
Dieses Wochenende
war eine
Art Heimkommen. Unser erster Hochseetörn in deutschen Gewässern, es muss
so um 1967 gewesen sein, "da oben" auf der Ostsee, war für Karla
und mich die große Welt des Segelns. Damals hatten uns die vermeintlich "riesigen"
Yachten ungeheuer beeindruckt. Und jetzt hatte ich Dutzende von diesen Yachten aus der
damaligen Epoche vor mir. Freilich, die einst noch überwiegend vertretenen
Holzyachten fehlen, und auch die immer schon selten gewesenen Stahlyachten sind nicht
zu sehen. Denn diese Schiffe hier, über 70 an der Zahl, sind allesamt aus GfK
(glasfaserverstärkter Kunststoff). Und, das tut den Augen des
Fahrtenseglers gut, Doppelruder, Badeplattformen am Heck, Beiboot-Garagen,
nach achtern offene Cockpits und ähnliche Auswüchse des
"modernen" Yachtbaus fehlen. Denn die Yachten sind allesamt über
25 Jahre alt, viele noch älter und einige haben sogar ein halbes
Jahrhundert auf dem Buckel, ohne, und das ist doch bemerkenswert, den
Eindruck zu erwecken, sie gehörten aufs Altenteil. Hier wird die Frage
beantwortet, wo denn all die alten Kunststoffyachten hin verschwinden, wenn
sie mal ausgedient haben. Unter den mehr als 70 Yachten, die auf Einladung
der YACHT zum Treffen auf der Ostsee eingeladen waren, gibt es nicht eine
einzige, die auch nur den Anschein erwecken könnte, ihre Tage seien gezählt.
Was, nebenbei gesagt, im erhöhten Maße auch für die sympathischen Besatzungen
gilt.

Die Ostseeperle, die vielleicht
schönste Yacht unter ihnen, sollte gewählt werden, und viele, viele kamen.
So viele, dass der ursprüngliche Ideengeber und Erfinder dieses Treffens
von Segelfreunden, Martin Horstbrink (Foto), die Veranstaltung letztes Jahr großzügig
der YACHT überließ, weil er von der Größe des Events im Laufe weniger
Jahre überrannt worden war. Aus dem gemütlichen Familientreffen von
Liebhabern älterer, aber keineswegs unmoderner Yachten war im Laufe der
Jahre ein Meeting geworden, das ihm von der Größe, nicht von der Qualität
her, wahrscheinlich aus dem Ruder gelaufen wäre. Denn immerhin galt
es, nicht nur die Menge der Schiffe einem adäquaten Liegeplatz für zwei
Tage zuzuführen, sondern auch rund 300 Segler zu betreuen (und zu verköstigen) und mit
einer nicht sehr ernsten Regatta und - etwas biederen - Geschicklichkeitswettbewerben zu beschäftigen. Denn ein
Schlauchi
(mit dem YACHT-Chefredakteur Rieker an den Schlauchbootriemen) 20 Meter
abzuschleppen, sollte für die Besatzung einer hochseegehenden Yacht ein
Kinderspiel sein.

Dass sich das Wochenende auch
finanziell für die teilnehmenden Yachten ausgezahlt hat, wurde von den
begeisterten Teilnehmern anerkannt. Denn schon allein die Liegeplatzgebühren
rechneten sich mit der Teilnehmergebühr, der Verpflegung, unter anderem
einer g'schmackigen Supp'n aus der Gulaschkanone sowie einer Sau am Spieß, und
das Freibier gabs obendrauf. Die Sponsoren Dehler und Musto trugen einen
stattlichen Teil dazu bei.
Nebenbei - es war beileibe nicht
die Hauptsache dieses TSeglertreffens - sollte das "schönste"
Schiff von einer Jury ausgewählt und gekrönt werden, die, bescheiden
ausgedrückt, aus Kennern der Szene bestand. Deshalb waren die alten Damen,
allesamt Yachten mit Vergangenheit, entsprechend herausgeputzt. Aus
technischer Sicht glichen sich fast alle Yachten in einigen Punkten. Das Original-Teakdeck war im Laufe der vielen Jahre einem neuen Belag gewichen,
und das ursprüngliche Gelcot war eine Seltenheit geworden. Aber geschadet
hat es offensichtlich keiner Yacht, der Glanz vergangener Tage war fast
immer meisterhaft wieder hergestellt. Gleiches galt für den Holzmasten, mit dem
viele Modelle damals noch ausgeliefert wurden. Die wenigen Orginal-Spieren
allerdings waren meist makellos und ließen nicht ahnen, wieviel Arbeit in
die Lackierarbeiten über 25 Jahre hineingesteckt werden musste.

