Dass beim Blauwassersegeln Traumbuchten gefunden
werden, Landschaft im Übermaß genossen wird, setzt man fast als
selbstverständlich voraus. Selten trifft man - wie der "normale"
Tourist - auf einzigartige Sehenswürdigkeiten. Ein solches ganz ungewöhnliches
Ausflugsziel waren für uns die letzten auf der Welt existierenden Drachen. Man
hat das Gefühl, der Vorzeit zu begegnen...
August 2004 -
die letzten Drachen der Erde
Es gibt so viele Inseln in Indonesien, dass es
einem schwer fällt, sich auch nur ganz wenige zu merken. Und außer Bali, Java,
Sumatra und Borneo haben in Europa die tausend Inseln keinen klangvollen Namen. Eine Ausnahme macht
Commodo, die sogar einem Urtier den Namen gegeben hat. Varanus Commodo heißen
die Drachen auf dieser Insel, die vor allem deshalb bemerkenswert sind, weil sie
im Gegensatz zu ihren Tausenden von Verwandten im Tierreich nicht ausgestorben
sind.
Die Commodo-Drachen gibt es nur noch auf drei
Inseln. Und an denen waren wir jetzt bis auf wenige Meilen dran. In Lubanbayo
sind Ausflüge zu den Dracheninseln die große Touristenattraktion. Leider gibt
es seit der Balibombe kaum noch Touristen dort. Und so schachern die zahlreichen
Tauchshops um die wenigen Besucher und unterbieten sich mit den Preisen
für einen Besuch der Drachen. Wir suchten uns auf eigene Faust ein Boot (plus
Crew und Captain), das Carla und mich abwechselnd nach Rinca zu den Drachen
bringen
sollte. Mit dem eigenen Schiff die 20 Meilen zu segeln, wollten wir nicht, denn
wir waren gespannt, mal zu sehen, wie die Einheimischen mit ihren Schiffen
umgingen. Und andererseits wollten wir die THALASSA nicht einen ganzen Tag
alleine lassen. Der Preis von 25 Euro war schnell ausgehandelt - ein gutes
Geschäft für uns, aber auch für den spindeldürren Captain Om Subu - was so
viel heißt wie "Frühammorgen", dessen blaues Segelschiff ANGIN
MAMERI halt leer gestanden hätte.
Zur verabredeten Zeit, kurz vor sieben Uhr, war
ich zur Stelle, leider nicht Kapitän Frühammorgen. Schon wollte ich anfangen
rumzumosern, da tauchte das mickrige Männlein lachend auf. Es war 7 Uhr 00
Minuten.
Die ANGIN MAMERI ist ungefähr 13 Meter lang und
bei großzügiger Betrachtungsweise ein Segelschiff. Sie hat - spürbar - einen
Einzylinder-Diesel, und wie ich gleich hören sollte, keinen Auspuffkühler und
keinen Anlasser. Vor allem hat sie kein Getriebe, also auch keinen Leerlauf. Nachdem der Captain und sein
Bootsmann das schwere Schiff durch das Gewurl von Polypropylen-Ankerleinen ins
tiefere Wasser gezerrt hatten, setzte es sich mit einem nagelnden Gedonner
langsam in Bewegung.
Kaum
im freien Wasser wurden sofort Fock und Groß gesetzt, doch schätzte ich den
zusätzlichen Vortrieb durch Wind bei diesen Segeln, wahrscheinlich aus
Sackstoff, auf keinen Knoten. Schäkel, Belegklampen, Winschen gar, oder auch
nur vernünftiges Tauwerk, nein, all das war auf der ANGIN MAMERI nicht
vorhanden. Trotzdem, alles klappte, und ganz offensichtlich verstand Kapitän
Frühammorgen sein Handwerk bestens.
Erlebt
man sowas, dann bekommt man eigentlich ein ganz schlechtes Gewissen, wenn man an
seine eigene Ausrüstung denkt: Die Pütz, mit der gelegentlich das Deck
übergossen wurde (Holzschiff!) war aus einem abgeschnittenen Kanister selbstgebastelt, ebenso wie die Fender (jawohl, es wurden Fender benutzt), für
die Tauwerksabfälle mit vergammelten Netzen ummantelt wurden.
Bootsmann Fred
konnte einige wenige Worte Englisch. Neben Kost und Logis auf dem Boot, verdient
er zwanzigtausend Rupien. Das sind 20 Euro pro Monat. Manchmal kann ihn sein
Kapitän auch nicht auszahlen, wenn der keine Touristen findet, die zu den
Drachen oder zum Tauchen wollen. Fred hofft, dass er einmal die ANGIN MAMERI
kaufen kann, wie ihm Frühammorgen zugesagt hat, aber noch weiß er nicht, wo er
den Gegenwert von 600 Euro (Motor eingeschlossen!) hernehmen soll.
Unterwegs klärte mich Fred über die "Commodos",
wie sie die Drachen auch auf Rinca nennen, auf. Seine Skala der Gefährlichkeit
von Tieren reicht von "friendly" aufwärts. Am Anfang der Skala
siedelte Fred die Haie an: "friendly"! Am anderen Ende der Skala kamen
dann Commodos mit "very unfriendly". Die in Afrika wegen ihrer
Gefährlichkeit so gefürchteten mächtigen Wasserbüffel wurden dagegen
von Fred nur mit "unfriendly" eingestuft. Da war ich ja
gespannt.
Nach zwei Stunden hatten wir die Bucht in Rinca
erreicht, wo die kleine Station des Nationalparks hinter einem Steg gelegen war.
