Indonesien war für uns eine einzige, unerwartete,
Überraschung. Alles, was man sich beim Fahrtensegeln erträumt -
aufgeschlossene, freundliche Menschen, unverfälschte Natur, friedliches Wetter
und unkomplizierte Navigation fanden wir. Keine Probleme?
September 2004 -
Cruising mit dem großen Löffel
"Tidag apa apa" war eines der
indonesischen Worte, die wir schnell lernten. Jeder Segler kennt diese Worte in
allen möglichen Sprachen. In Tahitianisch heißt es "eita pea pea",
was Alf mit "null problemo" ausdrücken würde. Möchte man wissen, ob
Schwell in die Bucht steht, dann sagt man einfach "Tidag apa apa" und
deutet mit erhebender Stimme das Fragezeichen an, während mit den Händen die
Wellenbewegung des Meeres nachgeahmt wird.
Die Antwort, ein Kopfschütteln, bedarf keiner
Übersetzung. Nein, Probleme hatten wir während des gesamten Indonesientörns
nicht. Langsam zuckelten wir an der Inselkette lang, meist unter Motor, denn mit
Winden sah es nicht gut aus. Was uns nicht sonderlich störte, so konnten wir
unsere Ziele unter Maschine anlaufen und einen Schnitt von 5 Knoten einplanen. Wir legten die
Tagestörns so an, dass wir nicht zu spät unser Ziel erreichten, denn meist war
die Sonne notwendig, um die Ankerplätze an den Riffen vorbei zu erreichen.

Von
unserem Lieblingsplatz Bonto ging es nach
Moyo, einer offenen Bucht mit einem Schnorchelparadies gleich unter dem Boot.
Den Freediver am Luftschlauch herziehend schwebte ich ein paar Mal
zwischen farbigen Korallenköpfen. Bis auf 10 Meter Tiefe fiel das Atmen leicht
und man fühlt sich mangels Schwergewicht am Rücken, wie sonst bei der Flasche,
richtig frei, obwohl man ja am Schlauch hängt. Meist reichte die Sonne aus, um
nach dem Tiefschnorcheln die
Batterie des Kompressors aufzuladen. Ein etwas verschwenderischer Weg ist das:
Solarzellen laden mit knappen 15 Volt die Bordbatterien, die wiederum einen
Inverter mit 12 Volt versorgen, der daraus 220 Volt macht und so das Ladegerät
für die Freediver-Batterie speist, das mit Hilfe des 220 Volt-Wechselstroms 14
Volt Gleichstrom produziert. Aber solange die Sonne scheint, die
Schiffsbatterien ohnehin voll sind, ist das ja egal. Strom gibts dann umsonst.
Und alles ohne den Lärm eines Kompressors und ohne Benzin!
Ein
paar Hütten am Ufer fanden wir vor. Und mussten eintreten. Die Einrichtung
bestand aus einem alten Tuch, das man als Teppich bezeichnen könnte, und ein
paar Kartons. Nicht mehr! Von was leben die Leute? Fragten wir uns immer wieder.
Gut, es gibt Kokosnüsse, aber sonst? Der Mann verbringt die Nacht meistens auf
dem Meer mit seinem kleinen Auslegerkanu, das entweder gerudert oder gesegelt
wird. Aber die Ausbeute schien uns mehr als dürftig. Außer ein paar "Fischerl"
keines länger als 10 Zentimeter, haben wir kaum je einen richtigen Fisch
gesehen. Am zweiten Tag kam Freddy herausgerudert, der deshalb bemerkenswert
war, weil er ganz flott Englisch sprach. Das hatte er im nahe gelegenen Resort
gelernt, wo vornehmlich japanische Touristen für 600 Dollar pro Tag gepflegt
werden - schnorcheln in der "ginbläulichen Lagune"
(Prospektverheißung) eingeschlossen. Freddy erzählte, dass er eine Farm
betreibe, was uns freute, denn so konnten wir doch frisches Gemüse kaufen,
oder? Leider nein, meinte Freddy, denn jetzt in der "dry season"
würde nichts, aber auch gar nichts wachsen.