Noch ein neuerer Ausrüstungsgegenstand
ist mir aufgefallen. In den Geburtsjahren dieser Yachten wurde kaum eine
Hochseeyacht von der Werft mit Kuchenbude ausgeliefert. Das war die Zeit,
wo die Segler mit gelbem Ölzeug dem überkommenden Wasser an der Kreuz noch
tapfer ins Gesicht gesehen haben. Heute verkuscheln sie sich halt gerne unter
das Klappverdeck, wenn's nass von vorne kommt. Klar, die Crews sind ein
wenig älter,
nicht alt, geworden. So wie die Yachten auch.
Fein säuberlich zurecht gemacht
hatten sich die
Kunststoffdamen. Es war nicht zu übersehen, dass ihre stolzen Besitzer
Eindruck machen wollten - und das haben sie auch. Allein die Ahnung, wie
viele
Stunden harter Arbeit in diese schönen Yachten geflossen ist, lässt einen
staunen und bewundern. Die ursprünglichen Besitzer sind in den meisten Fällen nicht
mehr an Bord, die "Kinder", heute selbst schon ältere Semester
haben, die guten Familienstücke weitergepflegt und -gelebt.

Wenige Schiffe
haben eine so dunkle Vergangenheit, wie ausgerechnet die Siegeryacht, die "Kairos" von Michael
Kraske - im Foto mit Chefredakteur Rieker. Fast ein Jahrzehnt musste sie unter einer
zerschlissenen Persenning vegetieren
und erleben, dass sich im Laufe der Jahre in ihrem Cockpit ein Biotop
bildete. Bis sie von Michael Kraske, einem Techniker mit einem goldenen Händchen zur
optischen und technischen Schönheit aufgepäppelt wurde.
Nichts, rein gar nichts ist von
den vergangene traurigen Zeiten an Land mehr zu sehen. Liebevoll restauriert
glänzt die "Kairos" heute unter ihrem Besitzer, der viele ungezählte
Areitsstunden in dieses Werk stecken musste. Aber der Charakter dieser Yacht
ist erhalten geblieben und die abgelaufenen Jahre haben die Yacht geadelt.
Ganz persönliche Meinung des Autors: In allen
Yachten, und so drei Dutzend hab ich ja besucht, geht es wohltuend unmodern
zu. "Gemütlich" will ich es nicht nennen, denn da täte man den
immer noch sehr sportlichen Damen unrecht. Aber "Rennmaschinen",
wie sich moderne Yachten manchmal schimpfen, sind sie - Gott sei Dank - nicht
geworden! Alle die schmucken Yachten verbindet eines: Es stecken viele,
viele Stunden Arbeit drin. Wobei auch hier Rekorde aufgestellt worden sind.
Zum Beispiel hat ein Eigner, langer Kerl von Statur, den Rumpf seiner
Kunststoffyacht einfach um 20 Zentimeter höher gemacht, um innen Stehhöhe
zu erreichen.
Und die Technik von damals? Die
ursprünglichen soo zuverlässigen Dieselmaschinen hatten im Laufe der
Jahrzehnte meist "modernen", ebenso zuverlässigen Schiffsdieseln zu
weichen. Oder eben stärkeren Maschinen. Denn ihre Vorgänger nannten sich
noch Flautenschieber, und da reichten zwei PS pro Tonne "dicke". Auf
manchen Yachten hab ich noch den Sestrel-Moore-Kompaß ausgemacht, der
damals, vor 25 Jahren, fast Standard auf einem Fahrtenschiff war, heute ins
Museum gehört. Die damals gerade modern gewordene Selbstwendefock sah ich nur noch vereinzelt. Und bei den Rollfocks und Ankerspills war es
offensichtlich, dass diese nachgerüstet worden waren. Vorbehalte von
damals, "was ist, wenn sich so ein Segel nicht mehr einrollen läßt?"
hat die Industrie zuverlässig aus der Welt geschafft. Die unkaputtbaren
Stagreiter waren nur noch vereinzelt am Vorstag zu entdecken. Katamarane - null!
Und das "Weichsegeln" von Kunststoffyachten, wie es von den ewigen
Second-Hand-"Seglern" immer wieder in die Diskussion geworfen wird,
war bei den Fachsimpeleien von Cockpit zu Cockpit überhaupt kein Thema.