Nachdem der Diesel abgestorben war, warf der Cäptn in hohem Bogen einen dürren
Anker durchs Heckfenster und bremste die Restfahrt mit Hilfe von seinen
knorrigen Fingern und der glatten
Polypropylenleine ab. Und schon war der Bug des tonnenschweren Schiffs zentimetergenau am Steg, fertig zum Übersteigen.
Doch
es war nicht so leicht, an Land zu kommen. Quer über dem Steg aalte sich in der
Sonne eine vielleicht zweimeterfünfziglange Echse und dachte gar nicht daran beiseite
zu gehen. Fred hatte plötzlich eine Stange in der Hand mit einer Gabel am Ende,
die er vorsichtig vor sich hertrug: "Be careful!". Endlich bequemte
sich das Tier mindestens sich längseits zum Steg hinzulegen, um so zwei Meter
freizugeben.
Aber plötzlich Geschrei der Einheimischen.
Urplötzlich war im Hintergrund ein richtiges Monster von Drachen aufgetaucht,
sicher weit über drei Meter lang. Und mächtig. Auf dem Steg gabs Getrampel,
alles lief zurück auf die Boote. Langsam setzte sich der Varanusrex in
Bewegung, sein Bruder, der uns den Weg zum Land verwehrt hatte auch. Manchmal
können diese Drachen nämlich auch zu Kannibalen werden.
Dann
kam ein Bild, dass ich nie vergesse. Mit einem kleinen Kopfnicken schleuderte
Varanusrex seinen Bruder sicher fünf Meter über den Steg ins Wasser. So war
für ihn der Weg frei zu den Booten. Plötzlich hatten alle so einen Stock mit
Gabel in der Hand und hielten diesen, mutig vom hohen Bug aus, der Echse
entgegen.
Brüllten
ihn an, aber der ließ sich durch so ein Gesäusel nicht abhalten, seinen Weg
Richtung Boote einzuschlagen: Wie Bud Spencer tapschte er mit seinen kralligen
Pfoten unserer ANGIN MAMERI entgegen - very
unfriendly. Ehrlich, ich hatte ein ganz ungutes Gefühl beim Anblick dieses
angriffslustigen Drachens aus wenigen Metern Entfernung.
Erst
ein paar Kübel voll Wasser, vielleicht machte ihn auch das Geschrei etwas
unsicher, ließen das Tier in seinem Vormarsch einhalten. Aber es dachte
zunächst gar nicht daran, den Weg aufs Land freizugeben. Unmittelbar vor die
Boote ließ es sich auf die Stegplanken platschen und blinzelte genüsslich in
die Sonne, offensichtlich mit sich und seiner Macht zufrieden.
Aber
es hatte die Rechnung ohne unseren spindeldürren kleinen Kapitän Frühammorgen
gemacht. Dieser holte aus seinem Schiff eine drei Meter lange Stange und ging
mutig auf Varanusrex zu. Mißmutig drehte der sich im Zeitlupentempo um und
watschelte langsam vor der Stange Richtung Land - den langen Schwanz (der
tonnenschwere Schläge austeilen kann) wie eine Boa Constrictor hinter sich
herziehend.
Bei
der Parkverwaltung beklagte man sich über die Touristenschwemme: "Bis zu
50 Besucher pro Tag...!" Gegen einen geringfügigen Beitrag zum Naturschutz
(4 Euro) bekam ich dann einen Führer zugeteilt, der mir bei einem Spaziergang
über die Insel weitere beeindruckende Details über die "Commodos"
erzählte. Also, es gibt noch circa 3000 von diesen Urwelttieren, auf drei
Inseln verteilt. Sie legen Eier, die neun Monate lang in ein Nest zum Brüten
abgelegt werden, wobei das Weibchen ununterbrochen die Nester bewacht. Nach dem
Schlüpfen, flüchten sich die Jungtiere auf die umliegenden Bäume, um nicht
von ihren Artverwandten getötet zu werden - soweit sind die vom Raubtier Mensch
also gar nicht entfernt. Dort leben sie drei Jahre lang von Insekten und Spinnen, bevor sie dann zum richtigen Leben wieder runterzusteigen.
Die
Fakten über ihre Ernährungsweisen sind eindrucksvoll. Sie fressen
Frischfleisch und Aas gleichermaßen. Affen, Schweine und Rehe sind auf der
Insel ihre Hauptnahrung. Die großen allerdings schrecken auch vor Angriffen auf
die mächtigen Wasserbüffel nicht zurück. Noch einen üblen Trick haben diese
Tierchen auf Lager: Manchmal beißen sie ihre Opfer "nur". Die Wunden
entzünden sich regelmäßig und die Opfer verenden dann in den nächsten Tagen,
worauf sie zur ganz bequemen Nahrung werden.
Nebenbei: Ein 50 Kilogramm schwerer
"Dragon" kann bis zu 40 Kilogramm Fleisch bei einer Mahlzeit
vertilgen.
Noch
bis vor ein paar Jahren wurde den paar Touristen ein gar ergötzliches
Schauspiel geboten. Sie konnten sich für ein paar Rupies eine Ziege kaufen, die
dann festgebunden wurde, und mit ihren Todesschreien innerhalb von
Minuten einen Dragon anlockte. Es dauerte nur 10 Minuten, bis von der Ziege
buchstäblich nichts mehr übrig war. Diese makabere Touristenattraktion ist
glücklicherweise inzwischen verboten worden.
Wenn man bedenkt, dass früher mal die Erde von
dieser Art Tiere bevölkert worden ist, bin ich ganz froh, nicht mehr
in dieser Zeit zu leben. Carla meinte jedenfalls nach unserer Rückkehr mit der ANGIN MAMERI,
ich würde einen etwas verstörten Eindruck machen.

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