Andere Yachten - Fehlanzeige. Was etwas schade
war, denn man möchte doch so schöne Ankerplätze gern mit anderen teilen. Ein
schwacher Ersatz waren die täglichen Funkkontakte mit unseren Freunden von HARLEKIN,
LAROSSA, MENEVADO, COBRA und anderen. Sie hingen noch in Australien
rum und ich beschwor sie, uns nachzufolgen. Nicht ganz uneigennützig. Norbert von der
HARLEKIN kündigte an, sie würden unseren Spuren folgen.
Mit dem vielzitierten Behördenärger hatten wir
nichts zu tun. Ganz einfach: Wo wir hinsegelten, gab es keine Behörden. Und in
jedem Dorf versuchten wir, beim Dorfältesten vorstellig zu werden, was
eigentlich nie gelang, denn mangels Verständigungsmöglichkeiten konnten wir diese
Person nie rausfinden.
Klar, das Ziel jedes Indonesienreisenden ist
Bali. Mit Recht, denn es gibt kaum eine zauberhaftere Insel auf der Welt. Doch
hörten wir über Funk, dass offensichtlich alle Yachten nur dieses eine Ziel
hatten - und eine Rally dort geendet hatte. Die Marina sollte übervoll sein,
der Ankerplatz schlecht und so eng, dass es täglich zu Berührungen der
Yachten und daraus resultierenden Streitigkeiten - logisch - gekommen war.
Unsere Bemühungen, übers Satellitentelefon einen Platz in der Marina zu
buchen, scheiterten kläglich: "Nein, Reservierungen machen wir nicht, wir
tun unser bestes, aber..."
Warum sollten wir eigentlich nach Bali?
Schließlich waren wir schon mal dort, gar mit dem Segelschiff. Damals gabs noch
keine Touristen und auf dem Ankerplatz tummelten sich gerade mal fünf Yachten
(übrigens auch die MAUNA KEA von Peter und Beate Kammler, falls mit den Namen noch jemand
was anfangen kann).
Also, das drängte sich auf: Wir verzichten auf
Bali und trödeln weiter von Superplatz zu Superplatz und zu den freundlichen
Menschen.

Sumbawa Besar war so ein Platz. Früher war
es mal die Hauptstadt von Sumbawa gewesen. Wir sahen am Ufer aber nur bescheidene
Hütten und dahinter ein paar Bäume. Und am Ufer hunderte von Fischerbooten.
Freundliche Hände griffen nach unserem Beiboot und zogen es den Strand hinauf.
Der Außenborder war nicht gesichert und auf keinem der vielen Boote sahen wir
einen solchen. Nur notdürftig geflickte Segel aus Sackleinen und roh gezimmerte
Paddel. Als Anker lag in jedem Bötchen ein Stein mit einem Loch, durch den eine
mehrfach geknotete blaue Polypropylenleine gezogen war. Für die Leute musste
ein Außenborder ein Vermögen darstellen! Na, wenn schon!
Wir bedeuteten, dass wir nach Einkaufsmöglichkeiten suchten.
Einen
kleinen Volksauflauf verursachte unsere Landung. Ein Junge nahm uns bei der Hand
und führte uns hinter die Häuser am Ufer. Zu unserer Überraschung fanden wir
hinter den Bäumen ein Straßengewirr mit Pferdekutschen und vor allem jede
Menge Motorräder. Nach ein paar Hausecken, waren wir in einer Stadt angelangt
und bald hielt ein Bimo (Kleinbus), das uns mitnahm. "Restaurant"
schien der Fahrer zu verstehen und nickte, Anfangs versuchten wir uns noch den
Weg zu merken, den der Fahrer nahm, aber bald gaben wir es in diesem
Straßengewirr auf. Wir waren nun schon eine halbe Stunde unterwegs und
plötzlich fiel uns ein, dass wir ja nicht mal wussten, wo wir eingestiegen waren.
Wir konnten ja einem Bimofahrer bei der Rückfahrt nicht einmal ein Ziel nennen.