Nahezu ausnahmslos war
innen der damals fast
standardmäßig vorhandene Petroleumkocher (Primus) durch
das ach so gefährliche Gas ersetzt worden, und farbig leuchtende Plotter zieren die
alten Navigationsecken. Über denen immer noch die Schatz-Glasenuhr mit
dazugehörigem Barometer in Messing glänzt. Hat ja mal zur Routine gehört,
gleich nach dem Beginn der Wache erst mal ans Glas zu klopfen. Dass es keine
Yacht mehr im Hafen von Maasholm gab, die ohne GPS, und sei es im Iphone des
Skippers, auskommt, wen wundert es bei der Effektivität der Satellitenhilfe
beim Navigieren? Der technische Fortschritt halt, er lässt sich niemals
aufhalten!
Für mich ein besonderes
Highlight war ein Fähnrich 34, der an uns im Schiedsrichterboot vorbeiglitt.
Hatte ich doch mit meiner Frau Karla 1969 mit der THALASSA, gleicher
Schiffstyp, die Welt mehrere Jahre lang umrundet. Obwohl ich
zwischenzeitlich auf größeren Schiffen zu Hause war, kam mir die Yacht
immer noch stattlich vor, ansehnlich sowieso. Zeitlos eben. Die Original-Thalassa hab ich aus den Augen verloren, schade! Mit dem gleichen
Typ Fähnrich 34 (10,30 Meter, Konstrukteur Miglitsch) wurde übrigens eine
weitere Weltreise unternommen. Damals ist der Münchner Chemiker Dr.Jörgen
Meyer in einer der schnellsten Zeiten auf der Passatroute einhand rundum
gesegelt.

Und heute? Würde man sein Leben
den meisten dieser Ostseeperlen aus Kunststoff anvertrauen? Ja, warum nicht,
wenn sie, sagen wir mal, länger sind als der niedliche Teilnehmer
rechts im Bild? Dass sie seetüchtig
sind, haben sie alle bewiesen. Denn in 25 Jahren werden sie sicher das eine
oder andere Mal in schwere Seen geraten sein oder Stürme abgewettert haben.
Die Jury, die die Schönste im
ganzen Land als Ostseeperle erwählen sollte, tat sich schwer. Da waren
unter den Yachten welche, die einfach nur schön waren mit dem Charme der
vergangenen 25 Jahre, da leuchteten Schiffe, als ob sie gerade aus der Werft
kämen und die klassischen Yachten taten den Augen gut, obwohl sie aus
heutiger "moderner" Sicht schlicht altmodisch sind. Wäre
gespannt, ob man die heutigen Plastikschüsseln, die den Markt mit überragenden
performance-Daten ("8,75 Knoten Speed") überschwemmen, in einem
Vierteljahrhundert auch noch als "schön" bezeichnen würde, heute
ja wohl gar nicht.

Sechs Yachten kamen in die
Endausscheidung. Gewonnen hat das Rennen um die begehrte Auszeichnung
"Ostseeperle" dann knapp die "Kairos". Viele andere hätten es auch
verdient gehabt. Ein rauschendes Fest war die feuchtfröhliche Siegesfeier im großen Zelt im
Hafen. Dort gab es keine enttäuschten Gesichter.
Übermächtig war die
Freude, zu einem solchen Familientreffen mit der eigenen Yacht hergesegelt
zu sein. Und der Tenor am Ende war dann auch ziemlich einhellig: "Wir
kommen nächstes Jahr wieder", was ein schönes Kompliment für die Veranstalter war,
die sich hier dem Fotografen stellen. Von rechts: EventmanagerJochen
Konzemann, Chefsekretärin Nadine Timm und Yacht-Chef Rieker und Kameramann Klaus
Andrews.
Wenn allerdings alle Teilnehmer
die beabsichtigte Teilnahme im nächsten Jahr umsetzen wollen, wird's
eng, denn die gelungene Organisation näherte sich schon dieses Mal dem Grenzbereich,
wo dann vielleicht die Teilnehmerzahl begrenzt werden muss - schon wegen der
notwendigen Liegeplätze. Tipp von mir: Es lohnt sich, einen Platz auf der
Teilnehmerliste zu ergattern! Die Voraussetzung ist für jeden leicht zu
erfüllen, der eine Kunststoffyacht im ehrwürdigen Alter von 25 Jahren oder
mehr besitzt und segeln kann!