf „EVERGREEN“, sie rufen den, und Derjenige, der Englisch
kann, ist gerade nicht auf der Brücke. Da sind dann viele Steuerleute
auf der Brücke und die antworten nicht einmal. O.K., mündliche
Absprachen gelten ja ohnehin nicht, das könnte man als Argument dagegen
vorbringen – trotzdem sind mündliche Absprachen, wie man sich
passiert, sehr hilfreich. Auch wenn man hinterher, wenn mal was passiert
ist, nicht sagen kann: "Ich hab doch gesagt.."
Es
muss nach bestimmten Regeln gefahren werden.
Wie
finden Sie es, wenn Sie ein Segler auf Kanal 16 anpreit?
Wenn
ich da draußen einen Segler sehe und der ruft mich an, dann empfinde
ich das gar nicht lästig – ganz im Gegenteil: Schon weil man da ein
wenig schnacken kann. Ich weiß aber, dass es in der Containerschifffahrt
schon mal vorkommt, dass man dort sagt, das sei ja nur ein Segler und so.
Es kommt halt darauf an, wer gerade auf der Brücke ist. Es kommt auch
vor, dass wir mal bisschen näher hinfahren, und eine Lautsprecherdurchsage
machen, damit unsere Gäste auch was von einem einsamen Segler auf See
mitkriegen.
Was halten Sie von dem viel besprochenen
Piratenproblem?
Es
gibt schon immer Piraten, so in Somalia, in der Malacca-Straße. An
bestimmte Stellen dieser Welt sollte man eben nicht hinfahren. Eines muss
man sagen: Die Waffen der Piraten haben sich geändert. Es gibt auch
nicht nur einen wirtschaftlichen Hintergrund für Piraterie, sondern
jetzt auch einen politischen.
Sind
Sie bewaffnet?
Gehen
sie davon aus, dass wir sehr gut vorbereitet sind! Im Übrigen: Wir
arbeiten hier mit dem Auswärtigen Amt zusammen. Die sagen einem dann
schon, das oder das sei eine No-Go-Aerea. Die Versicherungsgesellschaften
formulieren das ebenso ganz klipp und klar.
So
leicht ist es übrigens bei uns nicht, auf Deck zu kommen, wenn wir z.B.
20 Knoten fahren, dann kommt der mit dem Speedboot gar nicht sauber ran,
wenn wir nur ganz leichte Kursänderungen fahren. Wegen der Welle die
dabei entsteht.
In
Polynesien brauchen wir uns um Piraten keine Sorgen zu machen. Deshalb
freuen wir uns auf eine zwischenfallslose Weiterfahrt auf Ihrer
Traumyacht, Herr Kapitän!
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