Wie
sollten wir da unser Beiboot wiederfinden?
Jede Verständigung mit dem freundlichen Fahrer
scheiterte. Seine Antwort war immer nur "Restaurant", gefolgt von
einem Kopfnicken. Langsam wurde ich sehr unruhig. Die Fahrt ging nun vorbei an
größeren Gebäuden, offensichtlich Behörden, an Geschäften und schließlich
landeten wir vor einem Restaurant, gleich neben einem Supermarkt. Ich schoss ins
Lokal, um den Wirt zu bitten, den Fahrer nach unserer Herkunft zu fragen, aber
leider nur Kopfschütteln - kein Englisch. Es blieb uns nur, den Busfahrer
und seinen Begleiter fest zu engagieren, einschließlich zum Mittagessen. Ein
ziemliches Feilschen um den Fahrpreis entstand, aber schließlich einigten wir
uns auf 10000 Rupiah, einen Euro. Genau so viel kostete das Mittagessen pro
Person.
Zurückgekommen
zum Strand fanden wir nach längerem Suchen unser Beiboot wohlbehalten vor. Die
guten Leute von Sumbawa hatten es ein wenig höher an den Strand gezogen, wegen
der Tide. Der Dhingyanker war zusätzlich ausgebracht worden und die nicht
benötigte Ankerleine fein säuberlich aufgeschossen. Der Aussenborder? Der war
zunächst nicht sichtbar, denn den hatten sie mit einem Tuch fürsorglich
eingewickelt, zum Schutz gegen die sengende Sonne!
Wenn ich in diesem Moment an die in der Karibik
üblichen Schutzgelderpressungen beim "Beibootbewachen" denk, dann
kann einem die Galle hochkommen.
Solche
Erlebnisse waren nicht die Ausnahme. Überall wurden wir mit einer
unvorstellbaren Herzlichkeit aufgenommen, wenn wir uns den Weg durch die zum
Teil engen Einfahrten zu den Dörfern gebahnt hatten. Das war Fahrtensegeln in
seiner besten Art. Die Navigation war nicht so anspruchslos, wie es das GPS
heute vermuten lässt. Ein Blick zum Ufer erklärte meist die Tidensituation -
Wasser nahe am schwarzen Rand darüber bedeutet Hochwasser, also die trocken
fallenden Riffs vielleicht eineinhalb Meter unter der Oberfläche. Fischerboote
dort drüben? Heißt gar nichts Positives bei der Suche nach einem Ankerplatz,
denn die lokalen Boote haben einen so geringen Tiefgang, dass sie auch bei einer
Länge von über 10 Metern leicht übers Riff das Ufer raufgezogen werden
können. Viel aussagekräftiger waren da schon die Ankerleinen der einheimischen
Boote. Zeigten sie fast senkrecht nach unten, konnte man davon ausgehen, dass
die Tiefe dort um die 20 Meter oder mehr beträgt.
Einen
geradezu perfekten Ankerplatz fanden wir in Teluk Bayo. Eine Bucht in der Bucht
in der Bucht, sozusagen. Und rundherum vom smaragdgrünleuchtenden Riff umgeben.
"Warum ankerst Du auf 26 Meter" fragte mich am Abend Norbert (HARLEKIN)
von Australien aus über Kurzwelle? "Weil es hier in Indonesien kaum
Ankerplätze mit 10 Meter gibt!" 26 Meter Ankertiefe ist allerdings schon
an der Grenze für unsere Ankerkette (100 Meter), denn die dreifache Wassertiefe
solls sein - mindestens. Ganz wohl allerdings war uns nicht bei dem Gedanken,
dass sich die Ankerkette unlösbar um einen Korallenblock wickelt. So war dann
oft der zweite Anker mit Trosse auszufahren, um das Schiff am Schwojen zu
hindern. Ziemlich viel Arbeit, aber gelohnt hat es sich immer.
Im
Dorf immer das gleiche Bild. Kaum waren wir zischen den Fischerbooten angelangt,
hatten uns den Weg über und durch die zum Trocknen ausgelegten Mini-Fischerl
(Fischmehl?) gebahnt waren wir schon von Dutzenden strahlenden Kindern umringt,
die uns durchs Dorf führten, von den wohlwollenden Blicken der Eltern im
Hintergrund begleitet. Wir revanchierten uns so gut wir konnten. Eine besondere
Freude löste es immer wieder aus, wenn ich den Auslöser der Digitalkamera
drückte. Dann drängelten sich die Kleinen ran und jeder wollte fotografiert
werden. Wie einfach!
Für
uns ist es einfach unvorstellbar, wie bescheiden diese Menschen leben (müssen).
Ein Bursche kam aufs Schiff und bettelte, sich die Tauchmaske ausleihen zu
dürfen. Damit ruderte er überglücklich davon. Man stelle sich vor:
Diese Menschen leben am, vom und mit dem Meer. Und haben nicht einmal das
Werkzeug, um auch mal unters Wasser schauen zu können.
Das höchste war für unsere Gastgeber, die
THALASSA zu besichtigen. Das war natürlich bei einigen hundert Interessierten
nicht grenzenlos möglich. Wenn wir ihnen das bedeuteten, dann zogen sie sich
sofort widerspruchslos zurück. Auf die Idee, unser Schiff beim Landgang zu
verschließen, sind wir nie gekommen.
Bali,
das stand fest, würden wir auslassen. Was hätte es uns schon bieten können?
Und wir gewannen damit Zeit für weitere zauberhafte Plätze. Einen Tag vor
Lombok, der Nachbarinsel von Bali, sahen wir sogar ein paar andere Yachten in
der Ferne. Am Strand von Lombok machten wir einen hölzernen Schooner aus, also
offensichtlich ein geeigneter Ankerplatz. Am Ufer befand sich ein neuer, schön
gezimmerter Schwimmsteg, gut geeignet für eine Fähre. Dahinter gingen wir in
eine riesige Halle, ausgelegt mit Marmor und geschmückt mit übermannshohen
Götterfiguren. Eine Kirche? Nein, klärte uns ein junger Mann namens Mohammed
in flüssigem Englisch auf. Das sei der "Bahnhof" für die
Schnellfähre nach Bali. Ein Deutscher habe die Fähre mit ihren 800 PS gekauft,
den pompösen Schwimmsteg und die Wartehalle gebaut und das Geschäft hier
gestartet. Nach dem Einbruch des Tourismus wegen der Balibombe sei aber der
Fährbetrieb mangels Kunden eingestellt worden. Ende!
Mohammed
organisierte für uns eine Inselrundfahrt per Van (Air Condition) mit Chauffeur.
17 Euro bezahlten wir dafür. Nicht viel für uns, aber für Mohammed ein
bisschen Geschäft. Wir waren verblüfft von der landschaftlichen Schönheit mit
blühender Vegetation dieser Insel. So schön wie Tahiti, war unser Urteil,
mindestens! Die Fahrt führte in die Berge, durch den Monkey Forest, hinunter in
die Hauptstadt von Lombok, zu Tempeln, die vor 250 Jahren aus Holz ins Wasser
gebaut wurden. Und zum Markt, wo man einfach alles kaufen kann, nach was der
Appetit steht.
Auf dem Rückweg kamen wir am Touristenstrand
Singiggi vorbei (der dem König von Lombok gehört). Ein Traumhotel neben dem
anderen! Mit den klangvollsten Namen aus der Hotelwelt. Sie stehen leer. Die
weißen Traumstrände: Menschenverlassen. Und die vielen hundert kleinen
malerischen Segelboote sind aufs Ufer raufgezogen, weil es keine Touristen mehr
gibt. Eine Tragödie für die Investoren, aber auch für Tausende von
Einheimischen, die ihre Arbeit und damit ihre Existenzgrundlage verloren haben.
"The Balibomb!" erklärt Mohammed. Über 200 Tote hat diese
Schreckenstat hinterlassen. Von den weiteren Schäden für das gesamte Land ist
woanders kaum noch die Rede.

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